Bottrop. 2023 sind die Abwassergebühren leicht gesunken, 2024 dürften sie steigen. Warum das so ist und was das zu tun hat mit dem Gebühren-Urteil

Stadtkämmerer Jochen Brunnhofer warnt die Bottroper vor. „Mit einer Erhöhung der Abwassergebühren für 2024 ist zu rechnen.“ Das hat allerdings vergleichsweise wenig tun tun mit dem überraschenden Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Münster vom 17. Mai 2022, wonach die Stadt Oer-Erkenschwick bei ihren Abwassergebühren mit zu hohen Zinsen kalkuliert habe. Bottrop hat ähnlich gerechnet. Dennoch dürfen aus der Flut der Einsprüche gegen die Bescheide höchstens zehn Immobilienbesitzer auf eine Erstattung für 2022 hoffen.

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Das Urteil des Münsteraner Oberverwaltungsgerichtes vom 17. Mai kam auch für den Bottroper Fachbereich Finanzen „völlig überraschend, weil es mit einer Jahrzehnte gültigen Rechtsprechung gebrochen hat“, sagt der Kämmerer. Der Tenor des Urteil lautet ganz grob vereinfacht: Sowohl die Abschreibung des Eigenkapitals als auch die Zinsberechnung für Kredite habe die Stadt Oer-Erkenschwick zu hoch angesetzt und damit zu hohe Abwassergebühren berechnet. Das Urteil hat auch in Bottrop, wo der Fachbereich Finanzen ähnlich kalkuliert hat, eine Welle von Einsprüchen gegen die Gebührenbescheide ausgelöst: 1178 waren es. Die Stadt hatte die Bearbeitung zunächst ausgesetzt, weil das letzte Wort in dieser Frage vom Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gesprochen werden musste.

Für 2023 hat die Stadt Bottrop nach den neuen Regeln gerechnet

Das ist im Frühjahr passiert. Im konkreten Fall aus Oer-Erkenschwick sei das Urteil inzwischen „wirkungslos“, weil die Stadt die angefochtenen Bescheide aufgehoben habe. In der Sache bleiben die vom Oberverwaltungsgericht aufgestellten Grundsätze aber weiter wirksam, sagen die Bundesverwaltungsrichter: „Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Verwaltungsgerichte (...) keine andere Entscheidung treffen werden, als in dem Urteil des OVG NRW fixiert worden ist.“

So hat auch das NRW-Kommunalministerium die Lage eingeschätzt und im Dezember 2022 das Kommunalabgabengesetz geändert. Für die Abschreibung des Eigenkapitals dürfen die Kommunen nur noch die letzten 30 und nicht mehr 50 Jahre als Referenzzeitraum nutzen, bei Krediten muss der aktuelle Zinsdurchschnitt zugrundegelegt werden. Auf dieser Basis hat die Stadt die Abwassergebühren für 2023 berechnet und ist damit auf der sicheren Seite, sagt Brunnhofer. „Die Gebühren für Schmutzwasser konnten trotz gestiegener Kosten gleich bleiben. Die Kosten für Niederschlagswasser sind sogar um 9,2 Prozent gesunken.“

Auch im Kanalbau steigen die Preise seit 2022 rasant. Unser Bild aus dem August 2022 zeigt die Kanalbauarbeiten am Ottenschlag in Grafenwald.
Auch im Kanalbau steigen die Preise seit 2022 rasant. Unser Bild aus dem August 2022 zeigt die Kanalbauarbeiten am Ottenschlag in Grafenwald. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Auch der Kanalbau in Bottrop ist teurer geworden

Für 2024 kann der Kämmerer den Bottropern aber nur wenig Hoffnung machen, dass die Gebühren stabil bleiben. Zwar ist der aktuelle Kreditzinssatz für die Stadt weiter günstig, aber auch im Tiefbau sind die Preise seit Beginn des Ukrainekrieges explodiert. Dazu kommen steigende Personalkosten und immer mal wieder Knappheitspreise bei Baustoffen.

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Und dann sind da noch die Beiträge zur Emschergenossenschaft. Für die Verbesserung des Hochwasserschutzes hat das Unternehmen ein Maßnahmenpaket im Volumen von 500 Millionen Euro für die nächsten 15 Jahre aufgelegt. All diese Faktoren, so die Einschätzung des Kämmerers, dürften in eine Gebührenerhöhung für 2024 im Wortsinn einfließen.

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Und die 1178 Einsprüche gegen die Gebührenbescheide? Dazu hat das Bundesverwaltungsgericht eine nicht sehr verbraucherfreundliche Ansage gemacht: „Rechtskräftige Gebührenbescheide müssen nicht aufgehoben werden.“ Jede Stadt könne „dem Prinzip der Bestandskraft eines Verwaltungsaktes den Vorrang vor dem Prinzip der materiellen Gerechtigkeit“ geben. Und genau das wird die Stadt Bottrop in den nächsten Wochen tun, sagt Brunnhofer: „Die weit überwiegende Zahl der Einsprüche richtet sich gegen rechtskräftige Bescheide.“ Denn sie sind erst nach dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts eingelegt worden. Nur zehn Einsprüche seien form- und fristgerecht eingegangen. „In diesen Fällen werden wir jetzt prüfen, ob wir dem Einspruchsgrund abhelfen können.“