Bottrop. In dieser Serie stellen bekanntere und unbekanntere Menschen aus Bottrop ihren Lieblingsort vor. Heute: Sportjournalist Tibor Meingast.
„Sie ist grün, von ihr hast du einen ganz weiten Blick auf die Stadt und die Region, das gibt es sonst selten in Bottrop.“ Tibor Meingast liebt die Aussicht, vielleicht auch den freien unverstellten Blick, der ihm als Journalisten ohnehin im Blut liegt. Und da ist die Halde Haniel als höchster – wenn auch künstlicher – Punkt der Stadt natürlich das Paradebeispiel. Zwar kein Zimmer, aber der Ort mit Aussicht.
Sonst sei es ja mit Aus- und Weitsicht in Bottrop eher schwer. „Der größte Teil des Stadtgebiets ist flach und oft steht man buchstäblich im Wald, was ja auch schön ist, wenn man von einer Industriestadt sagen kann, sie hat 70 Prozent Wald und Grün, aber da gibt es eben nicht den weiten Blick“, sagt der aus der Rhön bei Fulda stammende Wahl-Bottroper, der seit 1991 zur Sportredaktion des ZDF gehört.
Von den Hügeln der Rhön zu den Halden des Ruhrgebiets
Was für Tibor Meingast heute die Halde ist, war für den Jungen und Jugendlichen von damals die Wasserkuppe, mit 950 Metern über Normalnull natürlich ungleich höher als Bottrops Halde mit „nur“ 185 Metern. Zu der Zeit waren Rhön und Wasserkuppe noch „Zonenrandgebiet“. „Längst nicht so viel los wie im Ruhrgebiet.“ Und der Blick führte fast automatisch in den in jenen Jahren noch unfreien Teil Deutschlands.
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Aber auch wenn Berge (oder Halden) durchaus zum Philosophieren anregen könnten: Überhöhen oder symbolisch aufladen möchte man diesen Lieblingsort dann doch nicht. Schließlich ist Tibor Meingast nicht ständig dort oben, ebenso wenig, wie er ständig in Bottrop ist. „Aber wenn Arbeit und Zeit es zulassen, bin ich sicher einmal in der Woche dort unterwegs, auch weil Schröder Auslauf braucht.“ Das ist der Familienhund. Vom Nordrand des Fuhlenbrock, wohin es den Sportjournalisten in den 90er Jahren verschlagen hat („Meine Frau ist Bottroperin, wir haben auch mal das Rheinland ausprobiert, aber dort gefiel es ihr nicht“) sind es nur wenige Fußminuten zum Fuß der Halde.
Selbst der hellgrüne Förderturm der stillgelegten Zeche vor dem dunkelgrünen Hintergrund sei immer wieder ein faszinierender weil sich stets verändernder Anblick – jedenfalls, wenn man wie Tibor Meingast viel fotografiert. Die Vielgestaltigkeit der Halde fasziniert den Wahl-Bottroper aber auch an anderen Punkten jedes Mal neu: das viele Grün, zu sehen, wie sich die Natur die eigentlich künstliche Halde zurückerobert, das Plateau mit dem Kreuz, die Bergarena als Konzertort mit Aussicht.
Auf Bottrops höchster Halde ist immer noch das Grundrauschen des Reviers zu hören
Natürlich hat die Halde auch sportlich etwas zu bieten. „Manchmal gehe ich auf Wegen der Mountainbiker quer durchs Gehölz, das ist dann fast wie in den Alpen, da ist niemand.“ Aber meistens ist doch aus der Ferne das Grundrauschen der A2 zu hören. So ganz aus der Welt: Das funktioniert im Ruhrgebiet doch eher selten.
Am ehesten vielleicht noch ganz oben beim fast unwirklichen Halbrund der Totems von Agiustín Ibarrola. Für den Journalisten vielleicht der spannendste Punkt der Halde. „Die Stelen verändern sich ständig, du entdeckst Neues, ich berühre auch gerne das Holz der Kunstwerke.“ Bei Schnee oder Nebel sei es besonders faszinierend dort oben. Stimmungen, die die Bottroper Fotografin Angelika Schilling vielfach festgehalten hat und mehrfach ausstellte. „Was für ein Glück, dass Guido Hofmann die Totems immer wieder neu bemalt, pflegt und instand setzt“, sagt Tibor Meingast. Optisch sei das Kunstwerk total gelungen, findet Tibor Meingast. „Es hat einen ganz speziellen Charme, so wie das Ruhrgebiet selbst, das ich früher nur aus Schimanski-Krimis kannte.“
Die Serie - Die Teilnehmenden
In der Serie „Mein Lieblingsort“ stellt die WAZ in lockerer Folge Orte vor, zu denen bekanntere und unbekanntere Ur- und Wahl-Bottroperinnen und Bottroper eine besondere Beziehung haben oder die sie einfach schön, spannend oder für sich wichtig und besonders empfinden.
Tibor Meingast (geb. 1959 bei Fulda) ist Sportjournalist und Autor und gehört seit 1991 der Sportredaktion des ZDF an. Während des Studiums in Gießen lernte er seine Frau Lisa kennen. Mit ihr zog er Mitte der 90er Jahre in deren Heimatstadt Bottrop, die auch für den umtriebigen Journalisten inzwischen Heimat geworden ist.