Bottrop. Bottrops Tierheim ist völlig überfüllt, noch nie war die Warteliste so lang. Die Leiterin spricht deutliche Worte: „Es ist katastrophal.“

Bottrops Tierheim hat es nie leicht gehabt. Die Vorsitzende der Tierfreunde, Hildegard Frank-Tüllmann, hat immer darauf aufmerksam gemacht, wo der Schuh drückt und mit welchen Problemen der Verein zu kämpfen hat. Nun scheint die nächste Stufe erreicht zu sein. „Die Situation ist katastrophal“, sagt sie.

Unzählige Tierbesitzer wollen ihre Lieblinge loswerden. „Die Leute rufen aus allen möglichen Städten an“, berichtet Frank-Tüllmann. Man könnte schon fast von einer traurigen Tradition sprechen. Wenn die Sommerferien beginnen, steigt der Stress an der Wilhelm-Tell-Straße 65. Einst geliebt, heute lästig. „Wir erleben zurzeit eine große Welle an Kleintieren wie Kaninchen und Katzen.“

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Schlimm ist zudem die räumliche Situation im Tierheim. Die Aufnahmekapazität vor Ort ist begrenzt und überlastet. „Wir können nicht alle Tiere aufnehmen“, sagt Frank-Tüllmann. Ein neues Zuhause finden dort jeweils circa 40 Hunde und Katzen und circa 60 Kleintiere.

Nun hat die Vorsitzende einen Schlussstrich gezogen. „Wir müssen Leute auf die Warteliste setzen“, sagt sie. Nur wenn ein Tier vermittelt und dadurch ein Platz frei wird, kann ein neues Tier aufgenommen werden. Sorgfältig hat die Vorsitzende die Abgabelisten im Blick. Eine solche Liste habe sie schon in der Vergangenheit geführt. Die Umstände sind diesmal dramatischer. „Sagen wir mal so“, beginnt Frank-Tüllmann, „die Liste war noch nie so voll wie jetzt.“

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Nach Einschätzung der Vorsitzenden liegt der tierische Ansturm nicht nur an den Sommerferien. „In der Corona-Pandemie haben sich viele ein Haustier angeschafft.“ Mit der Rückkehr zur Normalität verlieren sie das Interesse an dem Tier. Letzter Ausweg: Tierheim.

Im Bottroper Tierheim steht das Telefon kaum still. In ihrer Verzweiflung rufen die Besitzer an – meistens haben sie dann schon mehrere erfolglose Anrufe bei anderen Tierheimen hinter sich. „Überall sind die Tierheime sehr voll“, sagt Hildegard Frank-Tüllmann. Ihr bleibt meist nichts anderes übrig, als die Anrufer zu vertrösten oder sie zu bitten, sich auf die Warteliste setzen zu lassen.

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Die Reaktionen auf keine sofortige Zusage sind unterschiedlich. „Manche zeigen Verständnis, andere werden ungeduldig oder frech und legen einfach auf.“

Alleine am Mittwoch wurden etwa mehrere Meerschweinchen, fünf Katzen und drei Stallkaninchen im Tierheim abgegeben. „Es ist schlimm“, sagt die Vorsitzende. Hinzu kommt, dass das Team teils dramatische Schicksale erlebt. In einem Fall, wie Frank-Tüllmann berichtet, ist das Herrchen von zwei 14-jährigen Hunden kürzlich gestorben. Seine Frau zieht in eine kleinere Wohnung in die Stadt. Die Hunde können nicht mit. Nun soll das Tierheim helfen und die Hunde aufnehmen.

Am Bottroper Tierheim werden Kleintiere und Katzen ausgesetzt

In einem anderen Fall wirkt ein Halter verzweifelt. Er will sein Tier abgeben, weil er die Tierarztkosten nicht mehr bezahlen kann. Oder ein Junge hat allergisch auf das neue Familienmitglied, eine Katze, reagiert.

Aber nicht immer ist das Tierheim der Retter in der Not. Das zehrt an den Nerven der Tierfreunde. „Wir gehen mit diesen Gedanken auch abends ins Bett“, sagt die Vorsitzende. „Was passiert mit den Tieren? Man hat die Warteliste im Kopf. Denn hinter jedem dieser Telefonate steht ein Schicksal.“

Ruhig und besonnen versuchen die Mitarbeiter des Tierheims, am Telefon ihre missliche Lage zu erklären. Denn eines wollen sie auf jeden Fall verhindern – ein Aussetzen der Tiere. Ganz verhindern lässt sich diese Straftat nicht. „Morgens stehen Körbe vor der Tür“, berichtet Frank-Tüllmann. „Meistens mit Katzen und Kleintieren.“ In der Nacht werden sie unbemerkt ausgesetzt, wenn niemand im Tierheim ist.

Bottroper Tierheim hat Kosten in Höhe von mehr als 120.000 Euro

„Gestern haben wir eine kleine Katze bekommen, vielleicht sechs Wochen alt“, sagt Frank-Tüllmann. Beim Gassi gehen wurde sie in einem Karton im Wald gefunden. „Sie hatte ganz verschnupfte Augen. Sie ist jetzt beim Tierarzt, ob sie durchkommen wird, weiß ich nicht.“

Die Arztkosten übernimmt das Tierheim. Bei den Preisen spricht die Vorsitzende von einer „drei- bis vierfachen Erhöhung“ seit November. „Kastrationen, Impfungen und Medizin sind teurer geworden.“ Hinzu kommt die Inflation mit steigenden Preisen und die Erhöhung des Mindestlohns.

Ende des vergangenen Jahres rechnete sie deshalb mit Mehrkosten in Höhe von 120.000 Euro. „Ich glaube, dass die Summe noch höher wird“, sagt die Vorsitzende des Tierheims. Die Hoffnung auf bessere Zeiten bleibt: „Wir bemühen uns und versuchen zu helfen. Die Tiere können ja nichts dafür.“

Spenden ans Tierheim

Die Tierfreunde Bottrop sind auf Spenden angewiesen. Geldspenden sind möglich an:

Stadtsparkasse Bottrop: Konto: 1006600; Iban: DE 25424512200001006600

Volksbank: Konto: 5200208300; Iban: DE 86424614355200208300

Kontakt zum Tierheim: Montag, Dienstag, Mittwoch, Freitag und Samstag von 15 bis 18 Uhr geöffnet, Donnerstag, Sonntag und an Feiertagen geschlossen. 02041 93848 oder info@tierheim-bottrop.de.