Bottrop. Die Bottroper Apotheker und ihre Mitarbeiter haben am Mittwoch protestiert. Sie sehen ihre Existenz und die Versorgung der Patienten gefährdet.
Als sie in der Hansastraße stehen, zählen sie das knappe halbe Dutzend Apotheken auf, die dort früher mal waren – und von denen keine einzige übriggeblieben ist. Am Mittwochvormittag haben die Bottroper Apotheker und ihre Mitarbeiter bei einem Protestmarsch durch die Innenstadt auf ihre Situation aufmerksam gemacht, auf das Sterben der Apotheken, den Kostendruck und die übersteigerte Bürokratie.
„Wir können die ordnungsgemäße Versorgung der Patienten nicht mehr gewährleisten“, sagt Rainer Giesen, seit 29 Jahren Inhaber der Apotheke am Boyer Markt. „Wir streiten hier für den Kunden.“ Aktuell seien 660 Arzneimittel nicht verfügbar, die Lieferengpässe reißen nicht ab. Hinzu kommen die vielen Schließungen, 17 Apotheken haben in den vergangenen zehn Jahren in Bottrop dicht gemacht, an manchen Tagen gibt es hier in der Stadt keine Notapotheke.
Ein gewichtiges Problem seien die Rabattverträge der Krankenkasse. Die Apotheken sind daran gebunden, die Medikamente an die Kundinnen und Kunden zu geben, die von der Krankenkasse vorgegeben sind. Das ist dann gegebenenfalls nicht genau das Mittel, das der Arzt verschrieben hat. Und wenn diese Arznei nicht verfügbar ist, darf der Apotheker kein anderes rausgeben – sonst bekäme er es nicht von der Krankenkasse bezahlt.
Über 100 Apotheker und Mitarbeiter protestieren in Bottrop
„Apotheken waren immer Vorreiter der Dienstleistung“, sagt Giesen. Doch es würden zu viele Steine in den Weg gelegt, die Patientinnen und Patienten richtig zu versorgen. Hinzu kommt: Seit einem Jahrzehnt hat es keine Steigerung der Vergütung gegeben. „In welcher Branche gibt es denn zehn Jahre keine Gehaltserhöhung?“, fragt der Apotheker.
Fast alle Bottroper Apotheken haben sich am Mittwoch an dem bundesweiten Protesttag beteiligt und hielten ihre Türen geschlossen. Lediglich die City- und die Elefanten-Apotheke in der Innenstadt blieben geöffnet, die Glückauf-Apotheke in Kirchhellen deckte den Notdienst für Bottrop und Gladbeck ab.
Über 100 Apotheker und Mitarbeiter skandierten ihre Nöte und Forderungen. Eine Pharmazeutisch-Technische Assistentin (PTA) der Barbara-Apotheke sagt, sie habe sich vor über 20 Jahren diesen Job ausgesucht, „weil ich nicht am Schreibtisch sitzen wollte“. Jetzt sei sie fast den ganzen Tag am Telefon, müsse Ärzte abtelefonieren, weil Rezepte nicht genau genug formuliert sind, müsse versuchen, Medikamente zu ergattern, die nicht verfügbar sind.
Zu viel Bürokratie in den Apotheken: Keine Zeit für die Patienten
„Wir haben gar keine Zeit, auf den Patienten einzugehen“, klagt auch Laura Voldrich, PTA in der Westfalia-Apotheke. Sie fordert mehr Freiraum bei der Abgabe der Medikamente, weniger Einengung durch die Rabattverträge.
Der Begriff Bürokratie fällt in jedem Gespräch mit den Apothekern, den PTAs. „Wir müssen bei Rezepten dreimal aufpassen“, berichtet Andrea Scheppan, Inhaberin der Sonnenschein-Apotheke. Ein falsches Kreuz und schon könnte die Krankenkasse die Abrechnung verweigern, die Apotheke bliebe auf den Kosten des Medikamentes sitzen. Sie ärgert sich, dass für die Apotheken „kein Geld“ da sei, „aber wie viel Geld in der Corona-Zeit verschwendet wurde, weil abgelaufene Impfdosen weggeworfen werden mussten.“
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Karima Ballout, Vorsitzende der Bezirksgruppe Bottrop im Apothekerverband Westfalen-Lippe, bringt die Forderungen der Apotheker und Mitarbeiter auf den Punkt: „Wir wollen Wertschätzung der Gesundheitspolitik für die Arbeit, die wir leisten und den Kostendruck, den wir haben.“
Kirchhellener Glückauf-Apotheke: „Wir können nicht mehr“
Während die Apotheken in der Stadt geschlossen blieben und protestierten, stemmte die Glückauf-Apotheke in Kirchhellen den Notdienst, und zwar für Kundinnen und Kunden sowohl aus Bottrop als auch aus Gladbeck. Fürs Team eine ganze Menge Arbeit, mehr noch als zum Beispiel bei Notdiensten an Feiertagen. „Wir sind schon ordentlich unterwegs“, sagt Apothekerin Birgit Lauer gegen Mittag, „aber wir haben eine friedliche Stimmung hier“.
Das Team erkläre den Kundinnen und Kunden, wofür gestreikt werde, und die meisten zeigten Verständnis. Birgit Lauer, die auch Apothekensprecherin für Bottrop ist, stellt mit Blick auf den für die Branche doch sehr ungewöhnlichen Streiktag fest: „Wir haben es 20 Jahre lang mit Geduld, Argumenten und Sachlichkeit versucht. Wir können nicht mehr!“