Düsseldorf. Nordrhein-Westfalen ist noch nicht für einen Corona-Herbst gerüstet – auch die Impfungen stocken. Was Bürger über die jetzige Lage wissen müssen.

Die Diskussion um einen erneuten Corona-Herbst nimmt an Fahrt auf. Gesucht wird eine passende Strategie, um durch die kalte Jahreszeit zu kommen. Mit Blick auf den Herbst tut daher Aufklärung über Corona Not, so Experten. Antworten auf drei aktuelle Fragen:

Wie ist die Corona-Lage in NRW?

Nicht sehr Besorgnis erregend. Die Inzidenz lag am Freitag laut Robert-Koch-Institut (RKI) bei 277,6 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in einer Woche. Das ist ein Anstieg um rund 40 im Vergleich zum Vortag. Immer häufiger wird die Virusvariante BA.5 festgestellt, die zuletzt in Portugal die Infektionszahlen nach oben schnellen ließ. Bei den Impfquoten schneidet NRW im Bundesvergleich gut ab.

Laut RKI haben 26,2 Prozent der Über-60-Jährigen eine zweite Booster-Impfung erhalten. Nach Bremen und Schleswig-Holstein liegt NRW damit auf einem „sehr guten 3. Platz“, so das NRW-Gesundheitsministerium. Der Bundes-Durchschnitt liegt bei 18,2 Prozent. 81,6 Prozent der Bevölkerung in NRW sind mindestens einmal geimpft.

Müssen viele Impfdosen entsorgt werden?

Leider ja. Ein Teil des Landesvorrats steht kurz vor dem Ende der Haltbarkeit. Laut dem NRW-Gesundheitsministerium verfallen 22.600 Biontech-Impfdosen am 30. Juni, weitere 1.170 sind noch bis Ende September haltbar. Rund 150.000 Novavax-Dosen verfallen zum 31. Juli. Dieser „Totimpfstoff, auf dem viele Hoffnungen ruhten, ist ein „Ladenhüter“. Laut Gesundheitsministerium ist eine Impfstoff-Spende durch das Land NRW rechtlich unmöglich. Wichtig zu wissen: Die Belieferung der kommunalen Impfstellen und der Arztpraxen erfolgt über das Versorgungssystem des Bundes, in das Apotheken und Großhandel eingebunden sind.

Verfall im Landesvorrat: Rund 150.000 Novavax-Dosen in Nordrhein-Westfalen laufen zum 31. Juli ab. (Symbol)
Verfall im Landesvorrat: Rund 150.000 Novavax-Dosen in Nordrhein-Westfalen laufen zum 31. Juli ab. (Symbol) © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

„Den Umfang von entsorgtem Impfstoff können wir nicht beziffern. Die Praxen bemühen sich aber, möglichst wenig Impfstoff wegzuwerfen, was in der Regel einen hohen organisatorischen Aufwand mit sich bringt“, erklärte Dr. Frank Bergmann, Chef der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein. Wenn ein Fläschchen angebrochen sei, müssten, je nach Impfstoff, sechs bis zehn Dosen zügig verimpft werden. „Das war bei der geringen Impf-Nachfrage in den letzten Wochen allerdings oft nicht möglich, weil zu wenig Patienten einen Impftermin vereinbart hatten“, so Bergmann.

Wie impfbereit sind die Menschen?

Unter den Patienten sei die Stimmung zwiespältig, berichtet Albert Gehle, Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe. Manche Patienten hätten das Thema satt. „Bei Menschen über 70 merken wir wachsende Zweifel, da müsste man jetzt ansetzen.“ Die kritische Haltung ließe sich oft nur durch lange Gespräche nehmen. Auch der Sozialverband VdK sieht hohen Informationsbedarf. „Wir brauchen eine Aufklärungswelle“, sagt VdK-Landesvorsitzender Horst Vöge. Der Bund halte sich bei der Werbung fürs Impfen auffallend zurück.