Bottrop. Die Hoffnungen auf Schmerzensgeld für die Opfer Peter Stadtmanns schwinden: Es wird keinen Sonderfonds geben. Das sind die Hintergründe.

Vier Jahre nachdem das Insolvenzverfahren über das Vermögen des verurteilten Bottroper Apothekers Peter Stadtmann eröffnet wurde, sind alle Gegenstände der Insolvenzmasse verkauft. Das teilt Thomas Feldmann, Sprecher des Insolvenzverwalters, auf Nachfrage mit. Damit ist das Verfahren aber noch nicht abgeschlossen. Gleichzeitig müssen die Opfer einen Rückschlag einstecken.

Zur Erinnerung: Peter Stadtmann besaß zum einen eine Luxus-Villa im Kirchhellener Viertel Overhagen. Das 710 Quadratmeter große Haus, in dem Peter Stadtmann selbst gelebt hat, soll bei der Errichtung rund elf Millionen Euro gekostet haben. 5,7 Millionen Euro waren als Verkaufspreis aufgerufen, für wie viel Geld die Villa tatsächlich den Besitzer gewechselt hat, ist unklar. Der Insolvenzverwalter kommuniziert keine Verkaufssummen.

Sieben Bottroper Innenstadtimmobilien von Peter Stadtmann verkauft

Zum anderen gehörten sieben Innenstadtimmobilien zum Besitz von Peter Stadtmann. Die Gebäude wurden im vergangenen Jahr auf der Internetseite einer Agentur aus Meerbusch angeboten. Ein Preis war damals nicht genannt, nur die Mieteinnahmen, die der Käufer erzielen kann: 1,2 Millionen Euro im Jahr für die rund 6000 Quadratmeter Gesamtfläche. Zu den Mietern gehören unter anderem Intersport Borgmann, die Buchhandlung Erlenkämper, das Kaufhaus Woolworth, der Optiker Fielmann und die Bäckerei Sporkmann.

Die Häuser an der Hochstraße 29 bis 35 in Bottrop, die früher Peter Stadtmann gehörten, sind an eine Immobilienfirma verkauft worden.
Die Häuser an der Hochstraße 29 bis 35 in Bottrop, die früher Peter Stadtmann gehörten, sind an eine Immobilienfirma verkauft worden. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

Diese Immobilien an der Hochstraße sind nun im Paket an eine Immobiliengesellschaft verkauft worden. „Aufgrund vereinbarter Vertraulichkeit werden wir keinen Namen nennen“, so Thomas Feldmann. Der Kaufvertrag sei bereits Ende 2022 beurkundet worden. Auch hier veröffentlicht der Insolvenzverwalter keine Verkaufssummen.

Bittere Nachricht für die Apotheker-Opfer: Es wird keinen Sonderfonds geben

Den Verkäufen gegenüber stehen Forderungen von Gläubigern in Höhe von mindestens 120 Millionen Euro. Einen großen Teil davon machen Krankenkassen geltend, die durch die Abrechnungen des Apothekers betrogen worden sind.

Hinzu kommen die Schmerzensgeldforderungen der Opfer. 27 von ihnen werden durch den Rechtsanwalt Manuel Reiger vertreten. Im Zuge der Schmerzensgeldverfahren hatte der Vorsitzende Richter Dr. Stefan Ostheide den Vorschlag gemacht, einen Sonderfonds für Schmerzensgeld aus der Insolvenzmasse zu ziehen. Denn: Sowohl der Insolvenzverwalter als auch Peter Stadtmanns Anwalt sagen, der Apotheker sei vermögenslos. Für die Schmerzensgeld-Prozess hatte er Prozesskostenhilfe beantragt.

Auch interessant

Nun aber die bittere Nachricht für die Opfer: Es wird keinen Sonderfonds geben, „nicht zuletzt aufgrund fehlender Bereitschaft aus dem Gläubigerkreis“, wie Thomas Feldmann sagt. Rechtsanwalt Manuel Reiger hat diese Information noch nicht offiziell erhalten, sagt aber: „Wenn das stimmt, ist diese Nachricht ein weiterer Schlag für die Opfer.“

18 Klagen auf Schmerzensgeld noch anhängig am Essener Landgericht

Denn ohne Sonderfonds mindern sich die Chancen der Betroffenen auf Schmerzensgeld deutlich. „Es ist sehr wahrscheinlich, dass aus der Insolvenzmasse nicht viel übrig bleibt“, so Reiger. Dass sich die Gläubiger, allen voran die Krankenkassen, scheinbar gegen einen Sonderfonds entschieden haben, widerspreche dem Ziel einer sozialen Einrichtung wie der Krankenkasse.

Aktuell sind noch 18 Klagen am Landgericht Essen anhängig. Die übrigen wurden abgewiesen – weil die Kammer es nicht als nachgewiesen ansah, dass die Kläger zum Kreis der Opfer gehören. Weil sie zum Beispiel Medikamente genommen hatten, die im Urteil gegen Peter Stadtmann, als er 2018 wegen 14.500 Verstößen gegen das Arzneimittelrecht und Betrugs zu zwölf Jahren Haft verurteilt wurde, nicht erwähnt worden waren.

Auch interessant

„Sie müssten nun selbst beweisen, dass sie zu den Opfern gehören“, sagt Manuel Reiger. „Da haben sie keine Chance.“ Er sei deshalb in Berufung am Oberlandesgericht Hamm gegangen. Bei den 18 noch laufenden Verfahren seien psychiatrische Gutachten angefordert worden, um zu beurteilen, wie hoch die psychische Belastung der Betroffenen ist. „Für die Opfer ist es nicht so leicht, sich da komplett nackt zu machen“, sagt Reiger. „Es liegt eigentlich auf der Hand, dass sie massiv geschädigt sind.“

„Es ist wichtig, dass Stadtmann nicht vergisst, dass er einen riesigen Schaden angerichtet hat“

Wichtig sei es für seine Mandanten, als Opfer anerkannt zu werden, selbst wenn sie wissen, dass die Aussichten auf Schmerzensgeld gering sind. Denn eine Hoffnung bliebe: Da Peter Stadtmann Einzelkind ist und seine Eltern mehrere Immobilien in Bottrop besitzen, sei es wahrscheinlich, „dass er mit einem Erbe ausgestattet wird“.

Opfer, die einen gerichtlichen Titel besitzen, könnten dann ihre Ansprüche geltend machen – „und wenn es in 25 Jahren ist“. Denn den Betroffenen sei vor allem eines wichtig: „Dass Stadtmann nicht aus der zivilrechtlichen Haftung entlassen wird, dass er nicht vergisst, dass er einen riesigen Schaden angerichtet hat.“