Bottrop. Er habe sich in der Person Hubert Schulte-Kemper und der Fakt AG geirrt, sagt Bottrops OB Bernd Tischler zum Hansa-Center. Ein Gespräch.

Eine große Pleite oder eine Chance für die Stadt? Die Insolvenz der Fakt AG hat die Pläne für das Hansa-Center zerschlagen, viele haben sich in ihrer Einschätzung gegenüber Vorstand Hubert Schulte-Kemper getäuscht. Im Interview mit der WAZ spricht Bottrops Oberbürgermeister Bernd Tischler über die Entwicklung der Innenstadt, die Brisanz der Flüchtlingskrise und fehlende Schulplätze.

Herr Tischler, die Bottroper Gesellschaft der Fakt AG ist insolvent, damit kann die Stadt ihr Vorkaufsrecht nicht mehr ziehen. Zudem fordert der Grundschuldner, von dem sich die Fakt AG viele Millionen geliehen hat, sein Geld zurück. Wie sichern Sie sich nun das Hansa-Center?

Der Grundschuldner macht jetzt eine Bauzustandsbesichtigung. Ich sage ja: Für das Hansa-Center als Einkaufscenter gibt es überhaupt keinen Markt, da wird keiner kaufen wollen. Die sagen: Das wissen wir ja gar nicht. Ich als öffentliche Hand beauftrage gerade Planungsbüros, die eine aus städtischer Sicht optimale Planung entwerfen. Die beiden Strategien legen wir dann irgendwann übereinander und müssen dann gucken: Was bleibt jetzt an Preis?

Der Grundschuldner sitzt aber an einer Schlüsselposition und hat nun die Insolvenz eingeleitet.

Ich sage: Das schadet nichts. Wir sind erstmal in diesen guten Gesprächen und wir machen kein finanzielles Abenteuer. Aber wir stellen uns nicht als Dritter außen hin. Ich habe den politischen Auftrag, mich aktiver zu kümmern und mitzuspielen. Das wird nicht nächsten Monat entschieden sein. Der Insolvenzverwalter hat aber ein Interesse, Projekte schnell abzuwickeln, wenn er sich mit mir auf einen guten Preis einigt.

Pläne für das Hansa-Center: Bei den Tagen der offenen Tür präsentierte die Fakt AG, hier Sebastian Bartels, die Planungen für das Einkaufszentrum. Daraus wird nun nichts.
Pläne für das Hansa-Center: Bei den Tagen der offenen Tür präsentierte die Fakt AG, hier Sebastian Bartels, die Planungen für das Einkaufszentrum. Daraus wird nun nichts. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Bottrops OB zum Hansa-Center: Haben einen Besteckschubladenkasten

Wenn aber jemand kommt, der einen besseren Preis zahlen will, sehen Sie doch schlecht aus?

Nein. Wir haben einen Besteckschubladenkasten, mit dem wir eine Entwicklung steuern oder blockieren können durch Bebauungsplan, Veränderungssperre und durch die Inhalte des Bebauungsplans. Im Aufstellungsverfahren kann ich Bauanträge zurückstellen, Veränderungssperren erlassen, so lange, bis der Rat einen guten Bebauungsplan fertig hat. Insofern hat die öffentliche Hand einige Möglichkeiten in der Giftkiste, die man rausholen könnte, wenn man sie bräuchte. Aber die Gespräche sind im Moment nicht so, die sind gut.

Was halten Sie von der Idee, die aufgekommen ist, Teile des neuen Rathauses ins Hansa-Center zu ziehen?

Ich glaube, wir müssen für den Rathaus-Neubau eine optimale Lösung entwerfen. Solange wie das alte Rathaus steht, sollte auch das neue stehen. Ich würde die sorgfältige Rathaus-Zwei-Planung nicht über den Haufen werfen und kaputtschneiden.

Vor eineinhalb Jahren haben Sie sich optimistisch mit Hubert Schulte-Kemper am Hansa-Center gezeigt. Können Sie sich den Fehler eingestehen, sich in der Person Schulte-Kemper geirrt zu haben?

Ja, unbedingt. Ich glaube, das ist nicht nur mir so gegangen, ich habe auch Amtskollegen in anderen Städten, die diese Einschätzung teilen. Ich kann mich an mehrere Ausschüsse erinnern, in denen Politiker gesagt haben: Herr Schulte-Kemper, wenn nicht Sie, wer soll es dann schaffen, schön, dass Sie jetzt bei uns sind. Wir haben gedacht, das würde so laufen, aber es ist nicht so eingetreten.

OB Bernd Tischler hat sich in Hubert Schulte-Kemper geirrt.
OB Bernd Tischler hat sich in Hubert Schulte-Kemper geirrt. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Netto in Bottrops Innenstadt soll im Frühjahr eröffnen

Wie sieht es bei der anderen Großbaustelle in der Stadt aus: Dem ehemaligen Karstadt-Haus?

Devello-Geschäftsführer Christian Zöll hat mir bestätigt, dass die Bauarbeiten laufen. Bisher seien die Arbeiten vertragsgemäß durchgeführt worden. Die Entkernungsarbeiten sollen bis Ende Januar abgeschlossen sein. Netto im Karstadt-Gebäude nimmt also weiter Gestalt an.

Also wird die Filiale tatsächlich bald eröffnen?

Es soll auf einen Eröffnungstermin Ende März, Anfang April hinauslaufen. Auf jeden Fall vor Ostern.

Ein weiteres bestimmendes Thema des vergangenen Jahres war die Unterbringung von Flüchtlingen. Bottrop hat über 1660 Menschen aufgenommen – mehr als 2015. Wie dramatisch ist die Lage?

Es war eine gute Entscheidung des Rates, die Dezernate neu zu ordnen und dass Karen Alexius-Eifert als Sozialdezernentin so konzentriert arbeiten kann.

Container an der Körnerschule in Bottrop kurz nach dem Aufbau im August 2022.
Container an der Körnerschule in Bottrop kurz nach dem Aufbau im August 2022. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Ich spüre ganz deutlich, dass wir eine große Arbeitsbelastung in allen Bereichen haben, die damit zu tun hat, da es ja sehr viele sind. Was mir Sorge macht, ist: Wie gehen wir mit den Kindern um? Thema Schule, Kitas. Da sind wir auf Kante genäht.

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Was ist der Unterschied zur Lage 2015?

Da hatten wir noch die großen Landeseinrichtungen, wo wir noch ein bisschen Puffer hatten. Das gibt es momentan nicht, das wird eins zu eins durchgegeben zu den Städten. Das Land kriegt es im Moment leider noch nicht hin, sich auf seiner Ebene zu bewegen. Da sehe ich einen großen qualitativen Unterschied. Ich will nicht von Krise reden, aber es ist eine unglaubliche Belastung für die Gesamtgesellschaft dieser Stadt.

Machen die Städte genug Druck beim Land? Die Landeskapazitäten liegen nicht mal bei der Hälfte von 2015.

Es ist ja unsere einzige Möglichkeit, über den Städtetag zu gehen und das machen wir sehr intensiv. Ob es am Ende bei der Landesregierung ankommt, weiß ich nicht. Mehr machen können wir aktuell nicht.

Die ukrainischen Kinder – etwa 160 sind es aktuell –, die hier beschult werden, tragen zur Knappheit an den Schulen bei. Müssen bald alle Bottroper Grundschulen mindestens dreizügig sein?

Die Diskussion zu den Schulen ist politisch noch nicht entschieden. Alle gucken jetzt auf den Schulentwicklungsplan, der zum Herbst fertig sein soll. Dann muss man diese Frage beantworten.

Die Astrid-Lindgren-Grundschule gehört zu den Bottroper Schulen, die ihre Klassen aufstocken.
Die Astrid-Lindgren-Grundschule gehört zu den Bottroper Schulen, die ihre Klassen aufstocken. © FUNKE Foto Services | Heinrich Jung

Umstritten ist da eher die Ebene der weiterführenden Schulen ...

… Ich hoffe, nicht umstritten.

Was wird die Stadt das alles kosten, die Schulen auszubauen? Sie muss als Schulträger ja alles selbst bezahlen.

Für Bottrop nehme ich in Anspruch, dass wir nie darauf geguckt haben. Wenn eine Schule erweitert werden musste, haben wir das gemacht. Die Bottroper Schullandschaft steht im interkommunalen Vergleich besser da als andere.

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Anhand von Geburtenzahlen hätte man aber schon früher sehen können, dass es sehr viele i-Dötze gibt.

Vollkommen richtig. Aber auch da ist es gut, dass wir alle Aufgabenbereiche in einem Dezernat gebündelt haben, sodass so etwas nicht noch mal passiert. Man muss aus Fehlern lernen, das haben wir gemacht.

Die Grundschulen sind sehr voll, was macht die Stadt jetzt?

Dazu bauen. Da haben wir jede Menge in petto.

Das wirkt wie Löcher stopfen. War nicht früher absehbar, dass es mehr Platz an den Grundschulen geben muss?

Auch früher haben wir immer Grundschulen erweitert. Es ist ein kontinuierlicher Prozess. In den letzten Jahren haben wir bei Schulen, Kitas, OGS nur gebaut. Von 2017 bis 2020 haben wir 14,7 Millionen Euro in Neu- und Erweiterungsbauten und Sanierungen gesteckt aus dem Fördertopf „gute Schule“.

Kommt es in Frage, eine komplett neue Schule zu bauen oder ist der eigentliche Weg Ausbau der vorhandenen?

Letzteres. Da haben wir die gesamte Infrastruktur. Eine neue Grundschule aus dem Boden zu stampfen, ist nicht erforderlich.

Im Rat wurde geunkt, Sie drehten Ihre letzten Runden als Oberbürgermeister. Bleiben Sie bis Ende Ihrer Amtszeit Oberbürgermeister?

Ich will nicht vorzeitig gehen, zumindest nicht freiwillig. Es gab immer mal Anfragen, aber ich habe mich entschieden, dass ich nichts anderes machen will als OB in Bottrop bis zum Ende. Und es bleibt dabei: Bei der Kommunalwahl 2025 trete ich nicht mehr an.