Bottrop. Vor 125 Jahren wird die alte Johanneskirche in der Boy geweiht. Darum war der Bau damals nötig. Warum die Kirche vor 50 Jahren abgerissen wurde.

Die Boy bekommt vor 125 Jahren ihre erste große und vor allem eigene Kirche. Das war notwendig, da der einst ländlich geprägte und dünn besiedelte Bottroper Südosten auf einmal Industrie- und Zechenland wurde. Als die Johanneskirche nach zwei Jahren Bauzeit 1898 geweiht wird, ist das die erste Kirchengründung seit dem Mittelalter in Alt-Bottrop.

Bis dahin ist St. Cyriakus in der alten Dorfmitte Pfarrkirche für den gesamten Bereich. Wer getauft, getraut oder beerdigt werden will, hat also einen weiten Weg. Immerhin gibt es in Welheim die Kapelle des Deutschen Ordens, der dort bis zur Aufhebung der Kommende 1809 im Zuge der großen Säkularisation seit 1802 ansässig ist. Dort besuchen die Bewohner regelmäßig die Gottesdienste, auch als die Kommende nach Enteignung der Kirchengüter in Privatbesitz des Herzogs von Arenberg übergeht.

Mit dem Bergbau wächst die Gemeinde – Alte Kommende-Kapelle schon lange zu klein

Bald wird die Kapelle, in der maximal – und gedrängt – 200 Personen Platz finden, zu klein. Querelen mit dem neuen Eigentümer über Wegerechte und Erhalt kommen dazu. Fazit: Es muss ein Ersatz her. Vor allem, da in den 1890er-Jahren bereits etwa 3000 Katholiken zum Bezirk gehören, Tendenz steigend. Der Neubau entsteht nicht in Welheim, sondern weiter nördlich in der Boy. Gemeindestrukturen, wie Vereine und Verbände, sogar einen kleinen Chor gibt es schon, als die Neubaupläne Gestalt annehmen. Beauftragt wird der Architekt Wilhelm Rincklake aus der bekannten Münsteraner Architekten- und Baumeisterfamilie. Von ihm stammt der neugotische Entwurf der Johanneskirche – das Patrozinium wird von der alten Kommende-Kapelle übernommen. Als Wilhelm ins Kloster eintritt, führt sein Bruder August Rincklake den Auftrag zu Ende.

Nicht ganz. Denn zu einem großen Turm reicht es nicht. Der folgt erst lange nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Und da ist die inzwischen alte große Johanneskirche Opfer der Bomben- und später der Bergschäden. Luftangriffe machen die Kirche spätestens 1944 völlig unbrauchbar. Schon damals gibt es Diskussionen. Soll St. Johannes wieder auf- oder neugebaut werden? Es wird wieder aufgebaut. Schlichter, weniger Fenster, die alte Ausstattung ist ohnehin perdu. Der Bergbau bleibt und wächst. Mit ihm auch die Gemeinde. Zu den alten Prosperzechen sind seit Gemeindegründung noch Arenberg Fortsetzung und Vereinigte Welheim gekommen. Unter der Kirche rumort es.

Die neue St. Johannes-Kirche wird vor 50 Jahren, am 14. April 1973, geweiht. Im Herbst 1973 wird die alte baufällige Kirche nebenan abgerissen.
Die neue St. Johannes-Kirche wird vor 50 Jahren, am 14. April 1973, geweiht. Im Herbst 1973 wird die alte baufällige Kirche nebenan abgerissen. © WAZ FotoPool | Birgit Schweizer

Erste Bergschäden werden sichtbar. Da helfen auch keine eisernen Zuganker mehr, die das Gewölbe sichern sollen. Ende der 60er-Jahre reißt eine dieser Stangen während eines Gottesdienstes. Die Kirche selbst ist da bereits weit nach rechts abgesackt. Durch die Sakristeimauer blicken Priester und Messdiener ins Freie. Die Baupolizei schließt 1970 das Boyer Gotteshaus. Da hat man sich längst für einen Neubau entschieden – obwohl der Bergbau als Verursacher zunächst nur eine Reparatur finanzieren will.

Schlimmer noch: Die trotz Abpfarrungen (St. Antonius, St. Franziskus, St. Matthias) immer noch große Gemeinde steht ohne Kirche da. Die Tochtergemeinden erhöhen die Zahl der Gottesdienste, St. Peter gewährt „Zuflucht“ und vor allem die evangelische Gemeinde Boy-Welheim stellt in ökumenischer Gesinnung ihre Kirche für größere Feiern wie beispielsweise die Firmung zur Verfügung.

Blick in den 2020/21 umgebauten und verkleinerten Innenraum von St. Johannes in der Boy. Der hintere Bereich der Kirche ist nun für Gemeindeveranstaltungen abgeteilt worden.
Blick in den 2020/21 umgebauten und verkleinerten Innenraum von St. Johannes in der Boy. Der hintere Bereich der Kirche ist nun für Gemeindeveranstaltungen abgeteilt worden. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

In der Zwischenzeit entsteht an der Johannesstraße der erste – und vor einigen Jahren umgebaute – Bottroper Kirchenneubau nach dem zweiten Vatikanischen Konzil. Der Architekt Hans Schilling entwirft einen mehreckigen Zentralraum, der in seiner Niederschwelligkeit eher den Versammlungscharakter als die traditionelle Längsausrichtung auf Altarraum und Tabernakel betont. Am 14. April vor 50 Jahren wird die neue St. Johannes-Kirche geweiht. Die Gemeinde ist glücklich. Auch wenn im Herbst 1973 sicher viele ältere Boyer Katholiken noch einmal wehmütig werden – als ihre alte Kirche endgültig abgerissen wird.