Bottrop. Obwohl es früher schon mal möglich war, darf im Bottroper Ratssaal nicht geheiratet werden. Damit stellt sich OB Tischler gegen seine Partei.
Trauungen im historischen Bottroper Ratssaal kommen nicht infrage - für die Verwaltung! Und allein das zählt! Schon die Absage selbst, die da zum Ende der närrischen Jahreszeit aus dem Bottroper Bürgerbüro kommt, ist bemerkenswert. Die Begründung für diese Abfuhr aber löst bei so manchem Ratsmitglied erst recht eine Mischung aus Heiterkeit und ungläubigem Erstaunen aus.
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Es kommt jedenfalls nicht allzu oft vor, dass Oberbürgermeister Bernd Tischler seinen SPD-Parteifreunden einen Wunsch abschlägt - und dabei Bürgerinnen und Bürgern auch noch einen Extra-Service verweigert, den die von ihm geführte Verwaltung ihnen doch schon einmal bereitwillig angeboten hatte. Auf die Spitze treibt es das Bottroper Bürgerbüro in einer fünfseitigen Abhandlung samt Fußnoten auch noch mit dem sinngemäßen Hinweis: Bei Eheschließungen habe der Stadtrat ja sowieso nichts zu sagen.
Rathaus will nicht mit Bottroper Gastronomen konkurrieren
Dabei hatte die SPD vor gut drei Monaten doch nur freundlich darum gebeten, einmal zu prüfen, ob Paare sich an gerade einmal vier Samstagen im Jahr nicht auch in dem repräsentativen Ratssaal standesamtlich das Ja-Wort geben können. Denn darin hätten anders als im zweifellos schönen Trauzimmer im Rathaus ja auch größere Hochzeitsgesellschaften Platz. Von mehr als 30 bis zu hundert Personen war die Rede. Solche Hochzeitsgesellschaften mögen doch besser einen der zwölf Trauorte außerhalb des Rathauses aufsuchen, beschied die Verwaltung jetzt.
Mit diesen Gastronomien möchten sie im Rathaus nicht konkurrieren. Im feinsten Behördendeutsch wird das standesamtliche Heiraten aber geradezu zu einer Machtfrage erklärt, wenn es darum geht, „wem die Entscheidungskompetenz hinsichtlich der Art und Weise der Durchführung von Eheschließungen obliegt“ - zurzeit allein Bernd Tischler. Dem Oberbürgermeister sei „durch die ihm übertragene personelle und funktionelle Organisationsmacht und vollen Verantwortung über das Funktionieren der Verwaltung“ diese Befugnis übertragen. Und: Tischler habe eigenständig zu entscheiden.
Es ging um Eheschließungen an vier Samstagen im Jahr
Bringen also Eheschließungen an vier Samstagen im Jahr das Funktionieren der Verwaltung in Gefahr? Das legen sie im Rathaus so in ihrer Abhandlung nicht ausdrücklich dar. Allerdings wird klar, dass für solche Extras Personal fehle. Dabei hat der Bottroper Ratssaal seit 2012 durchaus schon als Trausaal gedient. Im Trauzimmer gab es einen Wasserschaden. Auch als dieser behoben war, bot die Verwaltung Brautpaaren ausdrücklich noch an, an zwei Tagen im Juli und Dezember im Ratssaal die Ehe zu schließen.
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Dem Hauptausschuss des Rates berichtet die Verwaltung jetzt aber wortreich von extra bewachten Fluren und Eingängen, von nötigen Sonderreinigungen des Saales und der Rathausflure, von Extra-Kosten für Heizung und Strom. Ohnehin sei der Extraservice im Ratssaal ja kaum gefragt. Die bei weitem meisten Eheschließungen nehmen die Standesbeamten im Trauzimmer vor. Zuletzt habe im vorigen Jahr ein einziges Brautpaar angefragt, ob es nicht auch im Ratssaal heiraten könne.
Bottrops Ratssaal ist für herausgehobene Zwecke reserviert
„Dabei ist zu beachten, dass die Bestuhlung nicht verändert werden kann“, heißt es tatsächlich in der Abfuhr, die die Ratsleute inzwischen zur Kenntnis nehmen sollen. Zumindest die Führungskräfte im Rathaus dürften sich allerdings daran erinnern, dass es für den großen Corona-Krisenstab durchaus eine völlig andere Sitz- und Tischanordnung gab. Auch andere Arbeitskreise nahmen darin schon in geänderter Bestuhlung Platz. Dennoch: Der Ratssaal sei in erster Linie für „herausgehobene repräsentative Zecke“ da. Das Nutzungskonzept hatte der Rat übrigens einstimmig so beschlossen.
Äußerst interessant ist, in welcher illustren Gesellschaft der Rat sich darin befindet. Dazu gehören auch: Karnevalisten beim Sturm des Rathauses und Prinzenpaare. Leute also, die bekannt dafür sind, sich und andere nicht immer ganz so ernst zu nehmen.