Bottrop. Vor 70 Jahren wurde Bottrop Großstadt. Eine Fotoschau rückt das sehenswert ins richtige Licht. So haben Sie Bottrop bestimmt noch nie betrachtet.
Die exklusive Zugabe zu der eindrucksvollen Bottrop-Ausstellung findet sich im Kulturzentrum gleich hinter der Eingangstür, von der Namensgeber August Everding die Besucherinnen und Besucher wie zur Begrüßung so unvergleichlich anlächelt. Das Goldene Buch Bottrops liegt da unter Glas in einer Vitrine. Aufgeschlagen ist die für die zeitgeschichtliche Dimension eigentlich recht schlicht gehaltene Seite eines Ereignisses aus der jüngeren Geschichte der Stadt, das für diese wahrhaftig historisch zu nennen ist: die letzte Schicht, Bottrops endgültiger Abschied vom aktiven Bergbau.
Die jüngere Geschichte der Stadt, die Großstadtgeschichte Bottrops, wäre in diesem Goldenen Buch sicherlich Seite für Seite ebenso ablesbar, aber eben nicht komplett. Es fehlen darin die ersten zehn Jahre. Der erste Eintrag datiert aus Anlass der Verabschiedung des damaligen Oberstadtdirektor Dr. Fritz Kleffner auf das Jahr 1963. Auch wenn Fritz Kleffners damalige Zukunftsideen zum Leitfaden der neuen Ausstellung werden, ihr Anlass ist die Ernennung Bottrops zur Großstadt im Jahr 1953. Oberbürgermeister Bernd Tischler wird sie offiziell am 23. Februar eröffnen; an jenem Tag also, an dem Theo Albrecht vor siebzig Jahren als hunderttausendster Einwohner Bottrops geboren wurde.
Bilder aus dem Bottroper Großstadtleben
Die neue größtenteils Fotoausstellung, in die das noch nie ausgestellte Goldene Buch eingefügt ist, macht die Betrachterinnen und Betrachter im Kulturzentrum an der Blumenstraße regelrecht wieder vertraut mit ihrer Stadt. Das liegt gerade daran, dass diese famose Schau bis auf das Titelblatt einer vielseitigen Beilage der WAZ zur Großstadternennung etwa und bis auf wenige einordnende Infotafeln ganz bewusst nicht viele Worte braucht, wie die daran mitwirkende Grafikerin Stephanie Klein einwirft. Dazu haben diese Fotos aus dem Bottroper Großstadtleben auch zu viel Aussage-Kraft und noch viel mehr Leben in sich.
Das wiederum liegt gerade daran, dass diese Motive zwei Fotojournalisten abgelichtet haben, die das einfach gut machten und ihr Handwerk beherrschen. Die älteren zumeist Schwarz-Weiß-Fotos der Menschen, ihren Begegnungen und Orten in der jungen Großstadt der fünfziger Jahre hatte der inzwischen verstorbene Pressefotograf Ernst-Günther Schweizer festgehalten. Ihnen stellte der Bottroper Fotodesigner Michael Kaprol seine aktuellen Aufnahmen an die Seite – und eben nicht inhaltlich gegenüber.
Tochter rettet Fotos für die Bottroper Nachwelt
Selbstverständlich gibt die Fotoschau also keinen plumpen Eins-zu-eins-Vergleich der jungen Großstadt mit dem Bottrop von heute her. Auch Michael Kaprol beugt solchen Erwartungen von Anfang an vor. Wie falsch wäre das auch. Ernst-Günter Schweizer, dessen riesiges Archiv seine Tochter Beatrix digitalisiert und so für die Bottroper Nachwelt rettet, zeigt zum Beispiel den Berliner Platz an einem Tag, an dem dieser tatsächlich schwarz vor Menschen war.
Wie sollte Fotograf Michael Kaprol das heute außer durch eine Inszenierung mit Hilfe von Statisten gelingen? Fotokünstler mögen das tun. Ein Fotojournalist aber, um Himmels willen, nein! Eine aktuellere seiner Fotografien, die den Platz in anderer Perspektive sehr gut besucht zeigt, fand Kaprol tatsächlich aber doch.
Die im August-Everding-Zentrum auf zwei Etagen verteilten großformatigen Fotos laden gefühlt förmlich zum Flanieren ein, zu einem schönen Bummel durch Bottrop, bei dem die Betrachterinnen und Betrachterinnen auf Bottroperinnen und Bottroper von gestern und heute treffen. Die Fotos zeigen außer prägenden Orten ja eben auch die Menschen – beim Sport, in ihren Gärten, bei der Arbeit, in ihrer Stadt. Sie vermitteln Lebensgefühl. Fotograf Michael Kaprol spricht von einer für ihn sehr emotionalen Arbeit.
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Bottrops Kulturzentrum ist ein offenes Haus
Trotz der doch ziemlichen Zeitunterschiede und des erkennbaren Wandels bilden die Bilder in ihrem wortlosen Nebeneinander vor allem für ältere Besucherinnen und Besucher der Ausstellung oft ein harmonisches Ganzes. Die Schwarz-Weiß-Fotos E.G. Schweizers mögen Erinnerungen an ihre eigene Kindheit und Jugendzeit wecken, die Farbfotos Kaprols daneben geben bei allem Anderssein anhand ihrer Details aber auch Halt beim Blick ins Jetzt. Beim jüngeren Publikum, das seine Stadt so ja nur wie von Michael Kaprol belichtet kennen kann, wecken die historischen Fotos bestimmt Interesse, Neugierde, auch Erstaunen.
Stadthistorikerin Heike Biskup, die den Impuls zu der 70-Jahre-Großstadt-Schau gab, hat das so auch schon erlebt: Etliche, gerade auch junge Gäste haben sich die Fotos vor der Ausstellungseröffnung angeschaut; Schüler und die sie zu Kursen bringenden und von dort wieder abholenden Eltern oder Großeltern waren schon da. Das August-Everding-Kulturzentrum ist ja auch ein offenes Haus.
Eintritt ist frei
Die Ausstellung in Regie des Bottroper Stadtarchivs ist bis zum 21. April im Kulturzentrum an der Blumenstraße 12 zu sehen. OB Bernd Tischler wird die Schau am Donnerstag, 23. Februar, gegen 11 Uhr offiziell eröffnen.
Besuchen können Interessierte die Ausstellung zu den üblichen Öffnungszeiten des Kulturzentrums: montags bis freitags von 9 Uhr bis 18 Uhr und samstags von 9 Uhr bis 13 Uhr. Der Eintritt ist frei.