Bottrop. Hat die Stadt Bottrop bei Aufträgen gegen Vergabe-Regeln verstoßen? Nur formell, sagt das Rechnungsprüfungsamt. Der detaillierte Bericht.
Es geht um insgesamt 177.069,88 Euro. 45 Aufträge mit dieser Gesamtsumme hat die Stadt Bottrop zwischen 2015 und 2022 an die Bottroper Kommunikationsagentur Lauter Kommunikation vergeben, deren Geschäftsführer der Ehemann der Abteilungsleiterin der Wirtschaftsförderung ist. Im Sommer kam der Vorwurf der Klüngelei auf. Nun liegt der detaillierte Bericht des Rechnungsprüfungsamtes (RPA) vor.
Schon im Juli 2022, bevor die finale Auswertung durch das Rechnungsprüfungsamt abgeschlossen war, hatten Oberbürgermeister Bernd Tischler und Amtsleiterin Sabine Wißmann gestützt von den ersten Erkenntnissen des RPA gesagt, es habe keine Unregelmäßigkeiten gegeben und auch keinen Zusammenhang zwischen den Vergaben und der Ehe der Abteilungsleiterin und des Geschäftsführers.
Mögliche Unregelmäßigkeiten bei Vergaben: Diskussion im Rechnungsprüfungsausschuss
In der Sitzung des Rechnungsprüfungsausschusses im August hatte es eine lebhafte Diskussion darüber gegeben, ob die Vergaben tatsächlich rechtmäßig waren. Dabei ging es vor allem um die Frage, ob es sich grundsätzlich um Leistungen handelte, die im Rahmen einer freiberuflichen Tätigkeit erbracht oder im Wettbewerb mit freiberuflich Tätigen angeboten wurden – da hier unterschiedliche Regeln gelten.
In dem nun vorliegenden Prüfungsbericht heißt es: „Tatsächlich ist die Bestimmung im Einzelfall, ob es sich um eine freiberufliche Leistung handelt, nicht einfach.“ Häufig würden klassische freiberufliche Leistungen, wie beispielsweise das Design von Flyern, die Entwicklung von Logos und Marken oder die Entwicklung von Internetportalen zusammen mit gewerblichen Leistungen wie beispielsweise der Produktion von Druck-Erzeugnissen vergeben.
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„Eine Aufteilung eines solchen Auftrags in zwei Lose – einmal die freiberufliche, kreative Designentwicklung und einmal den rein gewerblichen Druckvorgang – ist in der Praxis oft nicht sinnvoll“, heißt es weiter im Bericht. Wenn die Leistung an einen Auftragnehmer geht, entlaste das die Fachdienststellen bezüglich Abstimmungsprozessen und sei häufig auch günstiger.
Ergebnis der Prüfung: Kein Auftrag wäre nach aktuell Recht zu beanstanden
Das Rechnungsprüfungsamt war im Falle der beanstandeten Vergaben zu dem Schluss gekommen, dass „die schöpferischen Leistungen“ bei den Aufträgen überwiegen, auch wenn teilweise als Nebenleistung eindeutig beschreibbare Leistungen wie Druckaufträge erbracht worden sind.
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Trotzdem hatte der Ausschuss das Rechnungsprüfungsamt beauftragt, alle Vergaben an die Firma Lauter Kommunikation daraufhin zu untersuchen, wie die einzelnen Vergaben zu beurteilen wären, wenn die Regelungen zu den freiberuflichen Tätigkeiten anders auszulegen wären. Das Ergebnis: Keiner der Aufträge würde nach dem seit 15. September 2018 geltenden Vergaberechtes gegen das Vergaberecht verstoßen, wenn diese (teilweise) nicht unter die Regelungen zur Vergabe von Aufträgen im Wettbewerb mit freiberuflich Tätigen fallen würden.
Vier Aufträge nach damaligem Maßstab nicht korrekt vergeben
Allerdings: Vier Aufträge mit einem Gesamtwert von 4041,24, die vor diesem Datum erteilt wurden, wären unter der damals geltenden Maßgabe zu beanstanden gewesen, weil sie über 500 Euro lagen. Dabei handelt es sich um die Begleitung eines Events zum Projekt „GemeinSinnschafftGarten“ für 743,75 Euro im Jahr 2015, zu dem das RPA vermerkt: „Laut Stellungnahme der Fachdienststelle konnte keine weitere Dokumentation mehr gefunden werden. Der angebotene und in Rechnung gestellte Preis wurde und wird im Vergleich als sehr niedrig beurteilt.“
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Des Weiteren geht es um die Aufträge zur Produktion eines Leitfadens zum gleichen Projekt in Höhe von 822,29 Euro im Jahr 2016, um die Ausarbeitung und das Layout von Werbematerial fürs Mitmachfest zu „GemeinSinnschafftGarten“ in Höhe von 915,11 Euro sowie im Folgejahr die Produktion dieses Werbematerials für 596,19 Euro. Insgesamt hat das Wirtschaftsförderungsamt für das Projekt „GemeinSinnschafftGarten“, bei dem es um die Förderung von Gemeinschaftsgärten in Bottrop ging, Aufträge im Gesamtwert von 36.672,47 Euro vergeben.
Bottrop hat neuen Compliance-Beauftragten
„Zum Glück gab es keine Unregelmäßigkeiten bei großvolumigen Aufträgen“, bilanziert Karina Reetz, Leiterin des Rechnungsprüfungsamtes, das unabhängig von der Stadtverwaltung als Kontrollorgan agiert. „Der Stadt ist kein Schaden entstanden.“
Trotzdem wurden aus diesem Prüfverfahren Konsequenzen gezogen: Zum einen wird das Rechnungsprüfungsamt künftig laut Karina Reetz „stichprobenartig“ auch kleinere Vergaben überprüfen, da gerade bei Kleinbeträgen nicht so gründlich auf die Dokumentation geachtet würde. Zum anderen ist seit diesem Monat Thomas Mandrysch als neuer Compliance-Beauftragter eingesetzt. Er soll sowohl sensibilisieren als auch als Ansprechpartner für Mitarbeiter bei Fragen rund um Vergaben dienen.