Bottrop-Kirchhellen. In der jüngsten Ratssitzung gab es einen Disput über geförderten Wohnraum in Kirchhellen. Reicht er? Braucht es mehr? Versuch einer Antwort.
Gibt es in Kirchhellen Bedarf an gefördertem Wohnungsbau? Darüber entbrannte zuletzt in der Ratssitzung ein Disput zwischen CDU-Ratsherrn Volker Jungmann und Linken-Vetreter Niels-Holger Schmidt. Jungmann sprach sich dafür aus, geförderten Wohnungsbau nach Bedarf zu planen und möglicherweise nicht zwangsläufig überall. Dabei verwies er darauf, dass es möglicherweise präferierte Lagen geben könne, wo kaum geförderter Wohnungsbau nachgefragt wird. Jungmann sprach von Lagen am Stadtgarten oder auch in Teilen Kirchhellens.
Das brachte Schmidt auf die Palme, der dem CDU-Mann in einem Theaterdonner kurzerhand „Dünkel“ vorwarf und ihm und seiner Partei unterstellte, einen sozial homogenen Stadtteil schaffen zu wollen, „wo der Pöbel draußen bleiben sollte“. Weiter sprach Schmidt von „geistigen Besserverdiener-Ghettos“, die die CDU anstrebe. Wogegen die Linke für Durchmischung stehe und stadtweit für geförderten Wohnungsbau eintrete. Von anderer Seite hieß es dann, es gebe derzeit in Kirchhellen gar keinen Bedarf an gefördertem Wohnraum.
Es gibt in Bottrop-Kirchhellen rund 400 geförderte Wohneinheiten
Doch was ist denn nun eigentlich richtig? Braucht es geförderten Wohnraum oder nicht? Wer hat recht? Versuch einer Aufklärung. Rund 400 öffentliche geförderte Wohnungen oder Häuser gebe es in Kirchhellen – einschließlich Grafenwald und Feldhausen, sagt Christian Holtkötter, der für das Wohnungswesen zuständige Abteilungsleiter bei der Stadt. Dann erläutert er auch, dass allein schon der Begriff „Bedarf“ schwierig sei. Stattdessen spreche man in dem Fall von „Nachfrage“.
Klingt nach Wortklauberei, doch tatsächlich ist es ein Unterschied. Die Stadt könne eben nur die Nachfrage messen, sagt Baudezernent Klaus Müller. Oder anders ausgedrückt. Es ist ja möglich, dass der Bedarf an gefördertem Wohnraum in Kirchhellen wesentlich größer ist als die Nachfrage. Gründe dafür sind vielfältig. Manch einer wisse vielleicht gar nicht, dass er einen Anspruch auf einem Wohnberechtigungsschein habe, andere meldeten sich vielleicht aus Scham nicht.
Städtische Bottroper Baugesellschaft plant neuen geförderten Wohnraum in Kirchhellen
Bleibt also die Nachfrage in Kirchhellen: Derzeit suchten 14 Haushalte dort nach gefördertem Wohnraum. Das spricht also möglicherweise eher dafür, dass es keinen geförderten Wohnraum in Kirchhellen brauche. Doch so einfach sei die Sache eben auch nicht, sagt Holtkötter. Denn immer wieder würden Wohnungen ja aus der Förderung fallen. Daher sei es schon gut, dass die städtische Baugesellschaft nun entsprechende Wohnungen im Dorf plant.
Doch man müsse auch wissen, dass derartige Wohnungen gar nicht überall in Kirchhellen gebaut werden könnten, sagt Christian Holtkötter. Denn für die Genehmigung solcher Förderungen sei es auch wichtig, dass es eine Infrastruktur etwa zum Einkaufen vor Ort gibt. Die „direkte Nahversorgung“ sei ein Förderkriterium. Feldhausen falle damit für geförderte Wohnungen schon raus. Anders sehe es aus, wenn man dort etwa geförderte Reihenhäuser bauen würde. So etwas plant die GBB derzeit in der Welheimer Mark. Gerade für Familien seien das gute Angebote, weiß der Experte aus der Verwaltung. Zumal es derzeit gerade eine große Nachfrage nach Wohnraum für vier- oder mehrköpfige Familien gebe.
Gefördert wird auch der Kauf von Bestandsimmobilien
Doch neben der Förderung der Häuser oder Wohnungen – der Experte spricht hier von Objektförderung – gebe es noch eine weitere Förderart, sagt Christian Holtkötter. So werde auch der Erwerb von Eigentum gefördert. Da bekommt der Käufer einen direkten Zuschuss. Dabei handele es sich um die Subjektförderung.
Die gibt es – Voraussetzung ist auch da die Höhe des Einkommens – für den Bau eines Hauses genauso wie für den Kauf einer Bestandsimmobilie. Unterschied ist in dem Fall, dass die Wohneinheit niemand anderem mit Wohnberechtigungsschein zusteht. Aber auch diese Art der Förderung gebe es immer wieder – auch in Kirchhellen, sagt Klaus Müller. Meist bekomme das nur eben niemand mit.
Nachfrage nach Modernisierungsförderung steigt an
Der Baudezernent und Christoph Holtkötter weisen jedoch noch auf eine weitere mögliche Förderung hin. Bei der sogenannten Modernisierungsförderung wird – der Name sagt es – die Modernisierung eines Hauses oder einer Wohnung unterstützt. Dafür verlängert sich dann die entsprechende Bindung. Bedeutet,. dass die Wohnung weiterhin vom Amt für Wohnungswesen belegt werden kann. Die Nachfrage sei da, sagt Holtkötter. Die GBB hat darüber beispielsweise einen Wohnblock an Germania- und Scharnhölzstraße erneuert.
Müller und Holtkötter hoffen, dass möglichst viele Eigentümer diese Möglichkeit wahrnehmen, damit nicht allzu viel geförderter Wohnraum in Kirchhellen wegfällt. Denn bisher, so deutet es zumindest die Nachfrage an, sei der Wohnraum ausreichend.
Niemand kann gezwungen werden, nach Kirchhellen umzuziehen
Aktuell gebe es auch beim geförderten Wohnraum keinen nennenswerten Leerstand im Dorf. Erst wenn eine Wohnung länger als drei Monate leer steht, zähle man sie überhaupt entsprechend, erläutert Holtkötter. Ansonsten sei es die übliche Zeit, die vergeht, in der vielleicht auch noch Reparaturen oder Renovierungen erledigt werden, bevor der Nächste einzieht. Gleichzeitig brauche es aber auch eine gewisse Fluktuationsreserve, damit überhaupt Umzüge innerhalb der Stadt möglich seien.
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Bleibt die Frage nach der Durchmischung. So leicht ist die nicht herzustellen. Denn die Stadt kann niemanden, der geförderten Wohnraum etwa in der Boy oder auf dem Eigen sucht, zwingen, nach Kirchhellen zu ziehen. Man könne ihm dort allenfalls – wenn vorhanden – passenden Wohnraum anbieten. Die Entscheidung treffe aber immer derjenige, der sucht, erklärt Holtkötter.
Zum Vergleich: Derzeit suchen 14 Haushalte geförderten Wohnraum in Kirchhellen. Demgegenüber stehen 250 suchend gemeldete Haushalte für die gesamte Stadt. Insgesamt gibt es in Bottrop und Kirchhellen einen Bestand von rund 5000 geförderten Wohnungen oder Häusern.
Einkommensgrenzen für den Wohnberechtigungsschein
Öffentlich geförderter Wohnungsbau steht den Menschen zur Verfügung, die einen Wohnberechtigungsschein (WBS) erhalten. Der ist an das Einkommen geknüpft. Christian Holtkötter glaubt, dass viel mehr Menschen Anspruch auf diesen Schein haben, als gemeinhin bekannt ist. Denn die Einkommensgrenzen seien höher als manch einer glaube, so seine Überzeugung.
Doch wo liegen die Grenzen? Das ist abhängig von verschiedenen Faktoren. Doch Holtkötter nennt einige Richtwerte. So liege die Grenze für Single-Haushalte bei rund 20.000 Euro im Jahr. Bei zwei Personen steigt sie auf etwa 28.000 Euro. Bei Familien bis vier Personen spreche man dann schon von einem Einkommen zwischen 40.000 bis 45.000 Euro, sagt Holtkötter. „Da sind wir dann fast schon in der Mittelschicht.“
Konkrete Zahlen zum Kreis der Berechtigten gibt es nicht
Grundsätzlich könne man außerdem sagen, dass wer Wohngeld erhält, auch Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein hat. Es gebe keine Zahlen für Bottrop, doch habe es in Köln mal eine Erhebung gegeben, danach hätten etwa 50 bis 60 Prozent der Bevölkerung dort einen Anspruch auf den WBS gehabt. Natürlich lasse sich diese Zahl nicht eins zu eins auf Bottrop übertragen, doch zeige es zumindest eine Tendenz auf.
Christian Holtkötter rät deshalb, sich im Zweifel bei der Abteilung für Wohnungswesen der Stadt Bottrop beraten zu lassen.