Bottrop. Sahap Mavruk gibt seit 40 Jahren Integrationskurse an der Bottroper VHS. Er sagt: Wer sich nicht einbringt, sollte Konsequenzen spüren.

Als Sahap Mavruk mit gerade einmal 20 Jahren aus der Türkei nach Deutschland kommt, lernt er erst einmal die deutsche Sprache. Sein Abitur hat er bereits in der Tasche, als er Adana, immerhin mit rund zwei Millionen Einwohnern die fünftgrößte türkische Stadt im Süden das Landes, verlässt. Sein Ziel: das Studium der Naturwissenschaften in Münster. Er packt es. Macht sein Diplom und arbeitet als Lehrer am Bottroper Berufskolleg: Mathe, Technologie, Sport. Für letzteres hat der begeisterte Fußballer, der zeitweise noch als Schiedsrichter unterwegs ist, ein Zusatzstudium angehängt.

Es ist die Zeit der Familienzusammenführungen, nicht nur bei den türkischstämmigen Arbeitnehmern. Bei Griechen oder Spaniern ist es ähnlich. „Es ist eine Zeit, als erstmals im größeren Stil Lehrerinnen und Lehrer für den Bereich Deutsch als Fremdsprache gesucht werden“, erinnert sich Mavruk. Kurz darauf übernimmt der heute 72-Jährige seine ersten Integrationskurse an der Bottroper Volkshochschule (VHS). Das ist 1982. Inzwischen hält er der Weiterbildungseinrichtung 40 Jahre die Treue und übernimmt auch in diesem Semester wieder vier Kurse. Er unterrichtet länger an der VHS als deren scheidender Direktor Uwe Dorow, der immerhin 32 VHS-Jahre auf dem Buckel hat. Einfacher sei es nicht geworden, sogar die Zahl der echten Analphabeten steige.

Eine Rolle nicht nur als Sprach- sondern auch als Kulturvermittler in Bottrop

Es sind längst keine Türken oder Griechen mehr, die kämen. Seit der letzten Flüchtlingswelle ab 2015 sei es in den Kursen noch einmal vielfältiger geworden, sagt Sahap Mavruk. Längst sieht er sich nicht nur als Sprach- sondern auch als Kulturvermittler. „Es geht um Vokabeln und Grammatik, aber auch die hiesige Kultur und Geschichte und vor allem das demokratische System“, sagt der engagierte Türke, der selbst weiß, dass diesbezüglich auch in seiner alten Heimat manches im Argen liegt, seit Erdogan dort herrscht.

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„Wissen, wie Deutschland ,tickt’, welche Chancen und Möglichkeiten dieses Land denen bietet, die etwas leisten können und in Freiheit aus sich machen wollen“ – das ist es, was er den neuen Migrantinnen und Migranten vermitteln möchte. Mavruk weiß auch, dass dies nicht einfacher wird, bei manchen sogar vergebens scheint. Der Prozentsatz derer, die VHS-Integrationskurse wieder verlassen müssen, steige. Kriminalität? Sahap Mavruk kennt diese Fälle. Sei es aus den für diese Leute gescheiterten Integrationskursen an der VHS oder aus seiner ehrenamtlichen Arbeit als Schöffe am Landgericht.

Dozent: 20 oder 30 Prozent Integrationskursteilnehmer sind unwillig

„Wer Anfang der 80er Jahre zur VHS kam und kein Deutsch konnte, wollte das hier lernen. Heute kann ich teilweise von 20 oder 30 Prozent sagen, dass sie gar nicht wollen.“ Es kämen neue Gruppen, Afghanen, Pakistani, Syrer, die zum Teil IS-Beeinflussung hatten. Nicht nur, was das Verhältnis zwischen den Geschlechtern, zu anderen Religionen oder einem freiheitlichen politischen System betreffe, sei es bei Teilen dieser Gruppen problematisch. „Aber da müsste eigentlich die Politik konsequent tätig werden.“ Manches, was er erzählt, möchte Mavruk nicht in der Zeitung lesen.

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Anderes schon. Zum Beispiel dass derzeit seiner Erfahrung nach nur etwa 50 Prozent der Teilnehmenden das Zertifikat „Deutsch als Fremdsprache“ schafften. „Zu Beginn der Flüchtlingswelle 2016, 2017 hat die Erfolgsquote noch bei etwa 80 Prozent gelegen.“ Damals fliehen viele auch mit Vorbildung, teilweise akademischem Hintergrund. Der Dozent nennt sie „Eliteflüchtlinge“. „Aber“, und davon lässt er sich nicht abbringen, „alle, die fliehen und hier etwas erreichen wollen, können das schaffen. Ich kenne kein Land, das so liberal ist, so viel Hilfestellung und Hilfsprogramme anbietet, wie Deutschland.“

Das Gute daran: Sahap Mavruk weiß, wovon er spricht – und hat im Laufe seiner Arbeit am Berufskolleg und in 40 Jahren an der VHS viele Menschen aus unterschiedlichsten Ländern kennengelernt, die diese Hilfe erfolgreich angenommen und umgesetzt haben. Auch denen zuliebe sollten die Konsequenzen Unwilligen oder Kriminellen gegenüber härter ausfallen.