Bottrop-Kirchhellen. Wie viele Wölfe leben tatsächlich im Wolfsgebiet Schermbeck? Was Experten wissen, was Naturschützer vermuten und was Wolfsgegner fürchten.
Mit dem Fund einer Kotprobe der Wölfin GW954f, später „Gloria“ getauft, begann die Geschichte des Wolfsgebietes Schermbeck. Die Wölfin paarte sich mit ihrem Halbbruder mit der Kennung 1587m und warf Nachwuchs. Soweit bekannt. Inzwischen wurden weitere Wölfe nachgewiesen. Sind sie hier heimisch geworden? Haben sie Nachwuchs? Wir wollen doch mal durchzählen, was Experten wissen, was Naturschützer vermuten und was Wolfsgegner fürchten.
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Wilhelm Deitermann, Sprecher des Landesamtes für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv), fasst zusammen, „was wir ganz sicher wissen: Im Territorium Schermbeck gibt es Nachweise aus 2022 von GW954f und GW1587m. GW954f ist die erste Wölfin, die sich ein Territorium in NRW gesucht hatte. Gemeinsam mit GW1587m hat sie dann das erste Rudel gebildet, die ersten Welpen waren die logische Folge.“
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Der erste Nachkomme der Schermbecker Wölfe (GW2089m) hat das Wolfsgebiet inzwischen verlassen und hat sich auf den Weg Richtung Westen gemacht. Seine Spuren fanden sich in den Niederlanden und Belgien. Weitere Hinweise auf Nachwuchs aus dem Wurf 2020 gibt es nicht.
Wölfe in Schermbeck: Als Spaziergänger einen Welpen mit nach Hause nahmen
Seit Januar 2022 wissen die Experten, dass 2021 mindestens vier Welpen zur Welt gekommen sind, eine Fähe und drei Rüden. Das Weibchen wurde als erstes identifiziert, und zwar ziemlich spektakulär: Spaziergänger hatten am 27. Juni 2021 bei Hünxe vermeintlich einen jungen verletzten Schäferhund entdeckt, mit nach Hause genommen und unter Dusche mit Shampoo gesäubert.
Erst der Tierarzt, der die Wunde behandelte, klärte die Finder auf: Ihr wisst schon, dass das kein Hund ist? Er nahm eine DNA-Probe und sorgte dafür, dass das Weibchen wenige Stunden später wieder ausgewildert wurde. „Shampoo-Wölfchen“ hat der Naturschutzbund (Nabu) Bottrop wegen dieser Geschichte die Fähe GW2307f getauft.
Die Spur des „Shampoo-Wölfchen“ hat sich verloren
Das war aber auch die letzte Spur von ihr, sagt der Lanuv-Sprecher. Seither habe es „keine Nachweise“ gegeben. Ihren Bruder GW2596f, als letztes der vier Jungtiere im Januar 2022 in Hünxe identifiziert, vermutet der Nabu dagegen noch im Wolfsgebiet, weil es einen vergleichsweise frischen Nachweis vom Juli gibt.
Hinter seine Brüder GW2428m und GW2551m setzt der Nabu ein Fragezeichen, weil sie sich wie ihr älterer Bruder aus dem Vorjahr schon auf Wanderschaft begeben haben könnten. Könnte sein, hieß es dazu im Mai vom Lanuv: „Jungwölfe verlassen zu individuell sehr unterschiedlichen Zeitpunkten das Territorium ihrer Eltern.“ Allerdings machten sie sich spätestens am Ende des zweiten Lebensjahres auf den Weg und machen dann weite Wege auf der Suche nach einem neuen Revier.
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Soviel zu Glorias Familiengeschichte. Wie der Naturschutzbund geht das Lanuv davon aus, dass im nördlichen Teil des Wolfsgebietes zwischen Reken im Kreis Borken und Haltern ein einsamer Wolf heimisch geworden ist: „Im Territorium Hohe Mark gibt es Nachweise von GW2347m seit mehr als einem Jahr“, sagt Deitermann. „Das Tier ist nach den Monitoringstandards als territorial einzustufen.“ Soll heißen: Er wird bleiben, der etwa zwei Jahre alte Rüde, aus Niedersachsen eingewandert.
Und dann ist da noch das potenzielle Wolfspärchen nördlich des Lippe-Seiten-Kanals, von dem Augenzeugen seit Februar berichten. Im Juli wurden die Fähe und der Rüde identifiziert als GW2890f und 2889m. Sind die beiden ein Paar?
Das sagt das Lanuv zu den beiden neuen Wölfen
Deitermann formuliert vorsichtig: „Die beiden Nachweise von ,neuen’ Individuen im Wolfsgebiet Schermbeck (keine Verwandtschaft mit den bislang bekannten Individuen) können erst nach Vorliegen von einem Territoriumsnachweis (also frühestens im Januar 2023 oder einem Nachweis eines Paars/Rudels) als territorial eingestuft werden. Ob sich die beiden neuen Wölfe in Schermbeck ansiedeln oder bereits eine Paarbildung stattgefunden hat, kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht abschließend geklärt werden.“ Wir formulieren ebenso vorsichtig: Es gibt Menschen, die wollen bereits Bilder von Welpen des Paares gesehen haben.
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Zurück zur Anfangsfrage: Wie viele Wölfe gibt es im Wolfsgebiet Schermbeck? Als sesshaft nachgewiesen höchstens vier, sagt der Lanuv-Sprecher: „Im Territorium Schermbeck sind derzeit maximal drei Tiere bekannt, im Territorium Hohe Mark ein Tier.“
Nabu-Vorsitzender Rolf Fricke sagt: „Unseren Überlegungen nach sind vermutlich zwischen sechs und acht erwachsene Wölfe im Wolfsgebiet Schermbeck und den angrenzenden Territorien unterwegs. Das halten wir für eine konservative Schätzung.“ Stimmt. Wenn die Wölfe nördlich des Kanals als heimisch gezählt werden und Nachwuchs bekommen haben, wird die Zahl der Wölfe zweistellig.