Bottrop. Zwei Kinder waren 2021 im Schnitt monatlich akut gefährdet in Bottrop, 2022 steigen die Zahlen. „Erschreckend“, sagt die Jugendamtsleiterin.
Es ist die letzte Möglichkeit, ein Schritt, den das Jugendamt nicht gerne geht, aber manchmal gehen muss: Inobhutnahmen von Kindern, die bei ihren Eltern nicht mehr sicher sind und akut aus dem Haushalt genommen werden müssen. Allein in diesem Jahr musste das Bottroper Jugendamt 44 Kinder aus ihren Familien holen, manche von ihnen sogar mehrfach.
Lesen Sie weitere Berichte aus Bottrop:
- Kostenlose Tampons und Binden:Der aktuelle Stand in Bottrop
- Gewalt am ZOB:Sorge bei Eltern und Schulpolitik
- Bedürftige Senioren:Tierarztmobil bietet Gratis-Behandlung
- Bottroper Gastromeile:Warum das Corretto früher schließt
Im vergangenen Jahr gab es 50 solcher vorläufigen Schutzmaßnahmen, die Zahl wird also in diesem Jahr deutlich steigen. „Die Herausnahme ist das allerletzte Mittel, das will man eigentlich nicht“, sagt Jugendamtsleiterin Daniela Bockholt. Von den 50 Inobhutnahmen aus 2021 mussten 25 aufgrund einer akuten Kindeswohlgefährdung durchgeführt werden. „Jeden Monat waren im Schnitt zwei Kinder akut bedroht, das ist erschreckend“, sagt Daniela Bockholt.
Bottroper Jugendamt: 448 Verdachtsfälle auf Kindeswohlgefährdungen in 2021
448 Meldungen mit Verdacht auf eine Kindeswohlgefährdung hat das Jugendamt im vergangenen Jahr registriert. Das sind zehn weniger als im Vorjahr. Sie kommen von Schulen und Kitas, von Nachbarn und Ärzten, bei Jugendlichen auch manchmal von ihnen selbst. Jeder dieser Meldungen geht das Jugendamt nach, bei jeder von ihnen gehen zwei Mitarbeiter raus zur Familie und überprüfen die Situation vor Ort. Bei knapp der Hälfte der Fälle (205) lag im vergangenen Jahr keine Kindeswohlgefährdung vor.
Doch bei den übrigen, also bei 243 Familien, musste das Jugendamt handeln, im Großteil der Fälle aber nur, indem es der Familie Hilfe angeboten hat, weil keine Kindeswohlgefährdung, aber Hilfebedarf bestand. „Jeder hat das Recht auf Hilfen zur Erziehung“, betont Daniela Bockholt.
566 solcher Hilfen zur Erziehung hat die Stadt Bottrop im vergangenen Jahr geleistet, 185 davon ambulant. In 79 Fällen lag 2021 eine latente Gefährdung des Kindes oder mehrerer Kinder vor. Eine Maßnahme kann dann sein, dass die Familie täglich betreut wird von Sozialarbeitern.
Ziel des Jugendamtes ist es, Familien wieder zusammenzuführen
Manchmal kann es vorkommen, dass Kinder sofort mitgenommen werden müssen, das Familiengericht entscheidet dann per Schnellmeldung. Gründe können vielfältig sein, Gewalt und Vernachlässigung geschieht ebenso wie unhaltbare Zustände in Wohnungen, die vermüllt und für Kinder nicht zumutbar sind. Die Mitarbeiter des Jugendamtes bringen die Kinder anschließend in Einrichtungen oder Pflegefamilien, wo sie vorübergehend bleiben können. „Dabei wird immer vom Kind gedacht“, sagt Daniela Bockholt. „Jedes bringt sein Päckchen mit, manche bedürfen einer größeren Aufmerksamkeit.“
Auch interessant
Ziel sei es in solchen Familienkrisensituationen immer, so Daniela Bockholt, die Familien wieder zusammenzuführen. „Wir wollen die Eltern erziehungsfähig machen, sodass sie ihre Kinder wieder selbst versorgen können.“ Natürlich sei das ein längerer Prozess, wenn ein Kind einmal aus einer Familie herausgenommen werden musste, es wieder zu integrieren, denn die Unversehrtheit der Kinder steht an erster Stelle.
Bottroper Jugendamtsleiterin: „Wir sind eine helfende Einrichtung“
Die Jugendamtsleiterin plädiert aber dafür, die Eltern nicht zu verurteilen. Die meisten von ihnen handelten nicht aus bösem Willen, sondern aufgrund völliger Überforderung – hier kann das Jugendamt unterstützen. „Wir sind eine helfende Einrichtung, keine strafende.“
+++ Nachrichten aus Bottrop direkt ins Postfach: Hier geht es zum Bottrop-Newsletter +++
Schwierig sei es weiterhin, geeignetes Personal zu finden und zu binden. Der ambulante soziale Dienst sei in besonderem Maße herausfordernd, Mitarbeiter brauchen eine robuste Konstitution, auch wenn sie psychologisch unterstützt werden und regelmäßig in die Supervision gehen. Und ebenso fehlen Pflegefamilien, die bereit sind, Kindern vorübergehend Schutz zu geben.