Bottrop. „Es ist noch nicht zu spät“, appellieren Arbeitsagentur und Kammern an Bottroper Jugendliche, die noch eine Lehrstelle suchen. So ist die Lage.

Die Corona-Pandemie hat die Verantwortlichen der Arbeitsagentur durchaus zittern lassen: Welche dauerhaften Auswirkungen wird sie auf den Bottroper Ausbildungsmarkt haben? Heute sagt die Geschäftsführerin Operativ Valeska Hurraß mit Blick auf die aktuell noch unversorgten Bewerberinnen und Bewerber: „Ich finde es beruhigend, dass man sieht, dass Corona die Lage nicht verschlimmert hat.“ Für viele junge Leute beginnt zum 1. August die Ausbildung. 455 Bewerberinnen und Bewerber aus Bottrop sind über die Arbeitsagentur bereits vermittelt worden – 119 suchen aktuell noch eine Lehrstelle, und damit acht weniger als im Vorjahr. Keine optimale Situation, wie Hurraß weiß. Aber: „Erfahrungsgemäß passiert im August und September noch eine ganze Menge.“

Valeska Hurraß, Geschäftsführerin Operativ bei der Arbeitsagentur in Gelsenkirchen, die auch für Bottrop zuständig ist.
Valeska Hurraß, Geschäftsführerin Operativ bei der Arbeitsagentur in Gelsenkirchen, die auch für Bottrop zuständig ist. © FUNKE Foto Services | Christoph Wojtyczka

Daran möchten die Arbeitsvermittler mitwirken. Beim Blick auf die Juli-Statistik fällt auf, dass in den Jahren 2020 und 2021 jeweils insgesamt rund 620 junge Leute auf Lehrstellensuche bei der Arbeitsagentur registriert waren – in diesem Jahr aber nur 574. Woher kommt das?

Weniger Schulentlassungen habe es nicht gegeben, „das sind sogar minimal mehr als im Vorjahr“, so Valeska Hurraß. Aber: „Unsere Beratungsleistung ist ja eine freiwillige. Ein Aspekt ist, dass durch die zwei Jahre Pandemie das Thema Berufsorientierung an zweite, dritte Stelle gerutscht ist. Viele haben Ängste, gehen vielleicht lieber weiter zur Schule.“ All diejenigen, die möglicherweise noch gar nicht bei der Arbeitsagentur angekommen sind, möchten Hurraß und ihr Team gerne noch erreichen.

Bottroper Ausbildungsmarkt: Arbeitgeber sind zurückhaltender

An alle Unversorgten geht daher der Tipp: „Sie können sich gerne bei uns beraten lassen. Es ist noch nicht zu spät.“ Gemeinsam könnte zum Beispiel auf alternative Berufe geguckt werden, sollte im Traumjob nichts mehr zu kriegen sein.

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Der Beruf des Kfz-Mechatronikers etwa sei überlaufen. Gleichzeitig bieten andere, sonst durchaus gefragte Berufe in Praxen oder Büros noch Möglichkeiten, mit denen der ein oder andere zu diesem Zeitpunkt gar nicht rechnen mag (siehe Infobox).

Zwar sind die Arbeitgeber mit ihrem Stellenangebot in diesem Jahr insgesamt ein bisschen zurückhaltender – die aktuellen Krisen machten es für die Unternehmen nicht einfacher –, aber 152 Lehrstellen in Bottrop sind aktuell noch unbesetzt. Also mehr als es Suchende gibt. Manchmal hätten die Bewerber, aber auch die Arbeitgeber sehr genaue Vorstellungen, so dass das „Matching“ nicht funktioniert, ist die Erfahrung von Valeska Hurraß.

Bewerber und Arbeitgeber können sich per Praktikum kennenlernen

Ihr Appell an beide Seiten ist, sich über ein Praktikum in einem ersten Schritt auszuprobieren und kennenzulernen. Lange waren Praktika coronabedingt nicht möglich, derzeit aber schon. Möglicherweise ist das noch gar nicht allen bewusst.

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Zudem: „Die Pandemie ist an vielen Jugendlichen nicht spurlos vorüber gegangen. Nicht jeder kam mit dem Online-Unterricht klar. Wir stellen schon bei einigen Jugendlichen fest, dass die Ausbildungsreife noch nicht so gegeben ist.“

Doch in solchen Fällen könne die Arbeitsagentur schwächeren Kandidaten während der Ausbildung eine Art Unterstützungsunterricht ermöglichen. Und: „Noten spiegeln nicht alles wieder.“ Auch das könne ein Praktikum zeigen.

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Grundsätzlich könnte man in Bottrop „deutlich mehr Ausbildungsplätze gebrauchen“, so Hurraß mit Verweis auf die Relation von Ausbildungsstellen zu Bewerbern, die im Durchschnitt bei 0,8 liege. „Vor Corona war die Relation sogar noch ungünstiger, weil es da noch mehr Bewerber gab, aber die Ausbildungsplatzzahl auf gleichem Niveau war. 2017/18 hatten wir deutlich mehr Schulabgänger.“

IHK und Handwerkskammer melden ein Plus bei den Lehrverträgen in Bottrop

Nach Einschätzung der Industrie- und Handelskammer (IHK) Nord Westfalen setze sich „die 2021 angelaufene langsame Erholung auf dem Ausbildungsmarkt“ in diesem Jahr fort.

In Bottrop zählt die IHK zum Stichtag 29. Juli gegenüber dem Vorjahr ein Plus bei den Ausbildungsverträgen von 1,4 Prozent. Insgesamt sind es bislang 221 Lehrverträge; zwar 13 weniger in kaufmännischen Berufen, dafür aber 16 mehr in industriell-technischen Berufen.

Im Bereich der Handwerkskammer (HWK) Münster sind die Stadt Bottrop und der Kreis Coesfeld die einzigen, die mit Stand Ende Juli mehr neue Lehrverträge im Handwerk abschließen konnten als 2021. Konkret gibt es demnach in Bottrop 116 neue Azubis, 13 mehr als vor Jahresfrist. Auch hier ist bis Ende Dezember noch einiges möglich. Im gesamten Kammerbezirk gibt es aktuell rund 970 freie Ausbildungsplätze, vor allem in den Berufen Anlagenmechaniker/in für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik, Metallbauer/in, Elektroniker/in für Energie- und Gebäudetechnik. HWK-Präsident Hans Hund: „Gesucht ist also vor allem Berufsnachwuchs zur Umsetzung der Klimawende.“

Im vergangenen Jahr, blickt Valeska Hurraß zurück, blieben im Bereich der Arbeitsagentur mit Stichtag Ende September noch 20 junge Bottroper unversorgt.

In diesen Berufen geht noch was

Die Arbeitsagentur hat für Bottrop eine Top-Ten der Ausbildungsberufe zusammengestellt, in denen es aktuell noch freie Lehrstellen gibt:

1. Verkäufer/Verkäuferin in verschiedenen Bereichen (19 freie Ausbildungsplätze)

2. Zahnmedizinische/r Fachangestellte/r (11)

3. Medizinische/r Fachangestellte/r (9)

4. Kaufleute Einzelhandel (7)

5. Kaufleute Büromanagement (7)

6. Dachdecker/innen (6)

7. Straßenbauer/innen (6)

8. Handelsfachwirt/in (5)

9. Kaufleute Groß-/Außenhandel (5)

10. Metallbauer/in Konstruktionstechnik (4)

Kontakt zur Arbeitsagentur: 0800 4 5555-00