Bottrop. Noch ruft die IG Metall nur zu Warnstreiks auf - wie hier vor der Kokerei Bottrop. Warum die Tarifrunde am Dienstag zur Stunde der Wahrheit wird.
Mit einem Warnstreik verliehen rund hundert Beschäftigte der Kokerei Prosper in Bottrop am Montag ihrer Forderung nach höheren Löhnen Nachdruck. Zwei Stunden lang blockierten die Mitglieder der IG Metall an der Prosperstraße die Zufahrt zu dem Industriegelände. Die roten Fahnen mit dem Logo der Metallgewerkschaft flatterten im Wind. Um kurz vor zwölf Uhr mittags setzte wie auf Kommando der Zug der Kokerei-Beschäftigten in Richtung Werkstor ein. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eilten aus unterschiedlichen Richtungen über das Kokereigelände und schlossen sich der Protestaktion an. Mit Barken sperrten die Metaller die Zufahrt zur Kokerei. Einige legten sich auch demonstrativ auf die Fahrbahn.
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„Jetzt kommt hier keiner mehr ‘rein“, sagte Erich Otto und die Streikenden hielten sich an die Ansage des stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden der Kokerei. Prompt musste ein Lkw, der gerade auf die Straße zum Werksgelände einbiegen wollte, abdrehen und auf den Parkplatz des Alpincenters gegenüber fahren. Dennoch stießen die Streikenden auf Sympathie. Der Lasterfahrer nickte ihnen freundlich zu, Autofahrer fuhren laut hupend am Kokerei-Eingang vorbei und Radfahrer auf der Prosperstraße applaudierten ihnen demonstrativ. „Haltet durch“, rief einer aufmunternd.
Vielen macht drastischer Preisanstieg schwer zu schaffen
Denn die Kokerei-Beschäftigten kämpfen ja stellvertretend für viele um eine bessere Bezahlung. 8,2 Prozent mehr Lohn in zwölf Monaten fordert die IG Metall in der laufenden Eisen-und-Stahl-Tarifrunde. Eine so hohe Lohnforderung der Metallgewerkschaft hatte es zuletzt vor 14 Jahren gegeben. „Das ist nicht zu viel“, betont Michael aus der Wiesche. Vielen mache der drastische Anstieg der Preise schwer zu schaffen. „Wir allen spüren das, ob an der Tanke oder im Lebensmittelmarkt. Wir alle haben immer weniger Geld in der Tasche“, sagte der Gewerkschaftssekretär.
Die Stahlunternehmen machten dagegen gute Gewinne. Um bis zu 45 Prozent seien die Stahlpreise seit Beginn des Krieges in der Ukraine gestiegen, weil Stahlunternehmen wie Kokerei-Besitzer Arcelor-Mittal ihre steigenden Kosten ebenso wie die Betriebe in vielen anderen Branchen an ihre Kunden weitergeben können. Die Beschäftigten in der Stahlbranche könnten dies dagegen nicht. Die Europäische Zentralbank rechne mit einem Preisanstieg um durchschnittlich 6,1 Prozent in diesem Jahr. „Da ist unsere Forderung von 8,2 Prozent eher noch zu niedrig“, sagt der Metaller. Schließlich hätten die Kokerei-Beschäftigten in den vorigen beiden Corona-Jahren ja sogar auf kräftige Lohnerhöhungen verzichtet.
DGB-Vertreter hoff auf Signalwirkung der Stahl-Tarifrunde
DGB-Geschäftsführer Mark Rosendahl stimmt dem Metaller zu. „Eigentlich müssten wir sagen: Wir haben zusätzlich auch noch Nachholbedarf“, betont der Gewerkschaftler. Die enormen Preisanstiege könnten in Tarifrunden allerdings ohnehin nicht ausgeglichen werden. „Dafür sind zusätzliche Entlastungspakete der Bundesregierung nötig“, sagte der Gewerkschafter zur WAZ. Die bisherigen Entlastungspakete aus Berlin reichten längst nicht aus, meint auch IG Metall-Sekretär Michael aus der Wiesche. Er kritisiert vor allem die Konzerne, die den Berliner Steuerrabatt auf Benzin nicht komplett an die Kunden weitergeben.
DGB-Geschäftsführer Rosendahl setzt auf die Durchsetzungskraft der Metaller. „Viele blicken auf den Tarifstreit in der Stahlindustrie. Die IG Metall ist eine starke Gewerkschaft“, sagt er und ruft den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Warnstreiks zu: „Was Ihr erkämpft, hat Signalwirkung auf alle anderen“. Einen Erfolg hätten die Kokerei-Beschäftigten zusammen mit andern mit ihrer ersten Warnstreikwelle auch schon erreicht, unterstreicht Betriebsrat Erich Otto: „Die Einmalzahlung ist vom Tisch“. Auch DGB-Kollege Rosendahl erklärt, dass sich das Lohnplus in den Lohntabellen wiederfinden müsse. „Die Preise werden ja kaum wieder sinken“, sagt er und auch sein IG-Metall-Kollege Michael aus der Wiesche mahnt: „Die 2100 Euro wären schnell wieder verbraten“.
IG Metall: Neue Verhandlungsrunde am Dienstag ist letzte Chance
Das neue Angebot der Arbeitgeber von 4,7 Prozent für 21 Monate, das die Arbeitgeber inzwischen unterbreitet haben, sei noch viel zu weit von der IG-Metall-Forderung von 8,2 Prozent entfernt. Bei der dann vierten Verhandlungsrunde am Dienstag müsse daher ein besseres Angebot auf den Tisch, verlangt Gewerkschaftssekretär Michael aus der Wiesche. „Das ist die letzte Chance, sonst kommt der Streik“, warnte er. Gelinge am Dienstag kein Verhandlungsdurchbruch werde die IG Metall zur Urabstimmung aufrufen. Die Streikbereitschaft schätzen die Metaller als groß ein. So meint Vertrauensmann Dennis Peter: „Wenn von 400 Beschäftigten im Mehrschichtbetrieb insgesamt gut 100 bei unserem Warnstreik mitmachen, ist das eine Super-Sache“.