Bottrop. Nach Ostern sollen die kostenlosen Corona-Tests für Kita-Kinder enden. Bottroper äußern den Wunsch nach mehr Normalität, aber auch große Sorgen.

NRW-weit liegt die Corona-Inzidenz über dem Wert von 1300, in Bottrop bei rund 950 (Stand 14. März). Dass angesichts dieser Zahlen nun die kostenlosen, anlasslosen Corona-Tests in den Kitas gestoppt werden sollen, stößt bei Betroffenen vor Ort auf Bedauern bis Fassungslosigkeit, erscheint den Fachleuten aber teils auch nur konsequent. Reaktionen aus Bottrop auf den neuen Vorstoß von Landes-Familienminister Joachim Stamp (FDP).

Der hat angekündigt, dass es nach Ostern die gewohnten Schnelltests, mit denen Kita-Kinder dreimal pro Woche freiwillig daheim getestet werden, nicht mehr geben soll. Reagiert wird damit auf die Forderungen von Kinderärzten, die sich für mehr Normalität im Alltag der Jüngsten ausgesprochen haben (siehe Infobox).

Ende der Corona-Tests in Kitas: „Wir arbeiten mit Kindern, die keine Maske tragen“

„Warum gerade jetzt, wo doch die Zahlen auf einem Rekordniveau sind“, fragt Sandra Wallbaum, Leiterin der Kita Regenbogen. Sie spricht für ihr Team: „Wir waren aufgrund dieser Entscheidung eher ein bisschen fassungslos.“ Die Tests seien das einzige Instrument, das zumindest ein bisschen Sicherheit gegeben habe. Selbst wenn nicht alle Familien mitgemacht hätten und die Ergebnisse nicht immer zuverlässig seien. „Wir arbeiten mit Kindern, die keine Masken tragen“, ruft Wallbaum in Erinnerung.

Vor vier Wochen habe es einen ziemlich starken Ausbruch in der Kita gegeben, mit vielen infizierten Kindern und Mitarbeiterinnen. „Von 18 Kolleginnen waren noch sechs übrig.“ Das Argument, dass die Kinder in den meisten Fällen nicht schwer erkranken, zieht für Wallbaum nicht, denn „die Kinder stecken die Erzieherinnen an“.

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Einen Omikron-Ausbruch in der Einrichtung hat auch Andrea Bert erlebt. Die Leiterin der Kita St. Elisabeth hat zwar durchaus beobachtet: „Es waren nicht so viele Kinder wirklich erkrankt. Wenn es eine Erkrankung gab, war es eher wie eine Erkältung.“ Sie schiebt aber hinterher: „Eine Mitarbeiterin ist seit dem Ausbruch im Dezember bis heute noch nicht wieder bei der Arbeit.“

Derzeit laufe der Betrieb gut, die Eltern seien sehr darauf bedacht, nur ein gesundes Kind in die Kita zu bringen. Am besten solle alles so bleiben – „auch mit den Tests“.

„Die Tests bieten eine Sicherheit, die nun entfallen wird“

„Wir bedauern die Abschaffung sehr“, bestätigt Stefanie Reich, Fachbereichsleiterin für die evangelischen Kitas. „Auch wenn wir wissen, dass nicht alle Eltern testen, so bieten die Tests eine Sicherheit, die nun entfallen wird.

Kann der Test-Wegfall denn mehr Normalität ermöglichen? Sandra Wallbaum sieht das so: Wenn Erzieherinnen krank sind, Gruppen zusammengelegt werden müssen, dann fehlt Normalität. Oder wenn Kinder mit einem kleinen Schnupfen oder Husten daheim bleiben, weil Eltern vorsichtig sind. „Mit einem negativen Test haben sie immer die Sicherheit, die Kinder trotzdem zu bringen.“

Ob Eltern sich Schnelltest selbst besorgen, sei schließlich eine Kostenfrage, betont Andrea Bert.

Nadine Granow-Keysers, Leiterin des Fachbereichs Schule und Kindertagesbetreuung in Bottrop.
Nadine Granow-Keysers, Leiterin des Fachbereichs Schule und Kindertagesbetreuung in Bottrop. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Etwas anders äußert sich Nadine Granow-Keysers. Die Leiterin des städtischen Fachbereichs Schule und Kindertagesbetreuung ist der Auffassung: „Grundsätzlich ist der Wunsch nach mehr Normalität in den Kitas auch bei uns vorhanden, dies gilt im Übrigen auch für die Schulen. Sofern die anlasslosen Tests entfallen, ist damit auch in den Kitas wieder noch mehr Alltag möglich.“ Vor dem Hintergrund der ganzen Regelungen, die bundesweit ab dem 20. März zurückgesetzt werden sollen (Ende der Homeofficepflicht, seltenere Masken- und Testpflichten) sei es konsequent, erst Recht bei den Kindern und Jugendlichen darüber nachzudenken.

Wegfall der Kita-Tests: Einige Fragen sind noch offen

„Gleichzeitig befürchte ich aber auch, dass mögliche Erkrankungen damit unentdeckt bleiben und nicht darauf reagiert werden kann. Die möglichen Konsequenzen daraus müssen aber die Gesundheitsexperten einschätzen, und das ist meines Erachtens durch den Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte erfolgt“, so Granow-Keysers weiter.

Einige Fragen sind für die Praktiker indes noch offen. Sandra Wallbaum zum Beispiel geht davon aus, dass auch fürs Mitarbeiterinnen-Team keine Tests mehr zur Verfügung gestellt werden. „Wir werden auf jeden Fall gucken, dass wir dann vom Team aus regelmäßig zum Bürgertest gehen.“

Stefanie Reich erinnert daran, dass es bisher eine Testverpflichtung für die Kita-Kinder gab, sobald positive Fälle in der Einrichtung auftauchten. „Die Verfolgung der Infektionslage in den Kitas zeigt eine deutliche Ansteckung unter Kindern und Mitarbeitern.“ Fällt diese Testpflicht nun auch weg, fragt Reich.

Bottroper Vater fragt nach der Sicherheit im Familienleben

Hin- und hergerissen zeigt sich ein Vater eines Kita-Kindes. Klar sei der Wunsch nach mehr Normalität im Kita-Alltag nachvollziehbar, „das wünsche ich mir und meinem Kind auch“. Aber er frage sich schon, inwieweit diese Normalität tatsächlich abhängig sei vom Wegfall des Tests. Die Kita habe Lolli-Tests zur Verfügung gestellt, den habe man dreimal wöchentlich morgens gemacht und sein Eindruck sei nicht, dass dies das Kind wahnsinnig eingeschränkt habe.

Vielmehr stelle sich nun die Frage nach der Sicherheit im Familienleben. Da müssten ja nun weiterhin Tests gemacht werden, etwa um nicht die Großeltern einer Infektionsgefahr auszusetzen. „Das war vorher durch die Kita-Tests mit abgedeckt, geht man dafür dann im Zweifel zum Testzentrum? Wie viel Normalität ist das dann?“

Ärzte fordern mehr Normalität

Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) hatte sich für ein Ende der anlasslosen Corona-Testungen und mehr Normalität im Alltag der Kita-Kinder ausgesprochen.

Die bisherigen zum Schutz gedachten Maßnahmen belasteten die Jungen und Mädchen eher als sie nutzten, kritisierte der Verband. Auch wenn die Infektionszahlen bei Kindern hoch seien, „spiegelt das die reale Krankheitssituation bei den Kindern überhaupt nicht wieder“.

Die beiden BVKJ-Landesverbände Nordrhein und Westfalen-Lippe betonten: „Wenn wir Kinder schützen wollen, dann muss endlich wieder gelten, dass wir über Krankheit reden und nicht über die Tatsache, dass ein gesundes Kind eventuell Viren in sich trägt.“