Bottrop. Um 6 Uhr morgens stand die Polizei vor der Tür: Die Bottroper Familie Sylejmani ist kurz vor Weihnachten abgeschoben worden. Zu Unrecht?

Die Bottroper Ausländerbehörde hat kurz vor Weihnachten eine junge dreiköpfige Familie in den Kosovo abgeschoben. „Das ist Unrecht“, sagt der Kirchhellener Bäckermeister Markus Kläsener, Arbeitgeber des Familienvaters. „Ich brauche den Mann.“ Das war rechtens, sagt der Leiter des Fachbereichs Recht und Ordnung; die Familie hätte es vermeiden können. Und die Stadt zeigt auch einen Rückweg nach Bottrop auf.

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Was ist passiert? Im Jahr 2016 sind Burim Sylejmani (heute 38) und seine Frau Shkurta (32) aus dem Kosovo nach Bottrop gekommen. Beide hätten sich von Anfang an um Integration bemüht und Deutsch gelernt, berichten Nachbarn. Im Jahr 2018 kommt Tochter Nila zur Welt. Im selben Jahr bekommt Burim Sylejmani eine berufliche Perspektive: Er schließt einen Ausbildungsvertrag bei der Bäckerei Kläsener in Kirchhellen ab.

„Im Bäckerhandwerk haben wir ganz großen Fachkräftemangel“

Markus Kläsener kümmert sich nicht nur um die Ausbildung, sondern auch um Aufenthaltstitel und Arbeitsgenehmigung seines Azubis. Aus wohl verstandenem Eigeninteresse, sagt er: „Im Bäckerhandwerk haben wir ganz großen Fachkräftemangel. Versuchen Sie doch mal, einen deutschen Bäckergesellen zu finden.“

Im April 2021, als Burim Sylejmani bereits für seine Gesellenprüfung büffelt, findet das entscheidende Gespräch mit Bernhard Windmöller statt, damals noch Leiter der Ausländerbehörde, erinnert sich Kläsener. Dabei wird abgemacht: „Wenn Herr Sylejmani seine Prüfung besteht und bestimmte Nachweise vorlegt, bekommt er seine Aufenthaltserlaubnis.“

Bottroper Ausländeramtschef gratuliert zur Gesellenprüfung

Alles scheint gut zu werden. Im Juni besteht Sylejmani die Gesellenprüfung. Markus Kläsener meldet die gute Nachricht dem Leiter der Ausländerbehörde. Windmöller gratuliert dem neuen Bäckergesellen und schreibt dessen Chef, nun stehe ja einem Arbeitsvertrag „nichts Gravierendes mehr im Weg“. Deshalb werde er jetzt alles für die Erteilung der Aufenthaltsgenehmigung vorbereiten.

Was danach geschieht oder vielleicht auch nicht, darüber gibt es völlig unterschiedliche Darstellungen. Die Behörde mahnt fehlende Unterlagen an, setzt Fristen. „Da haben keine Unterlagen gefehlt“, sagt Kläsener. „Ich war Zeuge, wie Herr Sylejmani alles auf die Post gegeben hat. Ich kann’s nicht nachvollziehen.“ Wir auch nicht, sagt Sylejmanis Schwager Taulant Emini: „Wir haben einen Anwalt eingeschaltet, der jetzt rechtliche Schritte einleiten wird, da wir alle Schreiben der Ausländerbehörde haben.“

Morgens um sechs klopft die Polizei an die Tür

Und so kommt der 14. Dezember. An diesem Dienstag, zehn Tage vor Heiligabend, klopft um sechs Uhr früh die Polizei an die Tür der Sylejmanis. Der Familienvater ist wie immer schon in der Backstube. Sein Schwager Emini schildert die folgenden Ereignisse so: „Als Frau Sylejmani die Tür aufmachte, hieß es nur mehr: Einen Koffer packen, denn sie werde abgeschoben. Frau Sylejmani hatte nur zwei Sekunden Zeit, um mich zu informieren, dass sie abgeschoben wird und ich ihren Mann kontaktieren sollte.“

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So alarmiert, lässt Burim Sylejmani in der Backstube alles fallen und eilt zu Frau und Kind. Der Schwager schildert weiter: Eine Mitarbeiterin der Behörde habe ihm wie vorher seiner Frau das Handy weggenommen und ausgeschaltet. „Er hat sich nur umziehen dürfen und dann wurden sie direkt in denn Polizeibus reingesetzt und nach Frankfurt Flughafen transportiert. Herr Sylejmani wurde umzingelt, als wäre er ein Schwerverbrecher.“

Stadt Bottrop: „Seit fünf Jahren sind sie ausreisepflichtig“

Von der WAZ mit den Vorwürfen konfrontiert, hat sich der Fachbereich Recht und Ordnung erneut über die Akte gebeugt, berichtet Stadtsprecher Ulrich Schulze. „Fakt ist erstmal: Die Sylejmanis haben 2016 einen Asylantrag gestellt, und der ist abgelehnt worden. Seit fünf Jahren sind sie ausreisepflichtig, unsere Ausländerbehörde hat da beide Augen zugedrückt.“

Um dauerhaft in Deutschland bleiben zu dürfen, habe die Ausländerbehörde Sylejmani aufgegeben, einen Antrag nach dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz zu stellen. Schulze: „Dieser Antrag muss zwingend aus dem Herkunftsland gestellt werden. Und das hat er nicht gemacht.“

Dieses Gesetz bietet nach Einschätzung des Fachbereichs aber jetzt einen Ausweg aus der verfahrenen Situation. Wenn Burim Sylejmani diesen Antrag jetzt aus dem Kosovo stelle und Bäcker Kläsener seinen Fachkräftebedarf darlege, stünden die Chancen gut, dass Sylejmani „schon bald wieder in Kirchhellen Brot backen darf“.

Fachkräfteeinwanderungsgesetz

Dieses Gesetz soll den Fachkräftemangel in der deutschen Wirtschaft beheben helfen und Fachkräfte aus dem Ausland nach Deutschland holen. Es trat im März 2020 in Kraft. In aller Bescheidenheit hat der damalige Bundesinnenminister Horst Seehofer es als „Meilenstein der Migrationspolitik“ bezeichnet.

Das Gesetz ist gut, sagen Kritiker wie der Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle, Reint Gropp. Allerdings seien die Zahlen der Eingewanderten relativ klein: „Im letzten Jahr sind tatsächlich 30.000 Menschen unter dem Gesetz nach Deutschland eingewandert.“ Nötig wären 400.000 gewesen, hat die Bundesarbeitsagentur ausgerechnet.