Bottrop. Bottrops „Restaurant der Herzen“ hat bis 11. März wieder zur Mittagszeit geöffnet. Montags bis freitags gibt es warme Mahlzeiten im Barbaraheim.

Grünkohl, was sonst? Gut, eine Mettwurst ist auch noch drin. Klingt gemütlich, nach warmem Mittagessen. Nur das, was Kolüsch eigentlich erst zu Kolüsch macht, dem Bottroper „Restaurant der Herzen“, muss nun schon in der zweiten Saison in Folge ausfallen: das gemeinsame Essen am gedeckten Tisch. Die Bottroper und weniger Bottroperinnen stehen am Eröffnungstag vor dem Barbaraheim am Unterberg, einige kennen sich, sie reden kurz. Dann nehmen sie die Plastikdose mit einer ordentlichen Portion Eintopf in Empfang - und weg sind sie.

29. Kolüsch-Saison in Bottrop - Am Anfang stand ein bitterkalter Winter 1992/93

Wo in früheren Jahren Geschirr klapperte, Stimmengewirr nach draußen scholl, steht heute nur das Team hinter den beiden Ausgabetheken. Am ersten Tag läuft alles noch zögerlich an. Michael Schmidt und Sven Mann verteilen die Behältnisse an bedürftige Mitbürger. Neu dabei ist Melanie Dresen, ebenfalls im weißen Kittel, mit Mütze und dem obligatorischen Mund- und Nasenschutz. Die Saison 29 nach der Gründung durch die evangelische Sozialberatung (ESB) hätten sich alle anders gewünscht. Auch Claudia Kretschmer. „Dies ist mein letztes Kolüsch-Jahr, am 30. Dezember ist mein letzter Arbeitstag, danach bin ich Rentnerin“, sagt sie, schluckt, atmet kurz durch.

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Seit 33 Jahren arbeitet sie bei der ESB. Und sie ist ein Kolüsch-Urgestein, von Anfang an dabei. Seit dem Winter 1992/93. „Und der war extrem hart“, erinnert sich die Bottroperin. Das - längst abgerissene - Haus an der Parkstraße, den Raum an der Gladbecker Straße, weit durch, bei den 200-er Nummern, und nun das Domizil im Barbaraheim am Unterberg: Alle Stationen hat sie miterlebt. Auch, wie Kolüsch wächst, immer mehr Männer und Frauen bewirtet werden, sich das „Restaurant der Herzen“ etabliert, zum Treffpunkt wird. Denn es sollte immer mehr sein als eine Suppenküche oder die „Armenspeisung“, wie man sie vielleicht von früher kennt.

Saisoneröffnung von Kolüsch: Melanie Dresen, Michael Schmidt und Sven Mann (v.l.). Normalerweise gibt’s an Tischen im Barbaraheim Teller und Besteck zum Spülen. Das ist im zweiten Jahr wegen Corona verboten. Zum Mitnehmen gibt es nur Plastikverpackungen.
Saisoneröffnung von Kolüsch: Melanie Dresen, Michael Schmidt und Sven Mann (v.l.). Normalerweise gibt’s an Tischen im Barbaraheim Teller und Besteck zum Spülen. Das ist im zweiten Jahr wegen Corona verboten. Zum Mitnehmen gibt es nur Plastikverpackungen. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

„Wir haben tatsächlich Stammgäste, die sich kennen, die immer da sind, die sich zum Teil auch nett anziehen, denn Kolüsch ist oft ihre einzige Möglichkeit, überhaupt auszugehen“, weiß Claudia Kretschmer. Auch ein Grund, weshalb bis heute die Mahlzeiten umsonst sind. Selbst auf einen Symbolbetrag wird verzichtet. Wäre der zu gering, machte das den sprichwörtlichen Braten nicht fett. Läge er im Euro-Bereich, könnten viele, die ohnehin von der Grundsicherung leben müssen, vielleicht gar nichts mehr für andere Zwecke zurücklegen. So jedenfalls sieht es die ESB.

Und man komme an die Menschen heran. „Niederschwellig“, sagt Claudia Kretschmer. Denn nicht alle kämen nur zum Essen in netter Atmosphäre. Manche kämen au mit Problemen. Die Wohnung, aus der sie vielleicht ausziehen müssten, Hilfe beim Jobcenter, Überschuldung: „Wenn so etwas bekannt ist oder sogar direkt angesprochen wird, sind wir immer vor Ort und können weiter helfen. Manchmal wissen auch andere Stammgäste, wie es den Tischnachbarn geht.

Vor Corona hatten vielen noch ihren Stammplatz

„Bis Corona kam, hatten viele ihre festen Tische, manchmal sogar einen Stammplatz und es hat immer Grüppchen gegeben, die sich kannten“, erzählt die Sozialarbeiterin, deren Laufbahn vor langer Zeit bei der Stadt begann. „Tatsächlich beim Sozialamt.“ Nun hofft sie, dass die Pandemie diese Strukturen bei Kolüsch nicht komplett zerschlagen hat.

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In Bottrop jedenfalls sei Kolüsch fest verankert. Die Stadt und vor allem auch viele Bürgerinnen und Bürger stehen von Anfang hinter diesem besonderen, anderen Restaurant. So helfe die Stadt auch mit einem Sockelbetrag. Der weitaus größte Teil komme aber durch Spenden zusammen. „Ein tolles Zeichen einer Stadtgemeinschaft“, findet Claudia Kretschmer. So könne mit einer 30-Euro-Spende jemand schon eine Woche lang bei Kolüsch versorgt werden. Natürlich gibt es nicht nur Eintopf oder Suppe. Der wöchentlich wechselnde Speiseplan orientiert sich am DRK-Haus Rottmannsmühle. Von dort wird das Essen gekocht. Und das Deutsche Rote Kreuz liefert zum Selbstkostenpreis - ganz im Sinne guter Nachbarschaft in Bottrop.