Bottrop. . 26 Jahre lang leitete der Sozialarbeiter die Evangelische Sozial Beratung, die er mit aufgebaut hat. Im Interview zieht er eine Bilanz dieser Zeit und erinnert sich an die Arbeit für und mit obdachlosen Menschen.
Hilfe für Menschen in Wohnungsnot, die bietet die Evangelische Sozialberatung (ESB) schon seit 1986. Wolfgang Kutta hat die Beratungsstelle mit aufgebaut und sie 26 Jahre geleitet. Ende des Monats beginnt der passive Teil seiner Altersteilzeit ein. Mit WAZ-Redakteur Matthias Düngelhoff sprach er vorher über Armut und Wohnungsnot in Bottrop und über seine Arbeit bei der ESB. Ach ja, angefangen hat Kutta, das langjährige Gesicht der ESB, übrigens im Sozialamt in Bottrop.
Eine sichere Stelle beim Sozialamt einfach aufzugeben und stattdessen das Wagnis ESB auf sich zu nehmen, wie kam das?
Es gab damals vor Ort kein Hilfsangebot für Wohnungslose. Ich habe in einer Fachzeitschrift über das Thema gelesen und habe dann Kooperationspartner gesucht. Bei der Evangelischen Kirche gab es damals ein junges Pfarrerteam um Michael Schibylski und Johannes Schildmann, dann bin ich auf offene Ohren gestoßen. Letztlich habe ich dann für mich entschieden, dass diese Arbeit eher meiner Art von Sozialarbeit entsprach.
Die wäre?
Ich lebe Sozialarbeit und nach meiner Vorstellung gehört dazu eben auch, bestimmte Strukturen zu entwickeln und Themen kontinuierlich zu bearbeiten. Das ist innerhalb einer Verwaltungshierarchie manchmal schwierig, ein freier Träger hat es da manchmal leichter. Ich erinnere mich noch, dass eine Sorge der Stadt war, dass unsere Beratungsstelle nun Obdachlose aus der gesamten Umgebung anzieht, die sich dann hier niederlassen. Eine Sorge, die sich nie bewahrheitet hat.
Aber es gab sicher auch schmerzhafte Erfahrungen?
Mir ist vor Kurzem klar geworden, dass zu meiner Arbeit auch über 100 Tote gehören. Klienten, die wir in Wohnungen vermittelt haben oder die in unseren Unterkünften gelebt haben und die ich häufig sogar gefunden habe, weil wir die Schlüssel hatten. Oder ich war dabei, wenn Feuerwehr und Polizei die Türen geöffnet haben. Denn viele unsere Klienten sind durch das Leben auf der Straße krank.
Die ESB wird von vielen Menschen mit der Suppenküche Kolüsch verbunden. Hätten Sie gedacht, dass Suppenküchen noch nötig wären.
Nein, wirklich nicht. Hätte man mir während des Studiums gesagt, dass ich eine Suppenküche eröffne, ich hätte denjenigen ausgelacht. Im Studium sind wir davon ausgegangen Sozialarbeit wäre Durchsetzung legitimer Ansprüche.
Gleichzeitig ist aber auch gerade Kolüsch zu einem Markenzeichen für die ESB geworden.
Das ist richtig. Weil wir schon früh dazu über gegangen sind, auch Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben. Auch das gehört zu meinem Verständnis von Sozialarbeit. Das ist auch Lobbyarbeit für unsere Klienten. Auf diese Weise ist es früh gelungen, Kolüsch gut aufzustellen. Auch die Kürzung der Mittel, die der Rat jetzt beschlossen hat, kann, wenn keine Spenden wegbrechen, aufgefangen werden. Außerdem haben wir ja immer wieder Ausstellungen organisiert, Bücher herausgegeben und Benefizkonzerte organisiert, um die Menschen auf unsere Themen aufmerksam zu machen.
Auch interessant
Man hat immer den Eindruck gehabt, dass Sie gern arbeiten, ihren Beruf als Berufung sehen, wie sieht dann der Ruhestand aus?
Ich konnte mich ja darauf vorbereiten. Als ich die Altersteilzeitregelung unterschrieben habe, wusste ich, dass der passive Teil kommt. Außerdem habe ich in all den Jahren so viele Bücher bei Erlenkämper gekauft, die muss ich jetzt sortieren und vor allem lesen. Außerdem werde ich häufiger in Holland sein, um meine Niederländisch-Kenntnisse zu verbessern.