Bottrop. Seit 25 Jahren ist das Dorothea-Buck-Haus Heimat für Menschen mit psychischen Erkrankungen. Eine Ex-Bewohnerin und eine Mitarbeiterin erzählen.

„Ohne das Dorothea-Buck-Haus gäbe es mich heute nicht mehr.“ Davon ist Canan Tatli überzeugt. Das Haus der Diakonie und dessen Außenwohngruppen, für die heute 28-Jährige steht es für Vertrauen, Unterstützung und dafür, nicht aufzugeben. Vier Jahre hat die Frau in dem Haus für Menschen mit psychischen Erkrankungen gelebt.

Wer die fröhliche, selbstbewusste junge Frau heute erlebt, der kann sich nicht vorstellen, dass es Zeiten gab, in denen sie sich immer weiter zurückzog, nicht mehr vor die Tür ging, antriebslos war und ihren Alltag nicht organisieren konnte. Am Ende stand ein Aufenthalt in einer Klinik und eine Diagnose: Paranoide Schizophrenie. Heute redet sie offen darüber, will sich nicht verstecken.

Seit 25 Jahren ist das Dorothea-Buck-Haus in Bottrop Heimat für psychisch Kranke

In der Klinik wurde Canan Tatli akut behandelt, medikamentös eingestellt. Doch eine Rückkehr in ein eigenes Leben, daran war noch nicht zu denken. Und so fand sie ins Dorothea-Buck-Haus. Seit 25 Jahren ist es gleichzeitig Heimat für Menschen mit psychischen Erkrankungen. 98 Menschen leben hier oder in einer der Außenwohngruppen, werden betreut und bekommen die nötigen Therapien. Eine Sozialarbeiterin aus dem Krankenhaus habe sie hierher vermittelt, sagt Canan Tatli.

Namensgeberin Dorothea Buck hat sich immer mit dem nach ihr benannten Haus in Bottrop identifiziert. Das Foto zeigt sie im Jahr 2006 bei einem Besuch in Bottrop. 2019 ist sie im Alter von 102 Jahren gestorben.
Namensgeberin Dorothea Buck hat sich immer mit dem nach ihr benannten Haus in Bottrop identifiziert. Das Foto zeigt sie im Jahr 2006 bei einem Besuch in Bottrop. 2019 ist sie im Alter von 102 Jahren gestorben. © WAZ | Birgit Schweizer

Über diesen Weg fänden die Menschen häufig ins Dorothea-Buck-Haus, sagt Doris Vogt. Die Sozialarbeiterin gehört seit Beginn – also seit 25 Jahren – zum Team im Haus. Es sei nicht ungewöhnlich, dass Sozialarbeiter, Familienmitglieder oder auch gesetzliche Betreuer den Kontakt zum Haus suchen.

Namensgeberin des Hauses wurde in der NS-Zeit zwangssterilisiert

Wobei: Damit man hier einziehen darf, muss eine psychiatrische Diagnose vorliegen. Dazu zählen eine Psychose, Schizophrenie, Depressionen, Angst- oder Zwangsstörungen – um nur einige zu nennen. Heißt aber für die Mitarbeiter auch, dass sie sich jedes Mal neu auf den Menschen und dessen Diagnose einstellen müssen. Aber das sei sowieso ein Grundprinzip des Hauses, sagt Doris Vogt: „Wir begegnen jedem, der hierher kommt, auf Augenhöhe.“

Der kaufmännische Geschäftsführer des Dorothea-Buck-Hauses, Sebastian Schwager, Prokurist Alexander Escher, Einrichtungsleiter Tim-Ole Fischer und der theologische Geschäftsführer der Diakonie, Karl Hesse (v. l.), bei der Feier zum 25-jährigen Bestehen des Hauses an der Beckstraße.
Der kaufmännische Geschäftsführer des Dorothea-Buck-Hauses, Sebastian Schwager, Prokurist Alexander Escher, Einrichtungsleiter Tim-Ole Fischer und der theologische Geschäftsführer der Diakonie, Karl Hesse (v. l.), bei der Feier zum 25-jährigen Bestehen des Hauses an der Beckstraße. © FUNKE Foto Services | Lutz von Staegmann

Ein Prinzip, das auch der Namensgeberin des Hauses wichtig war. Die Künstlerin Dorothea Buck war selbst psychisch krank. Doch ihre Erfahrungen mit psychiatrischer Behandlung waren keine guten. 1936 kam sie mit der Diagnose Schizophrenie in eine der damaligen Heilanstalten – mit den oftmals menschenverachtenden Therapieversuchen wie Kaltwassergüsse oder Dauerbäder zur Disziplinierung. Später wurde sie zwangssterilisiert.

Mitarbeiter haben das Konzept des Hauses vor der Eröffnung gemeinsam entwickelt

Diese Erfahrungen und auch das Wissen, dass es auch in den 1960er-Jahren noch menschenunwürdige Zustände in den deutschen Psychiatrien gab, führten dann dazu, dass sie sich für eine Verbesserung der Situation einsetzte und schließlich 1992 mit anderen Betroffenen den Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener gründete. Dem Haus in Bottrop war sie immer eng verbunden, besuchte es auch mehrmals.

„Wir arbeiten hier so, wie Dorothea Buck es sich gewünscht hätte“, sagt Diakonie-Sprecher Michael Horst. Schon ganz zu Anfang, vor der Gründung des Hauses, sei das Konzept gemeinsam von Bewohnerinnen und Bewohnern und Mitarbeitern erarbeitet worden, betont auch Doris Vogt.

Beschäftigung im Rotthoffs Hof und im Werkhaus

Dieser Blick auf jeden Einzelnen, der zeige sich beispielsweise wenn es darum gehe, gemeinsam Ziele aufzustellen. Am Ende stehe immer das Ziel, den betroffenen Menschen zu verselbstständigen. Dazu gehören verschiedene Therapieangebote und auch Beschäftigungen, die teilweise auf dem Gelände des Hauses stattfinden. Aber auch auf dem Rotthoffs Hof oder im Werkhaus der Diakonie arbeiten Menschen mit psychischen Erkrankungen. Über diese Tagesstruktur gehe es darum, „Ausdauer, Zuverlässigkeit und Absprachefähigkeit zu trainieren“, erklärt Doris Vogt.

Wobei auch dabei immer der Bewohner das Tempo vorgibt. Es habe auch Tage gegeben, erinnert sich Canan Tatli, da habe sie ihre Beschäftigung nicht ausführen können. Dann allerdings schalteten sich die Betreuer im Wohnbereich ein und halfen den Tag zu strukturieren. Denn diese Tagesstruktur diene auch der Stabilisierung, erläutert Doris Vogt. Gleichzeitig stellt sie klar, dass es für manch einen Bewohner schon ein Fortschritt sei, sich von seiner Tätigkeit abzumelden. Auch das sei dann vielleicht ein Schritt hin zu Absprachefähigkeit und Zuverlässigkeit.

Canan Tatli ist mit ihrem Leben inzwischen sehr glücklich

Vier Jahre hat Canan Tatli im Dorothea-Buck-Haus gelebt. Als sie vor zweieinhalb Jahre auszog, sei sie sehr glücklich gewesen. „Ich hatte mein Ziel erreicht, hatte es geschafft und war sehr glücklich.“ Auch wenn es auf der anderen Seite traurig gewesen sei, das Haus und die Betreuer zu verlassen. „Es war sehr familiär für mich.“ Für Doris Vogt ist Canan Tatli ein Erfolg, nicht alle schafften es, vor allem nicht in dieser vergleichsweise kurzen Zeit.

Canan Tatli hat inzwischen selbst eine Familie gegründet, wird bald Mutter. „Ich bin sehr glücklich mit meinem Leben, das hätte ich mir früher nie vorstellen können. Ich habe mich hier im Haus selber wiedergefunden.“

Neuer Hausleiter

Im November gab es eine offizielle Jubiläumsfeier zum 25-jährigen Bestehen des Dorothea-Buck-Hauses. Im Rahmen des Festaktes wurde auch Tim-Ole Fischer vom theologischen Geschäftsführer und Diakoniepfarrer Karl Hesse als neue Hausleitung mit einem Segen in seine Aufgaben eingeführt. Der 37-jährige Erzieher und Sozialpädagoge hat seit Mai die Leitung im Dorothea-Buck-Haus inne.

Neben dem eigentlichen Haus an der Beckstraße – das 2008 um ein Nebengebäude mit 16 Plätzen für Menschen mit Doppeldiagnose, Sucht & Psychose, erweitert wurde – gibt es Außenwohngruppen in Bottrop und Dorsten.