Bottrop. WAZ und Bottcast ziehen durch Bottroper Kneipen. Die Tageszeitung stellt Wirtinnen und Wirte vor. Im Bottcast erzählt die Stammkundschaft.

Doch, es gibt sie noch, die alten Eckkneipen. Nur eben nicht mehr wie früher an gefühlt jeder zweiten Ecke in der Stadt. Eine dieser selten werdenden Spezies sind die Alten Stuben an der Ecke Hans-Böckler-Straße/Am Lamperfeld. Reines Wohngebiet, abseits der großen Passantenströme, sieht man einmal vom Durchgangsverkehr auf der vielbefahrenen Straße ab.

Wer zu Sabine Behrendt kommt, weiß eben genau, wer ihn (oder sie) erwartet: eine dieser Ur-Bottroper Wirtinnen mit Herz und Charme, die zwischen Anzapfen und Servieren durchaus schon mal mit knobelt, wenn die Stammgäste kurz nach 16 Uhr nach den Würfeln fragen.

Sabine Behrendt: die Bottroper Wirtin arbeitet seit 35 Jahren in der Gastronomie

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Über 35 Jahre, deutlich mehr als die Hälfte ihres Lebens, arbeitet die gebürtige Batenbrockerin in der Gastronomie. 16 Jahre davon als Selbstständige, seit sie 2005 die Alten Stuben übernimmt. „Diesen Schritt würde ich mir heute mehr als gut überlegen, vielleicht auch nicht mehr machen, denn die Kosten erdrücken uns Selbstständige immer mehr und die Bürokratie kommt ja noch obendrauf“, sagt Sabine Behrendt.

Aber Gastronomie, Wirtin als Beruf? „Immer wieder, ich hatte immer Spaß daran, der Umgang mit Menschen, die Gespräche mit den Gästen, es allen einfach nett zu machen, zufriedene Gesichter zu sehen, die dann immer wieder kommen, das ist mein Ding, schließlich bin ich ja freiwillig mit 25 Jahren in die Branche gewechselt“, lacht sie – und zapft schnell noch mal zwei kleine Köpis an.

Sabine Behrendt mag ebenso wie ihre Gäste den Retro-Charme ihrer Alten Stuben. Bevor sie 2005 die Gaststätte von Birgit Degen übernahm, hatte sie bereits zehn Jahre dort gearbeitet.
Sabine Behrendt mag ebenso wie ihre Gäste den Retro-Charme ihrer Alten Stuben. Bevor sie 2005 die Gaststätte von Birgit Degen übernahm, hatte sie bereits zehn Jahre dort gearbeitet. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Und schnell noch ein Alt, für den nächsten Gast, der eben hereinkommt. Ein pensionierter Polizist, der einen der letzten freien Thekenplätze besetzt. Sabine Behrendt weiß, was ihre Stammgäste trinken – und was die so machen, wie es ihnen geht, wo der Schuh auch mal drückt. Das gehört einfach dazu. „Und viele wissen ja auch viel von mir, haben mich unterstützt, als mein Mann vergangenes Jahr an einer schweren Krankheit starb und dann, als es mit Corona losging und wir alle von heute auf morgen schließen mussten.“

Dass sie als eine der ersten nach dem Lockdown wieder geöffnet hat, kommt sie heute teuer zu stehen. Einen Großteil der Coronahilfen muss sie wieder zurückzahlen. „Hätte ich mal etwas länger gewartet.“ Na ja, verschüttetes Bier.

Den Retro-Charme der 70er und 80er haben sich die Alten Stuben bewahrt

Aber nun geht es wieder bergauf – auch wenn die Vor-Corona-Zahlen noch längst nicht wieder erreicht sind. Immerhin: Die Familienfeiern gibt es schon wieder. Dafür – und für Clubs und Vereine – haben die Alten Stuben sogar das klassische Hinterzimmer, wie früher. Nur das einst obligatorische Klavier sucht man vergebens.

Aber: So alt sind die Alten Stuben ja auch noch gar nicht, gemessen zum Beispiel an Passmanns, Hürter oder Schäfer, deren Wurzeln ja bis ins 19. Jahrhundert zurückreichen. Die Alten Stuben entstanden mit dem Haus, in dem sie bis heute sind, in den 60er Jahren. Und irgendwie fühlt man sich auch in diese Zeit und die 70er, 80er zurückversetzt.

Die aktuelle Folge des gemeinsamen Formats von WAZ und Bottcast „Vorm Tresen – Hinterm Tresen“ nehmen die Bottcast-Jungs Rene Podgorski (the voice) und Fabian Skowronek (the sound) auf. Hier im Gespräch mit Alte-Stuben-Stammgast Peter Podgorski. Im Hintergrund haben sich die Bottroper Biker in ihrem Stammlokal verewigt.
Die aktuelle Folge des gemeinsamen Formats von WAZ und Bottcast „Vorm Tresen – Hinterm Tresen“ nehmen die Bottcast-Jungs Rene Podgorski (the voice) und Fabian Skowronek (the sound) auf. Hier im Gespräch mit Alte-Stuben-Stammgast Peter Podgorski. Im Hintergrund haben sich die Bottroper Biker in ihrem Stammlokal verewigt. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Rustikale Holzmöbel, geschwungene Theke, Wimpel, Fotos und viel Blau-Weiße-Deko in der Gaststube. „Auch wenn Bottrop längst nicht die Schalke-Stadt ist, die sie mal war“, beeilt sich ein Stammgast zu betonen. Wenn es nach ihm ginge, würde die Deko Gelb-Schwarz ausfallen. „Aber mich fragt ja keiner.“

Alte Stuben in Bottrop: Klassische Milieus verschwinden

Von der Theke dringen „Bayern oder Köln“ herüber. Es ist wie mit den früheren Volksparteien oder der Kirche: Klassische, geschlossene Milieus verschwinden. Das gilt ein wenig auch für die Schützenvereine, die bei Sabine Behrendt ihr Vereinslokal haben. Die Schützen Stadtmitte oder Andreas Hofer: Noch gibt es sie. Auf Fotos im Gesellschaftszimmer reihen sich Kaiser und Königinnen vergangener Jahrzehnte.

Die Kegelvereine, die bleiben. Und: „Meine Biker, die kommen alle 14 Tage, beim offenen Biker-Tag stehen bis zu 40 Maschinen hier am Haus“, erzählt Club-Wirtin Sabine Behrendt stolz. Das Großformat mit den Jungs in voller Montur beweist es. „Sogar meinen Schulfreund aus Teenager-Tagen haben ich bei den Bikern wiedergetroffen“, schmunzelt die Wirtin. Bottrop ist eben ein Dorf.

Und hier gehts zur aktuellen Folge von „Vorm Tresen - Hinterm Tresen“ von WAZ und Bottcast: der-bottcast.de. Zu hören Samstag, ab 18 Uhr.