Bottrop. Aufsuchende Jugendarbeit in Kirchhellen liegt derzeit brach. Damit sich das ändert, kooperieren vier Institutionen und suchen einen Streetworker.

Er oder sie soll das Angebot für Jugendliche in Kirchhellen abrunden. Die Rede ist von der künftigen Streetworkerin oder dem künftigen Streetworker im Dorf. Rund ein Jahr nachdem die letzte Streetworkerin den Verein Philip Neri verlassen hat, soll es demnächst wieder ein entsprechendes Angebot in Kirchhellen geben. Die aufsuchende Jugendarbeit sei eine Ergänzung zu den bestehenden Angeboten und erreiche Jugendliche und junge Erwachsene, die man sonst womöglich nicht erreiche, weil sie die anderen Angebote nicht wahrnehmen, sagt Bezirksbürgermeister Ludger Schnieder.

Das Besondere in dem Fall ist aber, dass man für die Einrichtung der Stelle einen speziellen Kirchhellener Weg gefunden hat. Stadt, Pfarrgemeinde St. Johannes, der Verein Philip Neri und die Stiftung Heilige Familie aus Grafenwald haben sich zusammengetan und finanzieren die Stelle gemeinsam. Ausgeschrieben ist eine Stelle im Umfang von 30 Stunden, davon werden 19 durch die Stadt Bottrop finanziert, die restlichen übernehmen die anderen Beteiligten.

Stellenanzeige veröffentlicht und auch an Universitäten der Region geschickt

Die entsprechende Stellenanzeige wurde veröffentlicht und auch an angrenzenden Universitäten geschickt,, in der Hoffnung, dass sich Sozialarbeiter bewerben. Die entsprechende Frist läuft bis zum ersten Oktober, anschließend soll die Stelle schnellstmöglich besetzt werden. Träger ist in dem Fall die katholische Kirche, doch sei mit der Stelle und der Arbeit keine konfessionelle Bindung verbunden, betont Pfarrer Christoph Potowski.

Bezirksbürgermeister Ludger Schnieder, Michael Schlagheck  vom Verein Philipp-Neri und Pfarrer Christoph Potowski (v.l.) stellen das Projekt und die Finanzierung der Streetworker in Kirchhellen vor.
Bezirksbürgermeister Ludger Schnieder, Michael Schlagheck vom Verein Philipp-Neri und Pfarrer Christoph Potowski (v.l.) stellen das Projekt und die Finanzierung der Streetworker in Kirchhellen vor. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

„Uns geht es als Kirchengemeinde darum, Kooperationen und Netzwerke zu bilden und so das brachliegende Feld der aufsuchenden Jugendarbeit wieder mit anzukurbeln“, schildert Potowski die Beweggründe der Pfarrei, sich einzubringen.

Verschiedene Anlaufpunkte für Streetworker in Kirchhellen und Grafenwald

Klar ist auch: Ein Großteil der Arbeit wird auf den Straßen Kirchhellens stattfinden. Es gebe verschiedene Anlaufpunkte in Kirchhellen und Grafenwald, wo sich Jugendliche treffen, zu denen der Streetworker Kontakte knüpfen soll. Dabei gehe es immer auch um die Vorstellungen der Jugendlichen. Es gebe keine Vorgaben, stattdessen wolle man schauen, was sich entwickelt, sagt Michael Schlagheck, der Vorsitzende des Jugendfördervereins Philip Neri. „Letztlich geht es darum, aus Betroffenen Beteiligte zu machen.“ Ergeben sich dann später weitere Anknüpfungspunkte oder ein Beratungsbedarf, hat der Streetworker selbstverständlich auch ein Büro, wo so etwas dann stattfinden kann. Er wird einen Raum an der Kirche beziehen.

Anlaufpunkte draußen, an denen der Streetworker aktiv werden könnte sind die Skater-Anlage in Kirchhellen, die Schulze-Delitzsch-Straße oder auch die Kirche in Grafenwald. Überall dort hätten sich Treffpunkte für Jugendliche heraus kristallisiert. Ludger Schnieder verhehlt nicht, dass es an der ein oder anderen Stelle auch schon zu Konflikten gekommen ist – etwa an der Schulze-Delitzsch-Straße. dort seien auch schon Polizei und Ordnungsdienst im Einsatz gewesen, weil sich Passanten von Jugendlichen belästigt gefühlt hätten.

Streetworker ist kein verlängerte Arm der Ordnungshüter

Dabei ist auch ganz klar: Ein Streetworker ist kein verlängerter Arm der Ordnungsmacht. Das machen alle Beteiligten bei der Vorstellung des Projekts deutlich. Vielmehr gehe es darum, Ansprechpartner für Jugendliche zu sein, deren Ideen aufzugreifen und sie bei der Umsetzung zu unterstützen. Gleichzeitig könnten so Orte wie die Skater-Anlage stärker belebt werden, hofft der Bezirksbürgermeister.

Zuletzt habe sich gezeigt, dass Kirchhellen eine solche Stelle brauchen und dass es vor Ort auch das Klientel gibt. Der Streetworker wird eingebunden sein in die Netzwerke der Jugendarbeit der Stadt Bottrop sowie auch der des Bistums Münster. Hier soll kein Kirchhellener Einzelkämpfer aufgebaut werden, betonen alle Verantwortlichen. So sollen auch Kontakte zu bestehenden Einrichtungen und Schulen im Ortsteil geknüpft werden.

Alle Partner waren schnell einverstanden, sich einzubringen

Zuletzt hatte die Stadt Bottrop sich von der Streetworker-Arbeit abgewandt, lieber andere Formen der Jugend- und Sozialarbeit gefördert. Doch der Bezirksvertretung habe diese aufsuchende Jugendarbeit gefehlt, betont Schnieder. „Uns war dieser Bereich wichtig.“ Und so wurde die Streetworker-Arbeit zur Bedingung etwa für bezirkliche Gelder zur Wiederherstellung der Skater-Anlage.

Dass es nun geklappt hat, dafür sein man allen Beteiligten dankbar. Und das Schöne daran sei außerdem, dass man keinen der Partner lange habe überreden müssen. Schnieder: „Wir sind froh, dass sich die Institutionen gefunden haben, und dass wir damit auf Offenheit im Kinder- und Jugendhilfeausschuss gestoßen sind.“

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Könnte das Kirchhellener Modell auch Beispiel für andere Stadtteile etwa im Bottroper Süden sein? Festlegen will sich da keiner der Beteiligten, zumal es bei der Stadt andere Schwerpunkte gebe. Allerdings sei mit der Stadt auch eine regelmäßige Evaluierung des auf drei Jahre angelegten Projekts vereinbart. Daher sei es schon möglich, dass Dinge übernommen würden. Inwieweit es aber in Bottrop auch vergleichbare Netzwerke gebe, die so ein Projekt tragen könne niemand sagen.

Kommentar: Das ist vorbildlich

Kai Süselbeck

Aus dem Bottroper Rathaus hört man manchmal nicht nur hinter vorgehaltener Hand: Die Kirchhellener sollten nicht immer nur nach der Stadt Bottrop rufen und schimpfen, weil diese Probleme nicht löse. Die Schaffung dieser Streetworker-Stelle ist ein leuchtendes Beispiel, dass das Dorf genau das nicht tut.

Zu Recht haben die Bezirkspolitiker immer wieder im Rathaus angeklopft und an die Zusage erinnert, auch in Kirchhellen aufsuchende Jugendarbeit zu betreiben. Aber dann haben sich Akteure aus dem Dorf zusammengesetzt nach dem Motto: Wenn die Stadt die Nummer nicht gestemmt kriegt, müssen wir halt ran.

Das ist vorbildlich: Statt über die Dunkelheit zu schimpfen, zünden wir ein Licht an. Die katholische Gemeinde St. Johannes hat schon mit ihrer Sommerkirche den Willen bewiesen, auf die Menschen zuzugehen statt darauf zu warten, dass sie in die Kirche kommen. Und ein Verein wie Philipp Neri ist im Dorf einfach unersetzlich.

Und jetzt sage bitte keiner, im Dorf sei die Welt doch noch in Ordnung und aufsuchende Jugendarbeit deshalb ein Luxus. Wer an einem Frühlingsabend mal an der Schulze-Delitzsch-Straße vorbeigekommen ist, hat eine Menge Kinder und Jugendliche gesehen, die mit sich nicht wirklich etwas Sinnvolles anzufangen wussten.