Bottrop. Gegen das geplante Baugebiet am Freitagshof wehren sich Anwohner. Doch es gibt auch Befürworter. Darum hoffen viele Familien auf einen Baustart.

Es gibt derzeit wohl kaum eine Wiese, über die in Bottrop emotionaler diskutiert wird. Für die einen ist es ein Stück schützenswerte Natur vor der Haustür, die anderen hoffen, hier irgendwann ein eigenes Haus oder eine eigene Wohnung beziehen zu können. Gegner der Bebauung am Freitagshof haben sich organisiert, sammeln Argumente und 1700 Unterschriften gegen das Baugebiet. Doch es gibt auch Befürworter. Vor allem Familien hoffen, sich hier ihren Traum von den eigenen vier Wänden verwirklichen zu können.

Einige der Interessenten haben sich nun zusammengetan, wollen Flagge zeigen, für das geplante Baugebiet werben. So waren einige von ihnen bereits in der Sitzung des Stadtplanungsausschusses. Auf Zetteln hatten sie ihre Botschaft ausgedruckt – „Pro Baugebiet Am Freitagshof“.

Viele Familien suchen in Bottrop schon seit Jahren ein Eigenheim

Viele von ihnen suchen schon seit vielen Jahren ein Eigenheim in Bottrop. Doch hier laufe es meist so ab: „Entweder man hat Glück und findet etwas über Vitamin B oder man muss mit den Sanierungskosten über 700.000 Euro in die Hand nehmen“, berichtet Christoffer Klejewski von seinen Erfahrungen. Seit vier Jahren suchen er und seine Frau nun schon nach der passenden Immobilie, inzwischen ist auch schon ein Sohn geboren worden. Das Baugebiet in Vonderort sei für die kleine Familie ideal, denn schon jetzt leben sie in dem beliebten Stadtteil im Bottroper Süden. „Wir könnten hier in unserem gewohnten Umfeld bleiben“, sagt der Familienvater. Deshalb setzen die Klejewskis nun voll auf den Freitagshof, haben die aktive Suche nach Alternativen erst einmal eingestellt.

Der zweijährige Elias hofft, dass seine Eltern hier in Vonderort bauen dürfen.
Der zweijährige Elias hofft, dass seine Eltern hier in Vonderort bauen dürfen. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Tatsächlich sind Eigenheime in Bottrop rar. Offen auf den Markt kommen nur noch wenige, viele werden schon vorher verkauft, etwa über Interessentenkarteien von Maklern. Am Mittwochmorgen zum Beispiel waren im größten Immobilienportal im Internet für ganz Bottrop 22 Häuser im Angebot – vom sanierungsbedürftigen 50-Quadratmeter-Zechenhaus aus den 1950er-Jahren für 130.000 Euro bis hin zum Wohn-und-Geschäftshaus in der Innenstadt für rund zwei Millionen Euro. Die Suche nach Eigentumswohnungen auf dem Portal lieferte 34 Treffer.

Vonderort ist für Familien ein attraktiver Stadtteil

Nadine Böhl ist Bottroperin, lebt derzeit in Gladbeck, will aber zurück in die Heimat ziehen. Bauplätze seien in Bottrop Mangelware, schildert sie ihre Erfahrungen. Seit rund dreieinhalb Jahren suchen sie und ihr Mann nun schon nach einem passenden Objekt. Vonderort sei die ideale Umgebung, gerade auch mit Kindern, so ihre Überzeugung. Sie weiß selbstverständlich auch, dass die Interessenten in dem Stadtteil nicht von allen Vonderortern willkommen geheißen werden. Sie hofft, dass sich das vielleicht noch ändert, dass man auch erkennt, worum es den Familien gehe.

Viele Anwohner nutzen die Wiese derzeit, um dort ihre Hunde auszuführen oder als Abkürzung in das angrenzende Wäldchen.
Viele Anwohner nutzen die Wiese derzeit, um dort ihre Hunde auszuführen oder als Abkürzung in das angrenzende Wäldchen. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Tatsächlich hat sich die politische Diskussion zuletzt vor allem an der Zahl der geplanten Wohneinheiten entzündet. Der Bauträger plant auf der Wiese 100 Wohneinheiten. Das heiße aber nicht, dass hier 100 Häuser gebaut würden, stellt Jens Noak klar und verweist auf die geplanten Mehrfamilienhäuser am Rand des neuen Baugebiets. Er hat bereits einmal mit dem Bauträger gebaut und will nun mit seiner Frau und den beiden Kindern nach Vonderort umziehen. Auch er betont, dass Vonderort für Familien ein gutes Umfeld biete, etwa mit der Nähe zum Revierpark.

Interessenten halten Sorgen um Kita-Kapazitäten für vorgeschoben

Zuletzt waren – etwa in der Bezirksvertretung Süd – Sorgen aufgekommen, dass die Kita nicht genügend Platz für neu zugezogene Familien biete. Dieses Argument hält Noak für vorgeschoben. Er beruft sich auf den Bauträger, spricht von 72 Interessenten bisher mit 28 Kindern. Die allerdings kämen ja nicht alle gleichzeitig in die Kita. Seine Kinder besuchten zudem eine Kita, da blieben sie auch im Falle eines Umzugs. „Ich glaube eben nicht, dass alle zur Kita in Vonderort wollen.“ Er hofft, dass es nun rasch los geht. Die Verzögerungen seien schlecht für die Interessenten, „denn wir wollen natürlich von den niedrigen Zinsen profitieren“. Deshalb hofft Noak auf eine schnelle Bürgerbeteiligung und nicht erst auf eine Versammlung, wenn die Corona-Pandemie es zulässt.

Die Sorgen der Gegner versuchen die Befürworter zu entkräften mit Verweis auf andere Siedlungen und die Pläne des Bauträgers. Auch da sei Grün vorgesehen und der Durchgang zum angrenzenden Wäldchen werden durch die Siedlung nicht versperrt. „Hier wird ja nicht alles zubetoniert“, sagt Lisa Schlierkamp. Sie will mit ihrem Verlobten aus Herne nach Bottrop ziehen. Die verkehrsgünstige Lage in Vonderort ist für das Paar wichtig.

Weniger Wohneinheiten würde wahrscheinlich die Preise in die Höhe treiben

Andere wie Christoffer Klejewski gehen davon aus, dass es am Ende nicht bei 100 Wohneinheiten bleiben wird, dass es weniger werden. Auch damit könnte er leben, sagt er. Eine Warnung kommt da aber von einem Vonderorter, der nicht gegen die Bebauung ist. Würde das Baugebiet zu klein, so sein Einwand, stiegen höchstwahrscheinlich die Kosten für die einzelnen Wohneinheiten. „Dann steht am Ende die Frage, wer sich das noch leisten kann und ob hier tatsächlich Wohnraum für Familien entsteht oder wieder nur der Premiumbereich abgedeckt wird“, so Michael Lorenz.

So geht es weiter mit dem Baugebiet in Vonderort

In den politischen Gremien wird das Baugebiet derzeit auch diskutiert. Zuletzt hat der Planungsausschuss weitere Schritte auf den Weg gebracht. Dabei stellten die Befürworter des Gebiets jedoch klar, dass die derzeit geplante Größenordnung nicht beibehalten werden muss. Auf Vorschlag der SPD wurde der Beschlussvorschlag daher noch einmal abgeändert, um das noch deutlicher herauszustellen. Demnach sind die derzeit vorliegenden Ideen lediglich ein Entwurf, auf der dann als Grundlage herangezogen und weiter entwickelt werde.

Auch die Grünen stellten klar, dass sie vor allem das Ausmaß der Bebauung ablehnen, mit weniger Wohneinheiten auf der Fläche durchaus leben könnten. Sprecher Burkhard Hölting nannte die Zahl 50 als akzeptable Größenordnung, was ihm Kritik von CDU-Sprecher Hermann Hirschfelder einbrachte. Man stehe am Anfang des Prozesses, nun gelte es auch festzustellen, wie der Bedarf dort aussehe. Auch die CDU sei bei der Zahl der Wohneinheiten nicht festgelegt. Allerdings hatte der CDU-Ortsverband Vonderort den 100 Wohneinheiten schon mehrfach eine Absage erteilt.

Fläche im Bottroper Süden sind schon lange als Bauland ausgewiesen

Hirschfelder verwies darauf, dass die Fläche seit vielen Jahren schon als Bauland ausgewiesen sei und der Eigentümer ein Recht darauf habe, dort zu bauen. „Über die Art und Weise der Bebauung entscheiden allerdings wir“, sagte er mit Blick auf den Ausschuss. Zum Interessenausgleich gehöre aber auch, die Interessen potenzieller neuer Anwohner mit in den Blick zu nehmen. Ähnlich äußerte sich SPD-Fraktionschef Thomas Göddertz. „„Wir wissen um die Not vieler Bottroperinnen und Bottroper, geeigneten Wohnraum zur Miete oder zum Kauf zu finden. Wir setzen uns für die Betroffenen ein und wollen schnell und nachhaltig Wohnraum in unserer Stadt schaffen – und zwar für jeden Geldbeutel.“

Am Ende stimmten Linke, DKP, ÖDP, AfD und Grüne gegen die Vorlage der Verwaltung mit den 100 Wohneinheiten. Die Zustimmung von SPD und CDU reicht aber für die nächsten Schritte aus. Nächster Schritt ist unter anderem die Offenlage der Pläne. Dann haben die Gegner der Bebauung die Möglichkeit ihre Einwendungen zu machen. Damit muss sich dann die Politik auseinandersetzen.

Gegner führen ökologisch Grüne gegen das Baugebiet ins Feld

Die führen vor allem ökologische Gründe an und berufen sich da auf Gutachten zum Artenschutz, das verschiedenen Insekten, die auf der Roten Liste stehen, dort aufführt. Allerdings könne man für diese Arten Biotope schaffen. Außerdem fürchten die Gegner klimatische Nachteile und eine zu starke Verkehrsbelastung in den engen Straßen rund ums Baugebiet. Dazu wurden Gutachten erstellt, die jetzt teils als Entwurf vorliegen und auch veröffentlicht werden. Demnach könnten die Straßen den zusätzlichen Verkehr aufnehmen.