Bochum. Viele Betriebe freuen sich über di e„hohe Lernbereitschaft und Teamfähigkeit“ ihrer neuen Lehrlinge.Immer öfter fällt Unternehmen aber auch auf, dass Bewerbern es an Grundfertigkeiten etwa in Deutsch und Mathematik. Um Azubis zu gewinnen, werben Firmen längst auf vielen Kanälen.

Der Ernst des Lebens hat für Hunderte von jungen Frauen und Männern vor einigen Wochen begonnen – Anfang August, spätestens Anfang September haben sie ihre Ausbildung begonnen. Mehr als 2000 neue Azubis gibt es in Bochum im ersten Lehrjahr 2014/15 – eine genaue Zahl liegt noch nicht vor.

Fakt ist, dass die Zahl der Ausbildungsverträge in den vergangenen Jahren abgenommen hat. Sie sank nach Angaben des Statistischen Landesamts von 3753 (2006/07) auf 3021 (2012/13). Und: Angebot und Nachfrage liegen weiterhin auseinander. 1962 betriebliche Berufsausbildungsstellen meldeten Unternehmen dem hiesigen Arbeitgeber-Service der Bundesagentur für Arbeit von Oktober 2013 bis August 2014. 2404 unversorgte Jugendliche standen dem gegenüber, 500 Lehrstellen waren noch unbesetzt.

Lehrstellen bleiben unbesetzt

Auffällig ist, dass nicht immer alle angebotenen Ausbildungsplätze vergeben werden können. Bei der Sparkasse fanden sich nach Auskunft des Hauses nur 19 geeignete Kandidaten, sechs weniger als sonst. Und die Arbeitgeberverbände (AGV) Ruhr/Westfalen erfuhren in einer ersten Umfrage unter ihren Unternehmen, dass elf Lehrstellen unbesetzt blieben. Wohl auch, weil Betriebe mangelnde Kenntnisse bei den Bewerbern feststellen. „Den potenziellen Auszubildenden fehlt es vielfach an Grundfertigkeiten in den Fächern Deutsch und Mathematik“, heißt es beim AGV. Zugleich haben sie von ihren Betrieben erfahren, dass es unter den neuen Azubis „eine hohe Lernbereitschaft und Teamfähigkeit“ gebe.

Irritiert zeigt sich derweil die Industrie- und Handelskammer (IHK) Mittleres Ruhrgebiet. Die, so Sprecher Jörg A. Linden, musste feststellen, dass von den 129 Mädchen und Jungen, die sie im Rahmen des Ausbildungskonsens NRW zu persönlichen Qualifizierungsgesprächen eingeladen hatte, um Wege für eine Aus- oder Weiterbildung auszuloten, nur die Hälfte erschienen; etliche davon blieben dem Treffen unentschuldigt fern.

Spürbar wird allmählich auch der demografische Wandel. Bei vielen Firmen ist die Zahl der Bewerbung zwar noch stabil. „Aber es wird schon etwas weniger“, sagt Wolfgang Komenda von der Eickhoff GmbH. Und Wolfgang Buschfort, Sprecher der Knappschaft-Bahn-See, bemerkt: „Die Qualität der Bewerbungen ist gleich geblieben, aber die Quantität hat nachgelassen.“

Längst nicht überall gehen so viele Bewerbungen ein wie bei der Ruhr-Universität, dem größten Arbeitgeber der Stadt mit 5600 Beschäftigten, der 1000 Interessenten auf seine 56 Lehrlingsstellen verzeichnete. Bei der Deutschen Annington fragten gar 2600 Bewerber nach einer Ausbildung im Unternehmen nach.

Katholisches Klinikum ist der größte Ausbilder 

Wer sein Ausbildungsangebot richtig platzieren will, der muss längst mehr tun als auf seinen guten Namen zu setzen, wenngleich auch das immer noch ein großes Pfund ist. Ausbildungsmessen sind für Behörden, Betriebe und Unis eine wichtige Börse, um sich zu präsentieren und Jugendliche zu gewinnen.

Damit aber will sich die Knappschaft nicht begnügen. Sie richtete erstmals für ihr Ausbildungsangebot einen eigenen Facebook-Auftritt ein. „Und das hat sehr geholfen“, sagt Wolfgang Buschfort. Sein Haus gehört mit 79 neuen Azubis, die meisten in und um Bochum, sowie 43 Regierungsinspektoranwärtern im Rahmen eines Studiums zu den großen Ausbildern der Stadt.

Eigenes Ausbildungs-Portal

Dazu gehört auch die Bogestra, mit knapp 2300 Beschäftigten einer der größten Arbeitgeber der Stadt. Das Nahverkehrsunternehmen hat seit 2012 einen eigenen Internet-Auftritt für die Ausbildung, das Portal „www.durchstarter.de“. „Wir stellen fest, dass wird immer stärker angenommen“, so Unternehmenssprecher Christoph Kollmann.

Wer allerdings auf dem Ausbildungsmarkt erfolgreich sein wolle, müsse alle Ressourcen ausnutzen. Daher hat die Bogestra erstmals mit zwei Youtube-Clips auf seine Angebote aufmerksam gemacht. Längst gibt es außerdem Kooperationen mit zwei Hauptschulen und die so entstandene Aktion Starter-Klasse.

Bochums größer Ausbilder ist ein Gesundheitsunternehmen. Nach dem Bergbau und Opel, den großen Job- und Lehrlings-Anbietern von gestern, hat heute das Katholische Klinikum mit seinen 366 Azubis das größte Angebot für den beruflichen Nachwuchs.

Allein 170 junge Frauen und Männer haben in diesem Ausbildungsjahr bei den KKB-Krankenhäusern begonnen. Die meisten sind in den Bereichen Pflege, Altenpflege und Physiotherapie tätig, aber auch neun Lehrlinge in Handwerksberufe gebe es, so Sprecher Jürgen Frech. Bereits zum dritten Mal in Folge habe zudem ein Absolvent des KKB die Auszeichnung des NRW-weit besten Absolventen der Ausbildung zum Gesundheitskaufmann erhalten.