Bochum. 29 Jahre lang arbeitete Thomas Wedde im Bochumer Opel-Werk. Dann entschied sich der 46-jährige Bochumer für einen Wechsel innerhalb des Konzerns und zog nach Rüsselsheim. Er wollte nicht bis zum bitteren Ende bleiben – und endlich wieder Sicherheit für sich und seine Familie haben.
„Wann können sie anfangen?“ Eine Frage, im Spätsommer 2013 gesprochen, die Thomas Wedde heute noch im Ohr hat. Es war der Tag, an dem sich seine unsichere Zukunft bei Opel in Bochum erledigte. Er hatte einen neuen Arbeitsplatz – bei Opel in Rüsselsheim.
Der 46-jährige Bochumer hat sich nach 29 Jahren im hiesigen Werk, in dem schon sein Vater 40 Jahre lang gearbeitet und in dem er selbst 1985 mit seiner Ausbildung zum Energieanlagenelektroniker begonnen hatte, für einen Wechsel vom Ruhrgebiet nach Hessen entschieden. Seit dem 1. November schafft er „beim Opel“ – so sprechen sie dort unten. Als würde der Gründer eines ruhmreichen Automobilherstellers noch leben.
Ob bei Opel oder beim Opel. Vor allem ist Wedde froh, wieder eine Perspektive für sich und seine Familie zu haben. „Ich war schon sehr traurig und verärgert vor einem Jahr, weil die Unsicherheit in Bochum so groß war“, sagt er. „Ich konnte auch die Fragen von Freunden und Verwandten nicht mehr hören, wie es denn aussehe und was denn schon wieder wäre.“
Eigentlich habe er ja bis zum bitteren Werksende bleiben wollen. Da, wo er nach vielen Fort- und Weiterbildungen erst in der Instandhaltung gearbeitet und sich später mit schlanker Fertigung, Trainingskoordination und innerbetrieblichem Vorschlagswesen beschäftigt hatte. „Aber dann habe ich im Vorjahr einen Tag vor unserem Urlaub mein Schicksal in die Hand genommen und eine Bewerbung abgeschickt.“ Das sei genau die richtige Entscheidung gewesen.
3300 Beschäftigte sind betroffen
3300 Beschäftigte verlieren am Jahresende ihren Job im Opel-Werk I.
265 können ins Warenverteilzentrum wechseln, 200 hat Opel angeboten, innerhalb des Unternehmens an einen anderen Standort zu wechseln. Allen anderen bliebe die Transfergesellschaft oder die Abfindung und eine Neuorientierung.
Pros und Contras abwägen
Der Entschluss, innerhalb des Konzerns zu wechseln, sei sicher kein Patentrezept: „Das muss jeder für sich entscheiden und seine persönliche Situation abklopfen.“ Sein Tipp: Alle Pros und Contras aufschreiben, einen Strich drunter ziehen und beide Seiten abwägen. „Das kann ich nur jedem raten.“ Für ihn sei es um die Frage gegangen: Selbstständigkeit, andere Firma oder anderer Opel-Standort? Bei der Entscheidung für Rüsselsheim sei von Vorteil gewesen, dass er dort schon 2011 ein halbes Jahr an einem Projekt gearbeitet habe. „Ich wusste wie es dort läuft und worauf ich mich einstellen muss.“
Als „glücklichen Umstand“ bezeichnet er, dass sich auch seine Frau Petra und Sohn Sven (15) schnell mit dem Gedanken an den Umzug anfreunden konnten und ihn voll unterstützen. „Wir leben da, wo das Geld verdient wird“, habe seine Frau gesagt. Das Haus am Ümminger See werden sie verkaufen, die Schwiegermutter mitnehmen. Weddes Mutter habe sich entschieden, in Bochum zu bleiben.
Und der Ortswechsel geht auch, weil die Hessen und Pfälzer nach bisheriger Kenntnis des Ruhris Wedde auch schwer in Ordnung sein können. „Klar, nicht alle streuen Rosen, wenn ein Neuer kommt. Aber ich bin hier herzlich aufgenommen worden. Die Leute sind gar nicht stieselig wie man mal hörte wenn man von Rüsselsheim sprach. Im Gegenteil. Sie sind so offen und direkt wie man es den Ruhrgebietlern nachsagt.“
Wochenendbeziehung mit der Familie
Deshalb hat er sich gut eingelebt, auch wenn er und seine Familie noch eine Wochenendbeziehung führen. Montags macht sich Thomas Wedde kurz vor fünf in Langendreer auf den Weg nach Süden und kehrt am Freitagabend wieder zurück – 520 km hin und retour. Erst im Sommer, wenn sein Sohn die zehnte Klasse beendet hat und in der Rhein-Main-Gegend in ein Wirtschaftsgymnasium wechselt, wird es zur „Familienzusammenführung“ kommen.
Bis dahin erkundet Wedde in seiner Freizeit schon mal die Umgebung. Momentan wohnt er rechtsrheinisch in Ginsheim – der „Spargelseite“, die mit dem flachen Landschaftsprofil gut geeignet ist für Radausflüge, belegt mittwochs einen Englischkurs, joggt abends am Rhein und trifft sich jeden Dienstagabend mit anderen ehemaligen Opelanern aus Bochum. Ein bisschen alte Heimat muss auch in der neuen Heimat sein.