Bochum. Opel hat in Bochum seine Job-Börse für insgesamt 3300 Beschäftigte offiziell eröffnet. 1000 offene Stellen werden bislang angeboten. In den nächsten Tagen werden sich die ersten Firmen mit ihren Angeboten vorstellen. Bereits jetzt zeigt sich: Die gut ausgebildeten Fachkräfte sind sehr gefragt.
Es klingt paradox: Ein Arbeitgeber verfügt über bestens ausgebildete Beschäftigte und treibt sie anderen Unternehmern in die Arme – und das in Zeiten von Fachkräftemangeln und demografischem Wandel. Mit seinem „Forum für Berufsperspektiven“ beschreitet Opel in Bochum ungewöhnliche Pfade.
Der Autobauer erlaubt anderen Firmen auf seinem eigenen Werksgelände während der Arbeitszeit für einen Firmenwechsel zu werben, hat dafür eigens Räume geschaffen, bezahlt eine mögliche Probearbeitszeit und gewährt im Falle des Wechsels noch in diesem Jahr sogar ein Rückkehrrecht, wie Ulrich Schumacher, Personalvorstand von General Motors Europa, bei der Vorstellung des Projekts kund tat.
Mehr als nur abfinden
„Früher wäre so etwas undenkbar gewesen“, sagt Henning Wallentowitz und meint damit allein die Tatsache, dass die Firmen X,Y und Z überhaupt offen und mit Unterstützung von Opel im Personalbestand von Werk 1 fischen dürfen. Der Mann muss es wissen. Er war Leiter des Instituts für Kraftfahrwesen an der RWTH Aachen und hat für viele Autobauer gearbeitet.
Betriebsrat sieht einen Widerspruch
GM-Vorstand Schumacher kündigte nicht nur an, dass er von einem baldigen Abschluss des Sozialtarifvertrags ausgehe. Er versprach, dass jeder Opelaner, der 2014 in ein anderes Unternehmen wechsle, eine Rückkehrgarantie bekomme, „sollte der Neustart nicht klappen“. Und: „Wir werden keinen Mitarbeiter aufhalten.“ Jeder, der eine Chance bekomme, könne gehen.
Genau das aber bezweifelt Betriebsratsvorsitzender Rainer Einenkel. Die Funktionsfähigkeit des Werks, das in diesem Jahr insgesamt 90 000 Autos bauen soll, sei mit Leiharbeitern oder auch Beschäftigten etwas aus dem polnischen Werk nicht aufrecht zu erhalten.
Mehr als nur abfinden will Opel seine Beschäftigten, heißt es. Beschäftigte, „die mit ungebrochener Hingabe“ weiter ihre Aufgaben erledigen, so Betriebsleiter Manfred Gellrich. Beschäftigte, insgesamt 3300 an der Zahl, die Opel wegen des Endes der Autoproduktion Ende 2014 aber nicht mehr haben will.
„Aus der Arbeit in die Arbeit ist der beste Weg“
Mit der Vermittlung „wollen wir etwas Neues wagen“, sagt Personalleiterin Bettina Dunkel, die die einzigartige Jobbörse entwickelt hat und die hofft, dass so viele Opelaner wie möglich schon jetzt einen Neuanfang wagen. Denn: „Aus der Arbeit in die Arbeit ist der beste Weg“, argumentiert Christiane Schönefeld, NRW-Chefin der Bundesagentur für Arbeit.
Dass die Bochumer Belegschaft gefragt ist, machten einige Firmenvertreter deutlich: „Wir können Opelaner gut gebrauchen“, sagt Renate Schmidt, Personalleiterin bei Avery Dennison aus Schwelm. 50 Beschäftigte, von Führungskräften bis Mitarbeitern für die Produktion, sucht der Hersteller von Basismaterial für selbstklebende Etiketten allein in diesem Jahr. Mit einem zweistelligen Millionenbetrag erweitert er gerade seinen Standort.
Potenzial auf dem Arbeitsmarkt gebe es genügend
Gut gebrauchen kann Leute auch die Stölting-Gruppe aus Gelsenkirchen, die Gebäudedienstleistungen anbietet. Vertriebsleiter Marc Musebrink: „Wir wachsen und brauchen eine Vielzahl von Mitarbeitern.“ Sehr interessiert, so Geschäftsführer Carsten Laakmann, an Opel-Karosseriebauern ist Thyssen Krupp System Engineering, das für AMG in Baden-Württemberg Sportwagen herstellt. Sie alle werden sich mit ihren Jobs in der eigens zum Teil umgebauten fünften Etage in Werk I präsentieren.
Viele Gewinner
Ein Flur, zwei große Präsentationsräume, einige Büros für persönliche Gespräche – das ist das Forum der Berufsperspektive. Die Chance für 3300 Opelaner, vielleicht eine neue Arbeit zu bekommen, die ähnlich sicher und gut bezahlt ist wie es ihre bisherige war, ist verortet auf der fünften Etage im Verwaltungsgebäude von Werk I. Für GM-Vorstand Ulrich Schumacher ist der Ort „ein Symbol dafür, dass aus Altem Neues entstehen kann“.
Schön gesprochen, aber nun müssen Taten folgen. Tatsächlich darf sich der Autobauer brüsten, neue Wege zu beschreiten und mehr zu tun als andere Arbeitgeber in der Vergangenheit für ihre Leute getan haben. Das indes, lassen wir uns nichts vormachen, tut er nicht aus Menschenliebe, wie er auch nicht anderen Firmen aus selbiger eine gut ausgebildete Belegschaft nachträgt. Es geht auch und gerade darum, der Welt ein positives Opel-Gesicht zu geben. Das kostet – Zeit und Geld.
Am Ende könnte die Beschäftigungs- und Marketing-Maßnahme eine Win-Win-Win-Situation sein: Die Belegschaft bekommt Beschäftigung, das Unternehmen ein aufpoliertes Image und andere Firmen dringend benötigtes Personal. Das passt.
Andreas Rorowski
Potenzial auf dem Arbeitsmarkt gebe es genügend, versichert Christiane Schönefeld (Agentur für Arbeit), 13 520 Stellen sind in der Region Duisburg - Recklinghausen - Hagen frei. Konkrete Stellenangebote gibt es auch: 600 von anderen Firmen seien in Bochum bereits eingegangen, dazu kommen knapp 400 im eigenen Haus (Warenverteilzentrum, Werke Rüsselsheim und Kaiserslautern). 1000 Opelaner könnten theoretisch damit schon eine neue Perspektive haben. Für weitere 2300 wird sie noch gesucht.