Bochum. Die komplette Ratsfraktion der Linken in Bochum kündigte am Mittwoch ihren Rückzug an. Grund sei ein unrealistisches Wahlprogramm der Partei. Eine wichtige Rolle in dem Streit spielt aber auch die Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen und die Soziale Liste.

Bochums Linke verlieren im Mai nahezu ihr komplettes Gesicht. Sowohl die sechsköpfige Ratsfraktion um den Vorsitzenden Uwe Vorberg (49) als auch fünf von acht Mandatsträgern aus den Bezirksvertretungen kündigten am Mittwoch an, bei der Kommunalwahl am 25. Mai nicht mehr für die Linke anzutreten.

„Leider ist es uns aus inhaltlichen Gründen nicht möglich, auf Grundlage dieses Kommunalwahlprogrammes zu kandidieren“, teilte Vorberg mit. Die Ratsmitglieder Aygül Nokta, Bianca Schmolze, Ralf Feldmann, Arnold Vogel und Ernst Lange sowie die Bezirksvertreter Petra Malik (Südwest), Wolfgang Wendland (Wattenscheid), Martin Fechtelkord (Ost), Karin Plagge und Günter Fuhrmann (beide Mitte) steigen ebenso aus.

Linke kandidieren für Soziale Liste

Viele der am vergangenen Freitag auf einem Parteitag fürs Wahlprogramm formulierten „Wünsch-dir-was-Positionen“ seien nicht realisierbar, sagt Vorberg. Er könne es „den Bürgern nicht versprechen, so etwas umzusetzen“. Zum einen enthalte das Programm falsche Behauptungen, zum anderen völlig unrealistische Forderungen. Mit Blick auf die Steag behaupte die Partei wider besseren Wissens, dass der Stadt Bochum U-Boote gehören, andererseits werde verlangt, dass die Stadtwerke sich von allen Beteiligungen an Kohlekraftwerken trennen, nennt Vorberg zwei Beispiele.

Das eine sei „Unsinn“ und das andere „ein hohes Risiko für die Stadtwerke, die Pleite nicht ausgeschlossen“. Nicht mittragen wollen die Aussteiger auch die kategorische Ablehnung von Gebührenerhöhungen. Solange diese nachvollziehbar seien, müssten Mandatsträger zustimmen. Anderenfalls seien Tariferhöhungen nicht mehr möglich oder Abstriche beim Service unvermeidbar.

Völliges Unverständnis für den Schritt von Vorberg und Co. äußerte im Gespräch mit der WAZ indes Kreissprecher David Staercke (44). „Das hat mich aktuell umgehauen, ich bin von den Socken.“ Auf der Versammlung am Freitag habe man „an ganz vielen Stellen Konsens erzielt“. Differenzen habe es allenfalls bei „fünf Prozent“ der Themen gegeben. „Darum schockiert mich das ja so.“

Richtungsstreit wird auf Bundesebene erbittert geführt

Hintergrund der Auseinandersetzung ist der allseits bekannte Richtungsstreit in der Partei, den die Linken auf Bundesebene erbittert führen. Auch in Bochum treffen nun die Linksfundamentalisten um die Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen auf die Realpolitiker der Fraktion um Uwe Vorberg.

„Dagdelen ist es in den letzten beiden Jahren gelungen, mit kadermäßig betriebener Personalpolitik eine Mehrheit im Kreisvorstand zu erringen“, sagt Ralf Feldmann. Jetzt folge konsequent die Übernahme der Ratsfraktion.

Feldmann stört zudem, dass der Vorsitzende der Sozialen Liste, Christoph Nitsch, immer noch Mitglied der Linken ist und zur Kommunalwahl für die SL antreten will. Staercke: „Bis zur Aufstellung der Kandidaten ist noch Zeit. Ich bin im Gespräch mit Nitsch.“