Bochum. . Mit überwältigender Mehrheit beschloss der Stadtrat am Donnerstag im Beisein von Minister Garrelt Duin die Gründung der „Bochum Perspektive 2022“. Der Beschluss zurrt die Zusammenarbeit von Stadt und Opel fest, wenn auch noch nicht so fest und konkret wie sich das viele Ratsvertreter gewünscht hätten.
Bochum hat eine Perspektive. Formal durch eine gleichnamige Gesellschaft – mit überwältigender Mehrheit beschloss der Stadtrat gestern die lange vorbereitete Gründung der „Bochum Perspektive 2022“. Aber auch inhaltlich hat dieser Beschluss große Tragweite. Er zurrt die Zusammenarbeit der Gesellschafter EGR als Stadttochter (51 Prozent) und der Adam Opel AG (49) fester, wenn auch noch nicht so fest und konkret wie sich das viele Ratsvertreter gewünscht hätten. Er sichert den Zugang zu Fördertöpfen die, so versicherte NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD), der Stadt offen stehen. Außerdem sende die Gründung ein Signal aus: „Bochum hat Potenzial und ist eine Stadt mit Zukunft“, so Duin. SPD-Fraktionschef Peter Reinirkens blies ins gleiche Horn: „Die Gründung ist ein Bochumer Signal, dass in die ganze Region ausgesendet wird.“
Dass Opel-Vorstandsmitglied Ulrich Schumacher ein Bekenntnis zur Stadt („Wir bleiben in Bochum und übernehmen Verantwortung“) und zur Mitarbeit des Autobauers am Strukturwandel abgab („Wir sind dem Standort, den Opelanern und den Menschen in Bochum verpflichtet“), nahmen die Fraktionen mit einer gewissen Anerkennung auf. Aber die Kritik am Unternehmen war dennoch unverhohlen. Roland Mitschke (CDU) wies auf verloren gegangenes Vertrauen hin, das erst wieder neu wachsen müsse. Uwe Vorberg (Linke) argumentierte, der plötzliche Schwenk in Sachen Werk II sei „keine Voraussetzung für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit“. Und selbst Minister Duin erinnerte daran, dass schnelle Personalwechsel im Management von General Motors und Opel in der Vergangenheit die Gespräche erschwert haben.
Baurechtliche Weichen müssen gestellt werden
Vor allem die Ungewissheit darüber, welche Flächen von Werk II wann verlässlich an die Gesellschaft übergeben werden und ob und in welcher Weise sich Opel an Sanierungskosten beteiligen wird, standen im Fokus der Kritik. Das Unternehmen müsse „seinen Verpflichtungen und seiner Verantwortung nachkommen und sich in angemessener Form an Kosten beteiligen“, mahnte Manfred Preuß, Fraktions-Chef der Grünen.
Symbole schaffen noch keine Jobs
Symbolpolitik nennt man gemeinhin das, was die überwältigende Mehrheit des Rates gestern mit dem Beschluss zur Gründung der Gesellschaft „Bochum Perspektive 2022“ auf den Weg gebracht hat. Ob den vielen großen Worten schnell große Taten folgen? Zweifel sind angebracht.
Wirklich konkret ist die „Perspektive“ zurzeit ja nur in einem Punkt: Opel vernichtet vor Ort rund 2800 Arbeitsplätze. Mit welcher Summe sich Opel an der Entwicklung der Flächen beteiligt und wie diese den Weg in die GmbH finden, das steht in den Sternen. Hoffentlich bald aber auch in der Vereinbarung zum Gesellschaftsvertrag, wie es Stadt und Opel besprochen haben. Aufgabe der Lokalpolitik muss es sein, diesen Anhang einzufordern und dabei Tempo zu machen.
Apropos Tempo. Ihr „Ja“ begründeten viele Ratsmitglieder trotz aller Vorbehalte gestern mit: „Wir dürfen keine Zeit verlieren.“ Das ist aller Ehren wert – mit einem Partner wie Opel an der Seite aber nichts wert. Die neuen Pläne für Werk II (Ausbau Warenlager) kosten Bochum im Kampf um neue Arbeitsplätze ein ganzes Jahr.
Thomas Schmitt
Einen langen Atem müsse die Stadt bei der Entwicklung der Opel-Alternative haben, so Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz. Und nach Einschätzung von Roland Mitschke geht dies noch über 2022 hinaus. Auch Gutachter Professor Rolf Heyer (NRW.Urban) ließ durchblicken, dass die Vergabe aller Flächen und der Umbau der Infrastruktur Zeit in Anspruch nehmen werde, auch wenn es nicht so lange dauern soll wie etwa bei der Hattinger Hen-
richshütte. Dort habe der Strukturumbau etwa 20 Jahre gedauert.
Schnell muss Bochum dennoch sein: In den nächsten Monaten müssen Verwaltung und Politik die baurechtlichen Weichen für die neue Entwicklung stellen, müssen Förderanträge geschrieben und möglichst bald auch das Areal beworben werden. Dafür muss nach Überzeugung von Professor Heyer ein Begriff her. „Wir müssen dem Kind einen Namen geben.“ Denn: Opel-Nachfolgefläche ist nicht nur sperrig, sondern auch rückwärts gewandt. Tatsächlich aber, auch darin sind sich die meisten Ratsvertreter einig, muss sich die Stadt mir ihrer buchstäblich einzigartigen Fläche nach vorne orientieren. Die Oberbürgermeisterin ist überzeugt: „Wir haben eine gute Grundlage.“
Stimmen aus der Sitzung
„Mir ist besonders wichtig, dass wir hier Verantwortung übernehmen. Weil wir nicht einfach den Schlüssel auf den Tisch legen und sagen, wir sind dann mal weg. Wir (...) wollen diese Flächen zu einem symbolischen Euro an die Gesellschaft übertragen.“
Ulrich Schumacher (Opel)
„Das Land steht bereit, die unrentierlichen und förderfähigen Kosten der Entwicklungsgesellschaft zu fördern. Das Land wird sich seiner Verantwortung dort stellen und die entsprechenden Förderungen ermöglichen und zur Verfügung stellen.“
Garrelt Duin (NRW-Wirtschaftsminister)
„Wir brauchen Klarheit, welche Flächen gehen wann ins Eigentum der neuen Gesellschaft. Herr Schumacher, erklären Sie sich zu den rechtlichen Verpflichtungen für Sanierung und Entsorgung der Flächen. Eine Freistellung von dieser Verpflichtung ist nicht möglich.“
Roland Mitschke (CDU)
„Aufgabe des Rates ist nicht das operative Geschäft, sondern der Rat gibt Leitlinien vor. Die Risiken sind allen Beteiligten hier klar. Das größte Risiko aber besteht darin, dass um dieses Gelände ein Zaun gezogen wird.“
Manfred Preuß (Grüne, mit Blick auf einen WAZ-Kommentar)