Bochum. Die Kandidatenkür für die Europawahl und die Ausrichtung der Partei standen beim Bundesparteitag der Piraten im Bochumer Ruhrcongress im Vordergrund. Zwei Bochumer Landtagsabgeordnete der Partei sagen: Die Kernthemen der Piraten müssten wieder in den Vordergrund treten.

Das Bild spricht Bände. Mit eingeholtem Segel liegt das Schiff der Piratenpartei, die Orange Pearl, auf dem Vorplatz des Ruhrcongresszentrums. Die Senkrechtstarter der Politszene erleben eine tiefe Flaute, die natürlich beim Bundesparteitag am Samstag und Sonntag auch eine der Themen war. „Wir haben Fehler gemacht – auf Bundes- und Landesebene“, gesteht Simone Brand (46), die stellvertretende Vorsitzende der NRW-Landtagsfraktion. Das habe „nach dem Hype rund um die Landtagswahl“ viel Anerkennung bei den Menschen gekostet.

Aber: Die Bochumerin sieht ebenso wie Monika Pieper (50), Gründungsvorsitzende der Piraten in Bochum und Parlamentarische Geschäftsführerin der NRW-Fraktion, ihre Partei geläutert. Die Karrieristen träten aus, auch die Vertreter „spezieller Interessen“ seien nicht mehr da. Stattdessen gebe es einen spürbaren Bewusstseinswandel. Die Piraten seien im Begriff, sich zu professionalisieren. „Wir können nicht alles basisdemokratisch entscheiden. Wir brauchen Strukturen und Entscheidungskompetenzen“, so Pieper. Und mittlerweile hätten alle begriffen, dass es falsch gewesen sei, auf den Vorwurf, nur eine Ein-Thema-Partei zu sein, mit Äußerungen zu allem Möglichen zu reagieren. Die ureigene Piraten-Themen wie Datenschutz und Transparenz und damit das Alleinstellungsmerkmal zu pflegen, das sei wichtig.

Pragmatische Politik

Die Haltung der beiden Realos aus Bochum mag bei ihrem „Heimspiel“ in unmittelbarer Nachbarschaft zum rewirpower-Stadion nicht jedem Piraten zwischen Flensburg und Füssen gefallen. Aber der Zuspruch für pragmatische Politik wachse. „Es reicht nicht, zusammen zu sitzen und nur gute Ideen zu entwickeln“, so Simone Brand. Schon gar nicht in einem Parlament.

Womit das Duo keineswegs eine Abkehr von den basisdemokratischen Tugenden ihrer jungen Partei betreibt. Im Gegenteil: Beim anstehenden Kommunalwahlkampf werden sich die Piraten vor allem für mehr Teilhabe am politischen Entscheidungsprozess einsetzen. So sollen Bürger etwa bei Investitionen im größerem Umfang wie bei der geplanten Shoppingmall auf dem jetzigen Gelände des Landgerichts mitbestimmen können. Und informieren sollen sie sich über die lokale Politik verständlicher und nachvollziehbarer als das bislang über das Ratsinformationssystem möglich sei. „Andere Städte machen vor, dass das geht“, so Pieper und führt als Beispiele Köln oder München an. Stichwort „Open Data“.

Kommunalwahl am 25. Mai

Die beiden Frauen werden in zwei Wochen für die Kommunalwahlliste ihrer Partei kandidieren. Nachdem sie sich im Landtag parlamentarisches Know how erworben haben, wollen sie dieses auch auf kommunaler Ebene nutzen – unbeschadet von Stimmen auch im eigenen Lager, die Mandate in mehreren Parlamenten nicht gutheißen.

Ohnehin sei momentan die Kommunalwahl wichtiger als die Europawahl, weil es den Piraten durch den kometenhaften Aufstieg und den Einzug in Landesparlamenten an politischer Basis in den Stadträten fehle. Das solle sich ändern. Gewählt wird in NRW am 25. Mai. Dann wollen die Piraten mit Sitz und Stimme im Bochumer Stadtrat dabei sein und womöglich mehr bewegen als das momentan offenbar in Düsseldorf möglich ist.

„Als kleinste Oppositionsfraktion nicht wahrgenommen zu werden“, ist manchmal bitter, gesteht Monika Pieper. Ebenso die Erkenntnis, dass andere Fraktionen keine ernsthafte inhaltliche Auseinandersetzung mit den Piraten-Vorschlägen führten und bestenfalls diese Ideen später im umgewandelter Form in eigene Anträge kleideten.