Bochum. Jahrelang verordnete der Autobauer Opel seinen Betriebsrentnern Nullrunden, aber offenbar mussten nicht alle verzichten. In Einzelfällen hat es Erhöhungen der Betriebsrenten gegeben. Das sorgt für Ärger. Einige Opel-Betriebsrentner begehren auf.

Ehemalige Opel-Beschäftigte begehren auf, weil ihnen der Autokonzern seit Jahren keine Erhöhung ihrer Betriebsrenten gewährt hat. „Ich kenne viele ehemalige Opelaner, die das Unternehmen Jahr für Jahr anschreiben, um eine höhere Betriebsrente zu erhalten. Doch mit Verweis auf die wirtschaftliche Situation hat es immer wieder Absagen gegeben“, erzählt Norbert Spittka (64), der selbst jahrelang bei Opel in Bochum beschäftigt war und seit 2009 Rentner ist. Nicht einmal ein Inflationsausgleich sei gewährt worden. Angesichts der allgemeinen Teuerung mussten frühere Opel-Mitarbeiter also faktisch eine Kürzung ihrer Altersbezüge hinnehmen.

Auch Werner Günther (57) aus Gelsenkirchen ist sauer auf seinen früheren Arbeitgeber. „Seit 2007 bin ich Rentner. In der gesamten Zeit wurde meine Betriebsrente nie erhöht“, schimpft Günther.

Steht Opel vor Millionen-Nachzahlung an Betriebsrentner?

Für Unmut sorgt insbesondere, dass es in Einzelfällen Anhebungen von Opel-Betriebsrenten gegeben hat. „Ich kenne einen Kollegen, bei dem Opel die Betriebsrente erhöht hat“, berichtet Günther. „Der eine bekommt mehr, der andere nicht. Das ist doch sonderbar. Wo ist denn da die Gerechtigkeit?“

Auch interessant

Spittka und Günther fordern nun Nachzahlungen vom Unternehmen. „Ich gehe davon aus, dass Opel zu Nachzahlungen an einige tausend Betriebsrentner verpflichtet werden kann“, sagt Spittka. „Ich denke, dabei dürfte es insgesamt um Millionensummen gehen.“

Spittka hat Unterlagen gewälzt, recherchiert und kommt nun zu der Einschätzung: „Opel hat sich dazu verpflichtet, regelmäßig Erhöhungen der Betriebsrenten vorzunehmen – und zwar unabhängig von der wirtschaftlichen Situation. Das Ganze geht aus einer schriftlichen Zusage aus dem Jahr 1991 zwischen Vorstand und Betriebsrat hervor, die bis heute Gültigkeit hat.“

Opel gewährte „bestimmten Personenkreisen“ eine höhere Betriebsrente

Der Konzern bestätigte auf Anfrage die Renten-Nullrunden, räumte aber zugleich ein, dass es für einige Opel-Betriebsrentner einen Aufschlag gegeben habe. Die wirtschaftliche Situation der Adam Opel AG habe eine Erhöhung der Betriebsrenten „in den vergangenen Jahren nicht erlaubt“, heißt es in der Stellungnahme. „Unabhängig von der gesetzlichen Pflicht zur Überprüfung und Anpassung der Betriebsrenten hatte sich die Adam Opel AG jedoch gegenüber bestimmten Personenkreisen verpflichtet, deren Betriebsrenten um einen bestimmten individualisierten Mindestbetrag zu erhöhen.“ Viele Details ließ der Konzern aber offen.

Der Bochumer Opel-Betriebsratschef Rainer Einenkel zeigte sich überrascht darüber, dass es vereinzelt Erhöhungen der Betriebsrenten gegeben haben soll. Viele Jahre lang war der Betriebsrat Überbringer der Nachricht, Opel lehne wegen der finanziell angespannten Situation ein Plus bei den Betriebsrenten ab.

Auch interessant

Für viele frühere Opelaner ist die Betriebsrente ein wichtiger Bestandteil ihrer Altersversorgung. Die Höhe der Zahlungen fällt – je nach Gehalt und Betriebszugehörigkeit – unterschiedlich aus. Mal geht es um 200 Euro pro Monat, mal sind es 400 oder 900 Euro zusätzlich zur gesetzlichen Rente. Mittlerweile sollen weit mehr als zehn Jahre vergangen sein, in denen die Betriebsrenten bei Opel stagnieren.

„Bei Unstimmigkeiten hilft nur ein Gang vors Gericht“

Wolfgang Sperling vom Fachverband Betriebsrentner e. V. ermuntert Betroffene grundsätzlich dazu, hartnäckig zu sein. „Vornehme Zurückhaltung zahlt sich nicht aus“, sagt er. „Bei Unstimmigkeiten hilft nur ein Gang vors Gericht. Leider muss sich jeder Einzelne sein Recht erkämpfen. Sammelklagen sind grundsätzlich nicht möglich.“ Daher sei es ratsam, auch im Ruhestand eine Rechtsschutzversicherung zu behalten, die das Arbeitsrecht beinhaltet.

Dass sich Beharrlichkeit auszahlen kann, zeigt der Fall Thyssen-Krupp. Der Konzern hatte unlängst Nachzahlungen an Betriebsrentner angekündigt und sein System umgestellt. Bislang hatte Thyssen-Krupp die Betriebsrenten alle drei Jahre pauschal um drei Prozent angehoben. Der Gesetzgeber schreibt aber den Ausgleich der Teuerungsrate vor, die zuletzt deutlich höher lag.

Betriebsrentner erwägt rechtliche Schritte gegen Opel 

Meist habe nur derjenige Erfolg, der sich intensiv bei den Unternehmen um eine Betriebsrenten-Erhöhung bemühe, sagt Sperling. „Das Verhalten mancher Firmen erinnert stark an Gutsherrenmentalität.“ Und die Kräfteverhältnisse seien ungleich verteilt. „Betriebsrentner haben praktisch keine Lobby. Die Politik stellt sich taub.“

Sperling vermutet, dass auch die Unternehmen ungern öffentlich über das Thema sprechen, damit die Betroffenen nicht auf die Idee kommen, höhere Ansprüche geltend zu machen. „Manchen Betriebsrentnern wurde eine Erhöhung zugebilligt mit der ausdrücklichen Auflage, darüber Stillschweigen zu bewahren. Das hat ein gewisses Geschmäckle.“

Bei Opel kochen nun die Emotionen hoch. „Es ist nicht in Ordnung, wenn Promis wie Jürgen Klopp fette Werbeverträge von Opel bekommen und für die einfachen Betriebsrentner kein Geld mehr da sein soll“, sagt Werner Günther aus Gelsenkirchen. Und der Bochumer Norbert Spittka zeigt sich entschlossen, in der Sache am Ball zu bleiben.

„Meine Geduld neigt sich dem Ende entgegen. Ich habe eine Anwältin eingeschaltet, die sich mit dem Fall befasst und rechtliche Schritte gegen Opel prüft“, sagt er. „Ich denke, viele Opel-Rentner dürften hellhörig werden, wenn sie sich mit dem Thema befassen.“