Duisburg. . Der kriselnde Stahl- und Technologiekonzern Thyssen-Krupp muss nach einem Gerichtsurteil tausenden Ex-Mitarbeitern Betriebsrenten nachzahlen. Die Gewerkschaft IG Metall hat ihre betroffenen Mitglieder aufgefordert, Anträge auf Neuberechnung der Betriebsrente zu stellen.

Auf den angeschlagenen Technologie- und Stahlkonzern Thyssen-Krupp rollen neue Kostenbelastungen zu. Tausende Betriebsrentner stellen auf Anraten der Gewerkschaft IG Metall Anträge auf Neuberechnung der Betriebsrente, weil das Unternehmen nach einem Gerichtsurteil zumindest im vergangenen Jahr zu wenig bezahlte.

Ein Mitarbeiter, der von 1964 bis 1998 bei Thyssen-Krupp Uhde in Dortmund arbeitete, war vor das Bundesarbeitsgericht gezogen. Die Richter gaben seiner Klage statt und verurteilten den Konzern zu Nachzahlungen. So erhält der Rentner rückwirkend zum 1. Mai 2008 eine um 61,32 Euro brutto höhere Betriebsrente – insgesamt 2171,69 Euro jährlich plus einmalig 981,12 Euro als Nachzahlung.

Neue Berechnung beantragt

Die Berechnung der Betriebsrente ist kompliziert. Das „Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersvorsorge“ sieht vor, dass die Betriebsrente mindestens alle drei Jahre an den Kaufkraftverlust angepasst wird. Auch Thyssen-Krupp erhöhte alle drei Jahre die Betriebsrente, aber nicht auf dem Niveau der Inflationsrate. In Anlehnung an die Umlaufrendite für öffentliche Anleihen, die das Statistische Bundesamt veröffentlicht, legte das Gericht für die Jahre seit 2006 Prozentsätze von 3,7 bis 4,3 Prozent zugrunde. Thyssen-Krupp gewährte aber nur eine „garantierte Mindestanpassung“ von drei Prozent, wie eine Konzernsprecherin gegenüber dieser Zeitung erklärte. „Ziel war eine für den Rentner und den Arbeitgeber besser planbare und verlässliche Rentenanpassung, die auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten gewährt wird.“ Denn vor Gericht machte Thyssen-Krupp deutlich, dass es die wirtschaftliche Lage des Konzerns nicht erlaube, die volle Teuerungsrate bei der Betriebsrente auszugleichen. Die Ertragslage unterliege „erheblichen Schwankungen“.

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Richterschelte für Thyssen-Krupp

Eine Argumentation, die die Bundesarbeitsrichter brüsk zurückwiesen. Thyssen-Krupp habe „nicht hinreichend dargelegt, dass ihre wirtschaftliche Lage eine Anpassung der Betriebsrente des Klägers an die volle Teuerungsrate nicht zuließ“, heißt es in der Ur­teilsbegründung. Der Konzern habe zudem keine schlüssige Erklärung geliefert, „worauf die Verluste in den Jahren vor dem Anpassungsstichtag im Einzelnen zurückzuführen waren“. Die Richter vermissten auch eine „Prognose für die Zukunft“, die bei der Berechnung der Betriebsrente zwingend erforderlich sei. Darüber hinaus seien die Angaben des Unternehmens vor Gericht „unsubstanziiert“, also ohne Substanz.

Die Richterschelte für Thyssen-Krupp hat die IG Metall zum Anlass genommen, allen bei ihr organisierten Betriebsrentnern, die nicht unter den seit 1997 geltenden „Kombi-Pakt“ fallen, ein Formschreiben zuzuschicken. Damit stellen sie den Antrag auf Neuberechnung der Betriebsrente. „In Einzelfällen sind wir auch bereit, rechtliche Auseinandersetzungen zu suchen“, sagt Jürgen Dzudzek, 1. Bevollmächtigter der IG Metall für Duisburg und Dinslaken. Er hat allein 3000 Kollegen angeschrieben. Bei Uhde in Dortmund gibt es 1800 Betriebsrentner.

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Von Frank Meßing und Thomas Wels

Konzern ändert Anpassungspraxis

Auch wenn die Anträge auf Neuberechnung noch gar nicht alle bei der Thyssen-Krupp Dienstleistungen GmbH, die für die Betriebsrentner zuständig ist, eingetroffen sind, hat der Konzern bereits reagiert. „Thyssen-Krupp berücksichtigt diese aktuelle BAG-Entscheidung und richtet sich zukünftig wieder ausschließlich nach den Anforderungen des Betriebsrentengesetzes“, kündigte eine Sprecherin an.

Dennoch könnten für Betriebsrentner Nachteile entstehen. Weil die pauschale Erhöhung um drei Prozent wegfällt, könnte es künftig keine Anpassung geben, wenn Thyssen-Krupp eine schlechte wirtschaftliche Lage geltend macht. Bei fünf Milliarden Euro Verlust im vergangenen Geschäftsjahr hätte der Konzern dazu allen Grund.