Bochum. . Der am Donnerstag mithilfe einer Besuchermarke aus der JVA Bochum entflohene Untersuchungshäftling ist am Freitag weiter verschwunden geblieben. Die Ermittlungen laufen auf Hochtouren. Im NRW-Justizministerium spricht man von einem Zufall - die CDU dagegen von einem “unglaublich peinlichen Vorgang“.
Der am Donnerstagmittag auf trickreiche Weise aus der JVA Bochum entkommene Untersuchungshäftling ist auch am Freitag noch immer auf der Flucht. Mit Hochdruck wird ermittelt, wie diese Panne passieren konnte. NRW-Justizminister Thomas Kutschaty, sagte am Freitagmorgen sein Sprecher Detlef Feige der Redaktion, sei „nicht amüsiert darüber“.
Der 25-jährige Angelo Duric, niederländischer Staatsbürger, war am 8. April festgenommen worden. Das Amtsgericht Bochum hatte ihm tags darauf den Haftbefehl verkündet und ihn in die besagte JVA Krümmede, die derzeit gut 700 Inhaftierte zählt, sperren lassen. Krümmede wird das Bochumer Gefängnis im Volksmund genannt. Der Mann wird verdächtigt, Mitglied einer Bande zu sein, Wohnungseinbrüche und Computer-Betrügereien begangen zu haben.
Am Donnerstagvormittag bekam er Besuch von zwei Bekannten. Diese mussten ihre Ausweise an der JVA-Pforte abgeben. Dafür bekamen sie eine metallene Kontrollmarke. Als sie nach bisherigem Erkenntnisstand die JVA wieder verlassen wollten, hatte einer der Besucher aber keine Marke mehr.
Die hatte offenbar Angelo Duric gehabt und war damit kurz vorher an der Pforte aufgekreuzt. Er zeigte sie einem Vollzugsbeamten an der Pforte vor und bekam dafür den dazu passenden Ausweis des Besuchers. Damit spazierte er in die Freiheit. Das Foto auf dem Ausweis muss zumindest ein Ähnlichkeit mit ihm gehabt haben; unterstellt, dass der Vollzugsbeamte das Ausweisfoto mit dem Aussehen von Duric auch wirklich verglichen hat
Duric trug Alltagskleidung
Anders als Strafgefangene müssen Untersuchungshäftlinge nicht die blau-graue Anstaltskleidung tragen. Schließlich sind sie ja nicht verurteilt worden. Auch weil der Flüchtige zivile Alltagskleidung trug, war den Vollzugsbeamten an der Pforte nicht aufgefallen, dass er gar kein Besucher ist.
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Der Besucher, der keine Marke mehr hatte, durfte ebenfalls gehen, obwohl er mittlerweile ja auch keinen Ausweis mehr hatte. Die JVA sah aber keine rechtliche Handhabe, ihn festzuhalten. Der Vorfall an der Pforte hatte aber dazu geführt, dass wegen Duric Alarm geschlagen wurde. Wie er in den Besitz der Marke gekommen ist, wird jetzt noch intensiv ermittelt: Entweder hat er sie von dem Besucher bewusst erhalten - oder er hat sie diesem gestohlen. Die beiden Besucher sollen bisher nicht vernommen worden sein. Nur einer von ihnen soll auch bekannt sein.
Der Chef der Krümmede, der erst im vergangenen Januar auf diesen Posten gerückte Thomas König (53), weilt derweil im Urlaub. Die Urlaubslaune dürfte ihm vergangen sein. „Er ist informiert“, sagte die stellvertretende Anstaltsleiterin Karin Lammel. Am nächsten Montag ist er wieder im Dienst. Das war aber sowieso geplant. Auch Karin Lammel ist über den Vorfall bedrückt. Der Redaktion sagte sie am Freitag: "Dass ich mich schlecht fühle, ist keine Frage. Die Betroffenheit bei mir und in der Belegschaft ist immens hoch."
Flucht sei ein Zufall gewesen
Aus Sicht des Ministeriumssprechers Feige war die Flucht ein „Zufall“. Die hätte auch in einer anderen JVA passieren können, aber natürlich nicht passieren dürfen. Vor dem Hintergrund, dass sich in den Jahren 2011 und 2012 in Bochum eine ganze Serie von erfolgreichen und erfolglosen Fluchtversuchen ereignet habe, sei die neuerliche Flucht „für den Standort Bochum „nicht glücklich“.
Die CDU-Opposition in Düsseldorf sprach von einem "unglaublich peinlichen Vorgang". Sie beantragte, dass NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) in der nächsten Sitzung des Rechtsausschusses Rede und Antwort steht. "Wie kann es sein, dass man mit solch einem banalen Trick durch die Vordertür der JVA herausspazieren kann?", fragte der Vizevorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, Peter Biesenbach, in einer Mitteilung. Kutschaty müsse sich fragen lassen, ob er die Anstalten in NRW noch im Griff habe.
"Das hätte auch anderswo passieren können"
"Die Untersuchungen laufen auf Hochtouren und in alle Richtungen", sagte Kutschatys Sprecher Feige. Schuldzuweisungen an die Anstaltsleitung in Bochum wären in jedem Fall voreilig. "Das hätte auch anderswo passieren können."
Alle der insgesamt 37 Gefängnisse in NRW (rund 40.000 Häftlinge) sind über den Vorfall mit der Besuchermarke informiert worden. Insgesamt, so Feige, sei die Anzahl der Ausbrüche und Entweichungen in NRW deutlich zurückgegangen.
Gegen den geflohenen Untersuchungshäftling Duric liegt auch ein Auslieferungshaftbefehl aus den Niederlangen vor, weil er auch dort Straftaten begangen haben soll.
Staatsanwaltschaft Bochum erhob bereits Anklage
Gegen Angelo Duric (sowie einen Mann und eine Frau, die jeweils in Essen und Gelsenkirchen inhaftiert sind) hat die Staatsanwaltschaft Bochum bereits Anklage beim Landgericht Bochum erhoben. Vorwürfe: Wohnungseinbrüche und Trickdiebstähle auf der Straße in 27 Fällen. Tatorte: Bochum, Recklinghausen und andere Städte. Eventuell wird der Prozess ohne ihn stattfinden, weil er weiter verschwunden ist.