Bochum. Keine drei Wochen nach dem aufsehenerregenden Ausbruch eines Häftlings aus der Justizvollzugsanstalt (JVA) Bochum ist am Freitag schon wieder einem Gefangenen die Flucht geglückt. Der 31-Jährige verschwand aus einem Bochumer Krankenhaus. Er wurde aber bereits wieder gefasst.
Die Pannenserie bei der JVA Bochum reißt nicht ab: Am Freitag ist wieder einem Häftling die Flucht geglückt. Er wurde zwar nach wenigen Stunden wieder gefasst - die Diskussion um Sicherheitslücken im nordrhein-westfälischen Strafvollzug dürfte durch den Vorfall allerdings wieder angeheizt werden. Das NRW-Justizministerium räumte am Samstag einen "nicht optimalen Informationsfluss" ein.
Der Gefangene war am Freitagmittag aus einem Krankenhaus in Bochum getürmt. Der 31-Jährige ist mehrfach wegen Körperverletzungs- und Vermögensdelikten vorbestraft und hatte zuletzt eigentlich in Bielefeld wegen Sachbeschädigung eine dreimonatige Haftstrafe im offenen Vollzug verbüßt. Weil bei ihm Cannabis gefunden wurde, war er Mitte Februar in die JVA Bochum verlegt worden. Dort habe er "ganz normal eingesessen", sagte ein Sprecher des NRW-Justizministeriums auf Anfrage von DerWesten.
Unbeobachtet im Krankenhaus
Wegen einer Platzwunde am Kopf und möglichen Knochenbrüchen wurde der 31-Jährige am Freitag in einer Bochumer Klinik behandelt. Dort nutzte er nach Angaben des Ministeriumssprechers gegen 13.50 Uhr einen unbeobachteten Moment zur Flucht - "Entweichung" heißt das im Behörden-Jargon. Bei Verwandten in Essen sei er gegen 17 Uhr gefasst worden. Seit 20 Uhr sitze er wieder in der JVA Bochum ein.
Eigentlich soll der Häftling am 13. März entlassen werden. Nun muss er sich erst mal darauf einstellen, dass sämtliche Lockerungen bei seiner Haft gestrichen werden.
Warum der Gefangene im Krankenhaus nicht bewacht war, ist offen. Wegen der jüngsten Vorfälle mit wiederholten Ausbrüchen und Ausbruchsversuchen untersucht zurzeit nach Angaben des Ministeriumssprechers ohnehin ein Expertenteam die Zustände in der JVA Bochum. NRW-Justizminister Thomas Kutschaty habe nun angeordnet, dass die Abläufe und Sicherheitsmaßnahmen im Gefängnis noch einmal genauer überprüft werden. "Das wird organisatorische Konsequenzen haben", sagte Kutschatys Sprecher. Wie genau die aussehen werden, sei allerdings noch unklar.
SPD fordert umfassenden Bericht
"Zur Chefsache wollte SPD-Justizminister Kutschaty die Sicherheit in Nordrhein-Westfalens Gefängnissen machen. Wenn das das Ergebnis ist, müssen die Menschen in NRW sich ernsthaft fürchten", kritisierte der CDU-Rechtsexperte Peter Biesenbach am Samstag.
"Kutschaty muss jetzt schleunigst energisch durchgreifen. Sonst ist er auf seinem Posten fehl am Platze", sagte Biesenbach weiter. "Wir fordern einen umfassenden Bericht in der nächsten Sitzung des Rechtsausschusses", fügte der Landtagsabgeordnete hinzu.
Der FDP-Rechtspolitiker Robert Orth sprach am Samstag von einer "Fluchtkultur" in Bochum. "Jetzt reicht es wirklich. Die Bevölkerung hat Anspruch darauf, dass die Justizvollzugsanstalten des Landes sicher sind", sagte der Liberale. Orth forderte den Justizminister auf, die Anstaltsleitung der JVA auszutauschen.
Dritte Flucht aus JVA Bochum seit Jahresbeginn
Erst im Januar hatte es zwei Fluchtversuche aus der JVA Bochum gegeben: Erst durchsägte ein 50-Jähriger die Gitterstäbe seines Zellenfensters, kletterte hinaus - kam jedoch nur bis auf den Dachboden des Gefängnisses. Ende Januar konnte zudem ein 47-Jähriger beim Putzen durch ein nur mangelhaft gesichertes Oberlicht im Besucherraum des Gefängnisses türmen. Er war fünf Tage lang auf der Flucht und wurde schließlich beim Ladendiebstahl in Recklinghausen erwischt.
Wegen der Ausbruchsserie steht NRW-Justizminister Thomas Kutschaty unter Druck. Die Opposition im Landtag sieht einen Justizskandal. Vollzugsbeamte haben mehrfach betont, dass sie die JVA in Bochum nicht für sicher halten. (we/mit dapd)