Bochum. . Die Gegner des Musikzentrums initiierten am Dienstag eine Aktion vor der Marienkirche. Vier als Pussy Riot verkleidete Frauen aus der Pornobranche ketteten sich an eine Platane und protestierten so gegen den Bau des Musikzentrums.

„Ich möchte die grünen Plantagen hier retten!“ Ungewohnte Töne entlockt ein Fernsehteam am Dienstagmittag Kitty Core. Nicht stöhnen, sondern protestieren ist hier und heute angesagt.

Es ist bereits der dritte Versprecher der Pornodarstellerin aus Magdeburg. Vor wenigen Minuten erst ist sie zusammen mit drei Kolleginnen aus einem VW-Bulli gesprungen und hat sich vor einer Handvoll Journalisten, Fotografen und Kameraleuten an eine Platane vor der Marienkirche an der Viktoria­straße ketten lassen. „Free Pussy Riot“ hat das luftig bekleidete Quartett, das sich in Anlehnung an die russische Punkband bunte Strumpfmasken über den Kopf gezogen hat, in den Bochumer Spätsommerhimmel gerufen.

Eine „große Aktion“ zum Erhalt der 19 Platanen, die auf dem Baugrund dem Musikzentrum im Wege stehen, hatten die Initiatoren des Bürgerbegehrens gegen das 33-Millionen-Euro-Projekt angekündigt. Die Polizei ist vor Ort, um den Aktivisten den Zugang zu den Bäumen neben der Kirche zu verwehren. „Das Gelände ist abgesperrt, weil dort Gefahr von herunterfallenden Gebäudeteilen droht“, sagt ein Polizeisprecher.

„Wir geben unseren guten Namen“

Volker Steude, Christoph Nitsch und Andreas Sierigk sind als Ansprechpartner für das Bürgerbegehren vor Ort. Sie geben das Kommando, ein weißer VW-Bulli fährt vor, die Schau beginnt: Kitty Core, Aileen Taylor, Lena Nitro und Lara Labelle bilden Pussy Riot vom Chapter Bochum. Auf einem für die Presse vorbereiteten Papier erklären sie sich solidarisch mit ihren Namensvetterinnen aus Russland. „Wir sind für Bürgerrechte und gegen Machtmissbrauch und Korruption“, heißt es.

In die Kamera sagt Kitty Core indes wenig später: „Wir sind gegen Pussy Riot.“ Aber dann auch, weil eine Journalistin erstaunt nachfragt: „Wir demonstrieren für Pussy Riot, ähh, was haben die eigentlich genau gemacht?“ Die Strumpfmasken sind zu diesem Zeitpunkt längst gefallen, hinter den Tripple-D-Oberweiten hat die Werbung in eigener Sache längst begonnen. „Wir geben unseren guten Namen für diese Aktion. Ich bin schließlich Naturliebhaber.“

„Ein absoluter Missgriff“

„Die Damen machen das ehrenamtlich ohne Gage“, sagt Andreas Sierigk, der Kitty und Co. als „Bekannte“ bezeichnet. Weitere Aktionen zum Erhalt der Platanen seien im Übrigen noch geplant, sagt er. Ist die Unterstützung aus der Pornobranche wirklich eine willkommene Hilfe für das Bürgerbegehren gegen das geplante Musikzentrum? „Jeder kann für Bürgerrechte eintreten, völlig unabhängig von dem Gewerbe, in dem er arbeitet“, sagt Volker Steude.

Mit Kopfschütteln reagierte am Nachmittag die Stadt Bochum auf die Aktion. Der Vergleich mit den verurteilten Musikerinnen sei „geschmacklos“, sagte Kulturdezernent Michael Townsend (SPD). Den Schauprozess und die Verurteilung der Frauenband in einem nicht rechtstaatlichen System zu missbrauchen, um in einem demokratischen Land Aufmerksamkeit zu erzeugen, sei „ein absoluter Missgriff“.

Griff in die Kloschüssel - Ein Kommentar von Thomas Schmitt 

Die Aktion der Initiatoren des Bürgerbegehrens gegen das Musikzentrum war ein unterirdisch geschmackloser Griff in die Kloschüssel. Wer sich auf dieses Niveau begibt, sagt viel aus über seine Gesinnung: Es geht nicht um die Sache, es geht ums Provozieren und um Selbstdarstellung.

Der Zynismus dieser Aktion gegenüber den russischen Mädchen, die ins Arbeitslager müssen, ist nicht zu tolerieren. Da werden Damen aus dem Porno-Milieu eingeflogen, um den Medien spektakuläre Motive zu bieten. Sie nutzen ihren Auftritt zur eigenen Vermarktung in völliger Unkenntnis der Sachlage vor Ort: Wir sind gegen Pussy Riot und wollen diese Plantagen retten. Mannomann.

Vermutlich war selbst den Platanen, denen die Säge droht, dieser Vormittag peinlich. Welch ein Unterschied zur spektakulären Greenpeace-Aktion 1981 in Hamburg. Dort kletterten Umweltschützer auf einen Schornstein und hissten ein Transparent, dessen Spruch heute legendär ist: Erst wenn der letzte Baum gefällt ist ...

Diese Aktion – offensichtlich made by Volker Steude – war eine Ohrfeige für alle, die sich ernsthaft um unsere Umwelt sorgen.