Bochum. .

Die Entscheidung über die künftige Versorgung der Stadt mit Grundschulen steht unmittelbar bevor. Nach Informationen der WAZ soll bereits am Mittwoch, 30.05. ein Vorschlag ausgearbeitet werden, welche der derzeit noch 50 Grundschulen (davon zwei Katholische Grundschulen) weiter geführt werden sollen.

An diesem Tag trifft sich die Arbeitsgruppe für die Bochumer Schulentwicklungsplanung zu ihrer womöglich entscheidenden Sitzung. In diesem Gremium sitzen acht Vertreter des Ausschusses für Bildung und Wissenschaften (hinzu kommt ein allerdings nicht stimmberechtigtes Mitglied der UWG), zwei aus den Grundschulen und dem Schulverwaltungsamt sowie jeweils ein Vertreter der Bekenntnis-Schulen, des Migrationsausschusses, des Verbandes Bildung und Erziehung, der GEW, der AG Bochumer Schulpflegeschaften, dem Schulamt und dem Jugendamt.

Proteste und Initiativen

Wird ein Vorschlag erarbeitet, wird dieser wiederum im Ausschuss für Bildung und Wissenschaften eingebracht, die Schulversammlungen müssen ebenfalls gehört werden, bis womöglich unmittelbar nach den Sommerferien der Rat entscheidet.

Nach allem, was bisher an die Öffentlichkeit gedrungen ist, stehen 16 Grundschulen bzw. Teilstandorte ganz konkret auf der Kippe. Die Verwaltung begründet die Notwendigkeit einer Schließung und der Reduzierung der Anzahl der Grundschulen im Wesentlichen mit drei Argumenten: Entwicklung der Schülerzahlen, Haushaltskonsolidierung, Sanierungskosten.

Gegen die Absichten hat es in den vergangenen Wochen und Monaten eine Vielzahl von Protesten und Initiativen gegeben. Um die Situation darzustellen, hatte die WAZ Vertreter und Vertreterinnen von drei massiv von einer Schließung bedrohten Grundschulen zu einem Gespräch in die Redaktion geladen. Es sind dies die Borgholzschule (Wiemelhausen), die Kirchschule (Langendreer) und die Grundschule Hordel.

Eltern geben nicht klein bei

Sie geben nicht klein bei, glauben den offiziellen Zahlen nicht wirklich und haben das Vertrauen in eine vernünftige Schulpolitik in Bochum (nahezu) verloren. Warum zahlreiche Eltern Sturm laufen gegen die aktuelle Schulentwicklungsplanung, sich nicht damit abfinden möchten, warum die Stadt Schulen schließt, wollte die WAZ-Redaktion ein wenig genauer wissen. Eingeladen zu einer „Grundschul-Runde“ wurden sechs Mütter und Väter aus Wiemelhausen, Langendreer und Hordel, die berichten über ihren Widerstand und das große Unverständnis.

Da ist Thorsten Arnold (41), seine Tochter Mathilda geht in die 1. Klasse der Borgholzschule. Als einen wesentlichen Grund für die zugespitzte Situation sieht er die Schulpolitik des Landes (z.B. Regelungen für die Klassengrößen) und die Sparpolitik der Stadt, die die Bildung um 6,5 Millionen Euro kappen möchte: „Zu Beginn der Debatte wurde seitens der Stadt mit falschen Schülerzahlen argumentiert.“ Ihn und seinem Mitstreiter Guido Henning (48), dessen Sohn Rasmus ebenfalls auf die Borgholzschule geht, ärgert, dass die Stadt Fakten geschaffen habe, bevor es Entscheidungen gebe.

Eine Schule in Schieflage

Die Borgholzschule wurde einzügig definiert, mit dem Ergebnis, dass zum Schuljahresbeginn nur eine Klasse mit rund 30 Schülern eröffne. „Wir wollen solche großen Klassen nicht, zumal ja jetzt ein Anstieg der Erstklässler in Wiemelhausen um 28 für das Jahr 2016 erwartet wird.“

Grundschule Hordel an der Hordeler Straße 169
Grundschule Hordel an der Hordeler Straße 169 © WAZ FotoPool

In Langendreer, im Dorf wie die Menschen dort sagen, gibt es seit rund 400 Jahren die Kirchschule. Wenn auch nicht im gleichen Gebäude, so ist sie doch für viele Menschen, vor allem mit schulpflichtigen Kindern, ein Zentrum des Viertels. Christina Seidenstücker wirkt in der Elternpflegschaft mit. Die Zwillinge der 40-Jährigen Marla und Elias gehen in der 2. Klasse. Und ein zweites Zwillingspaar, Mia und Carlotta, ist im Kindergartenalter: „Unsere Schule war immer sehr attraktiv. In diesem Schuljahr kam zum ersten Mal nur eine Eingangsklasse zustande.“ Über die Hintergründe kann sie nur spekulieren. Fest stehe, dass die früher für viele Familien interessante offene Eingangsstufe abgeschafft wurde und seit einige Zeit wegen Erkrankung die Rektorenstelle unbesetzt ist, was der Schule schade. Zudem gebe es Sanierungskosten in Höhe von ca. 1,5 Millionen Euro und Negativmeldungen (so machte die Behauptung im Dach sei der Holzwurm die Runde, obwohl dies gar nicht zutreffe), die die Schule in eine Schieflage gebracht hätten.

"Kurze Beine - kurze Wege"

Besonders gefährdet jedoch ist die Grundschule in Hordel, mitten in der unter Denkmalschutz stehenden Bergarbeiterkolonie der Zeche Hannover. An dieser Schule konnte zum ersten Mal gar keine Eingangklasse gebildet werden. Dazu sagt Regina Treffner (42), deren Sohn Erik in die 3. Klasse geht, ihr älterer Sohn Michel ist mittlerweile auf einer weiterführenden Schule: „Wir haben eine Unterschriftenaktion gestartet.“ Viele Menschen in der Siedlung seien von der drohenden Schließung überrascht gewesen, erzählt Andre Kroll. Der 38-Jährige ist mit Frau und seiner zehn Monate alten Tochter Marie vor allem deshalb nach Hordel gezogen, weil die Schule so gut zu erreichen ist.

Ulrike Hücking, deren Kinder Sarah und Jonas zur Kirchschule gehen, beschreibt sehr eindringlich, was denn das von allen Kritikern mit „Kurze Beine – kurze Wege“ beschriebene Argument bedeutet im Alltag: „Wenn unsere Kinder zur Schule gehen, achtet die Umgebung auf sie. Die Geschäftsleute kennen jedes Kind, jeder kennt jeden. Da müssen wir uns keine Sorgen machen.“

Ulrike Hücking zog vor einigen Jahren aus Ratingen nach Langendreer. Die dörfliche Struktur, die Nähe, waren damals gewichtige Argumente. Nun sieht sie all dies Stück für Stück zusammenbrechen.