Bochum. . Nach dem Unglück des Kreuzfahrtschiffes Costa Concordia sieht der Bochumer Rechtsanwalt Jürgen Widder „gute Chancen“ für die geschädigten Passagiere, Schadenersatz oder gar Schmerzensgeld einzuklagen.
Nach der Katastrophe auf der „Costa Concordia“ haben 19 geschädigte Passagiere aus Deutschland Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Bochum gestellt. Eines der Opfer kommt aus dem Kreis Recklinghausen, für den die Bochumer Strafjustiz zuständig ist. Folgen werden auch Klagen auf Schadenersatz und Schmerzensgeld. Der Vorsitzende des Bochumer Anwaltvereins, Jürgen Widder, schildert die Rechtslage.
Wer muss haften und grundsätzlich wie hoch?
Jürgen Widder: Bei einer internationalen Seebeförderung haftet die Reederei, auch ohne Verschulden. Es gibt aber Höchstgrenzen. Die Haftung der Reederei Costa führt bei Tod oder Körperverletzung zu einem Höchstbetrag von rund 270.000 Euro. Sie muss binnen 15 Tagen nach Feststellung des Schadenersatzberechtigten eine Vorschusszahlung leisten, damit unmittelbar wirtschaftliche Bedürfnisse gedeckt werden können. Im Todesfall beträgt diese mindestens 21.000 Euro.
Gelten die Höchstgrenzen auch, wenn ein Unglück fahrlässig verursacht wurde?
Widder: Das Verhalten des Kapitäns legt nahe, dass er leichtfertig gehandelt hat. Das hat zur Folge, dass letzten Endes eine unbegrenzte Haftung entsteht.
Bis wann muss man seine Forderungen stellen?
Widder: Die Ansprüche sollten umgehend bei der Reederei bzw. dessen Haftpflichtversicherung gemeldet werden. Die Verjährungsfrist wegen Tod oder Körperverletzung eines Reisenden beträgt zwei Jahre.
LWL-Klinik richtet Trauma-Ambulanz ein
Das LWL-Universitätsklinikum an der Alexandrinenstraße richtet im März eine Trauma-Ambulanz ein. Das kündigt der Ärztliche Direktor Prof. Dr. Georg Juckel an.
„Gerade im Ruhrgebiet ist die Versorgung für traumatisierte Patienten äußerst dürftig. Therapieplätze sind rar“, weiß Juckel. Die Ambulanz soll eine erste Anlaufstelle und Hilfe für Menschen sein, die lebensbedrohliche Situationen für sich und andere durchlitten haben und verarbeiten müssen. Darin hat die Psychiatrische Klinik schon jahrelange Erfahrungen: „Wir behandeln regelmäßig u.a. Polizisten und Feuerwehrmänner. Auch einige Teilnehmer der Love Parade 2010 werden bei uns betreut“, so Prof. Juckel.
In Bochum, so wurde am Mittwochabend bei „Stern TV“ bekannt, lässt sich seit einigen Tagen auch die Ehefrau von Peter Honvehlmann therapieren. Das Oer-Erkenschwicker Ehepaar hatte das Schiffsunglück auf der „Costa Concordia“ überlebt. In der RTL-Sendung berichtete Honvehlmann (38) über die schrecklichen Erlebnisse und die schlimmen Folgen für seine Ehefrau, die seit der Katastrophe schwer traumatisiert und arbeitsunfähig ist.
Auch Gepäck und Wertsachen mussten die Opfer auf dem Schiff zurücklassen.
Auch für Verlust oder Beschädigung von Kabinengepäck haftet die Reederei, aber grundsätzlich begrenzt auf rund 2439 Euro pro Passagier. Für Verlust oder Beschädigung von Geld, Schmuck oder sonstigen Wertsachen besteht keine Haftung, es sei denn, die Wertsachen wären etwa im Schiffssafe hinterlegt worden. Die Haftungsgrenze fällt jedoch weg, wenn wie hier etwa dem Kapitän leichtfertiges Verhalten vorgeworfen und nachgewiesen werden kann. Es bestehen also gute Chancen, dass die Betroffenen alle Schäden ersetzt bekommen.
Sogar der volle Reisepreis könnte erstattet werden
Haben die Passagiere auch Ansprüche gegen den Reiseveranstalter?
Widder: Es gibt Ansprüche auf Rückzahlung des anteiligen Reisepreises. Je nach Einzelfall ist sogar daran zu denken, den vollen Reisepreis zurück zu verlangen, wenn der Erholungswert infolge der Havarie vollständig zunichte gemacht worden ist. Dies liegt hier nahe. Zu denken wäre auch an ein Schmerzensgeld.
Wie sieht es bei den Kosten für die individuellen Rückreisen aus?
Widder: Nutzlose Aufwendungen für die ursprünglich gebuchten Rückreisemöglichkeiten oder aber auch Zusatzkosten für kurzfristige Rückreisemöglichkeiten werden ersetzt.
Immer noch werden Menschen vermisst. Welche Ansprüche haben Angehörige, wenn sie gefunden wird?
Widder: Neben den 21.000 Euro Vorschussleistungen im Todesfall kann auch an Trauerschmerzensgeld gedacht werden, wenn der Todesfall medizinisch greifbare Schäden verursacht hat, die über die normale Trauerbelastung belegbar hinausgehen.
Und wenn die Vermissten vorerst nicht gefunden werden?
Widder: Bei Vermissten ist eine „Fürtoderklärung“ zu beantragen. Sobald diese vorliegt, kann ein Erbschein beantragt werden, mit dem die Erbenstellung der Hinterbliebenen vom Nachlassgericht festgestellt wird.