Bochum. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) und die Grünen-Politikerin Antje Vollmer äußerten sich beim Neujahrsempfang der Bochumer Kirchen kritisch über den Stand der Ökumene in Deutschland. 300 Gäste verfolgten eine spannende Diskussion im Bergbaumuseum.

Knapp 500 Jahre nach der Kirchenspaltung im Jahre 1517 stand der 12. Neujahrsempfang der evangelischen und katholischen Stadtkirchen Bochums stark im Zeichen der Kritik an der Kirchenobrigkeit. Während Christen in den Gemeinden ein Miteinander praktizierten, stehe die Amtskirche sich gegenseitig im Weg und liefere sich lieber Kopf-an-Kopf-Kämpfe über die Zahl der Kirchenaustritte, hieß es.

„Der Aufbruch, den wir brauchen, ist nicht von oben zu erwarten, sondern er muss von unten erfolgen“, äußerte sich der Katholik Norbert Lammert (63) zum Zustand der Ökumene. Gemeinsam mit der evangelischen Theologin Antje Vollmer (68) diskutierte er am Samstagvormittag zum Thema des Tages: „Offen für Gott, offen für die Welt. Miteinander in die Zukunft.“ Der Journalist Stefan Klinkhammer moderierte das Gespräch im Bergbaumuseum.

„Wir müssen jetzt ganz viel dafür tun, die Sehnsucht nach der Einheit wach zu halten“, sagte Antje Vollmer. Die Grünen-Politikerin und ehemalige Vizepräsidentin des Bundestages sprach von einem „Schock“, den der Besuch Papst Benedikts 2011 im Luther-Kloster zu Erfurt in protestantischen Reihen ausgelöst habe. Daraus dürfe aber keine Trotzhaltung nach dem Motto „jetzt erst recht protestantisch“ erwachsen. Vielmehr müsse man nach Symbolen suchen, die die Konfessionen verbinden. „Wir brauchen die alltägliche Abendmahlgemeinschaft“, sagte Vollmer. Selbst Jesus habe seinen Verräter zum Abendmahl eingeladen. Die knapp 300 Gäste im Saal des Museums durften im Verlauf des Gesprächs häufiger schmunzeln.

Bundestagspräsident Lammert kritisierte kirchliches Miteinander

Bundestagspräsident Lammert kritisierte das „Klein-Klein“ des kirchlichen Miteinanders in Deutschland. Während weltweit die Zahl an Religionsgemeinschaften, auch an christlichen, stark wachse, mache ihn der Gedanke „beinahe krank“, mit welcher Fröhlichkeit man sich aufmache, im Jahre 2017 den 500. Jahrestag der Reformation zu feiern. „Als sei die Kirchenspaltung eine Errungenschaft, die jetzt ins 6. Jahrhundert geht. Wir haben doch alle den Schuss nicht gehört“.

50 Jahre nach dem zweiten vatikanischen Konzil sei das Jahr 2012 zudem ganz besonders geeignet, eine „grandiose ökumenische Bewegung“ auf den Weg zu bringen. Man müsse sich nur erinnern, welche Einsichten und Erkenntnisse es vor 50 Jahren in der katholischen Kirche gegeben habe.

Man dürfe aber nicht auf Aufträge von oben warten, sondern müsse an der Basis etwas unternehmen. Zudem seien die organisatorischen Hürden der katholischen Kirche größer als die theologischen Differenzen. Die evangelische Kirche sei in Sachen Selbstbestimmung der eigenen Repräsentanten 500 Jahre voraus. Würden die katholischen Bischöfe ähnlich bestimmt wie die protestantischen, „wäre die deutsche Bischofskonferenz völlig anders zusammengesetzt“, sagte der CDU-Politiker.

"Da wird der Unterschied ebenso praktisch wie bitter"

„Es macht einen prinzipiellen Unterschied ob ein Volk oder in diesem Fall das Volk Gottes für mündig gehalten wird und diese Mündigkeit auch zum Ausdruck bringen kann, oder ob es wie eine verirrte Herde pausenlos in Ställe zurückgetrieben wird“, so Lammert. Als Beispiel wählte er – allerdings nicht namentlich – die Schließung der Kirche in der Gemeinde Vierzehnheiligen im Frühjahr 2011. Dort seien die Türschlösser ausgewechselt worden, um die Gläubigen auszusperren, die in eigener Regie das Gotteshaus weiter nutzen wollten. „Da wird der Unterschied ebenso praktisch wie bitter“, sagte Lammert.

Weil die Autonomie der Protestanten um Längen größer sei, müsse der Aufbruch „insbesondere durch Einladungen von Protestanten an Katholiken beginnen“. – „Die Aussicht, dass es umgekehrt stattfinden könnte, bleibt überschaubar.“

Veranstalter des Ökumenischen Neujahrsempfanges sind der Katholikenrat Bochum und Wattenscheid, die katholische Stadtkirche Bochum und Wattenscheid sowie der evangelische Kirchenkreis Bochum – „ohne Wattenscheid aber mit Eppendorf“, erläuterte Superintendent Peter Scheffler die eigenen Strukturen. Eingeladen sind neben den Repräsentanten der Stadtgesellschaft vor allen Dingen viele Ehrenamtliche, die bei Caritas und Diakonie sowie in den zahlreichen Gemeinden tätig sind. Festakt und Begegnung im Anschluss sollen als Dankeschön für deren Engagement dienen.