Bochum. Unter Protest ehemaliger Heimkinder wurde der ehemaligen Vizepräsidentin des Bundestags, Antje Vollmer, in Bochum vom evangelischen Kirchenkreis und der Landeskirche der Hans-Ehrenberg-Preis verliehen.

Der Eklat kam am Dienstagabend nicht überraschend. Es war abzusehen, dass die Verleihung des Hans-Ehrenberg-Preises an Dr. Antje Vollmer, die Publizistin und langjährige Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, in der Christuskirche nicht störungsfrei ablaufen würde.

Bereits vor dem Festakt gab es Proteste ehemaliger Heimkinder, die Vollmer unzureichende Ergebnisse ihrer Versöhnungsarbeit vorwerfen. Vollmer war die Vorsitzende des Runden Tisches zur Heimerziehung in den 50er und 60er Jahren.

Unfreiwillige Dramaturgie

Mit ihren Zwischenrufen gegen Ende der Verleihung boten die Protestierenden der studierten Theologin und Grünen-Politikerin jedoch die Möglichkeit, den Besuchern ihren dialogischen Umgang mit Konflikten zu demonstrieren. In der Podiumsdiskussion mit Ex-Bischöfin Margot Käßmann zum Thema „Gott & die Politik“ beschrieb Vollmer eingangs ihr preisgekröntes dialogisches Prinzip. So erhielt die Veranstaltung eine unfreiwillige Dramaturgie – erst die Theorie, dann die Praxis.

„Man muss bereit sein, auch zwischen den Stühlen zu sitzen, und auch Einsamkeit ertragen können“, erklärte Vollmer im Gespräch mit der ehemaligen Vorsitzenden der Evangelischen Kirche, Margot Käßmann. Unbefangenheit und Objektivität seien zwei weitere wichtige Eigenschaften, die in Konfliktsituationen essenziell seien. „Man muss ein ehrliches Interesse an der Geschichte beider Konfliktparteien haben.

Dialog mit der Roten Armee Fraktion

Der Vermittler muss sich dabei der Vereinnahmung durch eine Seite entziehen und darf auch die Täter nicht hassen.“ Mit diesem Prinzip hat die Trägerin des Großen Verdienstkreuzes der Bundesrepublik Deutschland in der Vergangenheit vieles bewegt und zusammengebracht. Seit 1984 setzt sich Vollmer für eine Entschädigung von Opfern des Nationalsozialismus ein. 1985 begann sie einen Dialog mit der Roten Armee Fraktion (RAF). In den Jahren 1995 bis 1997 engagierte sie sich für eine deutsch-tschechische Versöhnungserklärung, die die schwierige und durch den Zweiten Weltkrieg vorbelastete Beziehung beider Länder in eine freundschaftliche Zukunft führen soll.