Bochum. Dr. Margarete Streitlein-Habekost ist Ärztin. Sie hat ihre Berufung zum Beruf gemacht, denn auch mit 90 Jahren erscheint sie zu ihrer Sprechstunde. Natürlich praktiziert sie nicht mehr. Vielmehr bietet sie freiwillig eine „Heitere Sprechstunde“ im Alten- und Pflegeheim Haus am Glockengarten an.

Margarete Streitlein-Habekost ist eine von zwölf Ehrenamtlichen im Glockengarten, die sich in ihrer Freizeit um die Heimbewohner kümmern: Sie helfen bei Festen, organisieren Ausflüge und verbringen Zeit mit den Bewohnern. Monatlich kommen die Ehrenamtlichen zum Runden Tisch in der Bibliothek des Hauses zusammen. Bei einem Blick in die Runde fällt auf: Alle Anwesenden sind Frauen und viele von ihnen sind bereits über 60.

Bei den Ehrenamtstreffen ist auch Sabine Böhnke-Egbaria mit von der Partie. Sie ist seit kurzem Leiterin des sozial-kulturellen Dienstes im Glockengarten und kümmert sich um alles, was die Betreuung der Bewohner betrifft. Ihr Motto: „Möglichst alle Bewohner sollen von unserer Arbeit profitieren.“ Eine ambitionierte Aussage, bedenkt man, dass das Haus am Glockengarten mit seinen 240 Bewohnern zu den großen Häusern in Bochum zählt.

32 % werden in Heimen versorgt

Laut Statistischem Bundesamt werden 32 % der Pflegebedürftigen in Heimen versorgt. „Der Großteil wird indes von Angehörigen zu Hause gepflegt“, weiß Böhnke-Egbaria. Ihrer Ansicht nach wird die Rolle der Heime aber zunehmen. „Es gibt immer mehr geschiedene oder kinderlose Ehen - die Familienhilfe bricht weg.“ Allein deshalb schon könne man auf ehrenamtliche Hilfe in der Betreuung nicht verzichten. Ehrenamtliche sind in ihren Augen zudem ein „wichtiger Kontakt nach draußen für die Bewohner“ und gleichzeitig eine verlässliche Kontrollinstanz, „weil sie nicht betriebsblind sind“.

Maßnahmen sollen Arbeit erleichtern

Beim Runden Tisch werden auch Maßnahmen erörtert, die den Ehrenamtlichen ihre Arbeit erleichtern sollen. Renate Lindemann schlägt vor, demnächst den Umgang mit Rollstuhlfahrern zu trainieren. Margarete Streitlein-Habekost ist begeistert. „Das ist ganz wichtig. Wir haben 2001 Rollstuhlfahren hier gelernt; Treppen rauf, Treppen runter“, lacht sie. Die Ex-Ärztin sei es gewesen, die sie in den Glockengarten geholt habe, erinnert sich Lindemann. „Wir sind Nachbarn, Frau Dr. Streitlein hat häufig erzählt, was sie hier auf die Beine stellt. Das hat mich beeindruckt.“

Zusammen mit Martina Koke hat sie deshalb vor zwei Jahren begonnen, beim Bewohnertreff und beim Klöncafé auszuhelfen. Hier kommen die Bewohner zu Kaffee und Kuchen zusammen. Lindemann verbringt dabei mit vielen Bewohnern regelmäßig und gerne Zeit. „Man darf nur keine Berührungsängste haben. Es ist ganz wichtig, die alten Leute einmal in den Arm zu nehmen. Dann sind sie so glücklich“, sagt sie.

Zum Martinstag hat das Haus am Glockengarten ein großes gemeinsames Mittagessen geplant. Mehrere Ehrenamtliche - auch Koke und Lindemann - kündigen ihre Hilfe beim Runden Tisch an.

Bei Festen geht es meist gelöst zu

Eine Woche später versammeln sich 140 Bewohner zum Martinsessen im Gemeinschaftssaal. Und auch die Ehrenamtlichen kommen wie versprochen. Sie decken die Tische, reichen das Essen herum, setzen sich immer wieder zu den Bewohnern an die Tische und suchen das Gespräch mit ihnen. Renate Lindemann hat sich zu Adelheid Kleber gesellt, hält ihre Hand und hört gespannt zu, was die ältere Dame zu erzählen hat. Bei Festen wie diesen geht es zumeist gelöst und fröhlich zu. „Die Freude, wenn man kommt und die Bewohner uns von alten Zeiten berichten ist groß,“ erzählt Lindemann.

Krankheit, Sterben, Tod

Aber (ehrenamtliche) Arbeit in der Pflege ist nicht nur eitel Sonnenschein, weiß Sabine Böhnke-Egbaria. „Wir haben hier immer mit Krankheit, mit Sterben und Tod zu tun. Das sind Themen, mit dem man sich nicht gerne auseinandersetzt.“ Dennoch: Was man von den Bewohnern an Dankbarkeit zurückbekomme, „das kann man eigentlich nicht bezahlen“, begründet Doris Jagert ihr Engagement. Martina Koke nickt. „Genau. Ich will keinen Cent dafür.“