Berlin. Runder Tisch zur Aufarbeitung des Schicksals ehemaliger Heimkinder: Die christlichen Kirchen haben ihr Bedauern über die Misshandlungen in Heimen zum Ausdruck gebracht. Hunderttausende Kinder waren in den 50er bis 70er Jahren in Heimen geschlagen, gequält und sexuell missbraucht worden.

Die christlichen Kirchen haben zu Beginn des Runden Tischs zur Aufarbeitung des Schicksals ehemaliger Heimkinder ihr Bedauern über die Misshandlungen in deutschen Heimen zum Ausdruck gebracht. Ein Vertreter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) sagte zudem am Dienstag in Berlin, Entschädigungen müssten «ergebnisoffen geprüft» werden. Der Runde Tisch soll das Unrecht aufarbeiten, das Kinder in Heimen der Bundesrepublik erdulden mussten.

"Es tut uns unendlich leid», sagte der EKD-Vizepräsident, Hans Ulrich Anke, mit Blick auf die Misshandlung von Kindern in den 50er bis 70er Jahren. Rund 80 Prozent der Heime waren damals in kirchlicher Hand. Er hoffe nun, dass der Runde Tisch ein «Zeichen der Versöhnung werden kann», sagte Anke in Berlin bei dem ersten von zehn Treffen des Gremiums. Eine EKD-Sprecherin verwies darauf, dass die Kirche bereits in der Vergangenheit Berichte über die «Misshandlung und Ausbeutung» von Kindern in Heimen «mit großer Bestürzung» zur Kenntnis genommen habe.

Auch die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) drückte ihr Bedauern aus. Sie bedauere es «zutiefst, dass offenbar auch in katholischen Heimen Kindern und Jugendlichen Unrecht und schweres Leid widerfahren ist», sagte der Vetreter der Bischofskonferenz, Johannes Stücker-Brüning, in Berlin. «Ihnen gilt unser uneingeschränktes Mitgefühl.» Stücker-Brüning begrüßte den Runden Tisch. Die Deutsche Bischofskonferenz habe ein «großes Interesse an mehr Gewissheit über die Situation» in Kinderheimen der Nachkriegszeit.

Zu möglichen Entschädigungszahlungen für Heimopfer sagte die EKD-Sprecherin, dies müsse nun «ergebnisoffen untersucht und geprüft» werden. Ergebnisoffene Gespräche würden auch insgesamt der «Tenor für den Runden Tisch» sein.

Die Grünen-Politikerin und frühere Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer hatte mögliche Entschädigungen zuvor nicht ausgeschlossen. Zum jetzigen Zeitpunkt sei jedoch «nichts garantiert», sagte sie am Dienstagmorgen im Deutschlandfunk. Entschädigungen hingen vor allem von den gesetzlichen Regelungen ab. Mit Blick auf die Teilnahme der Kirchen, Jugendämter und Vormundschaftsgerichte am Runden Tisch sagte Vollmer, die Runde sei «kein Tribunal, es gehe nicht um Anklage» oder eine «Antikirchenkampagne». Jedoch müsse sich die Kirche auch «Fragen nach innen» stellen.

Der Obmann der FDP-Bundestagsfraktion im Petitionsausschuss, Jens Ackermann, lobte den Runden Tisch als «richtigen Schritt, dieses dunkle Kapitel in der bundesdeutschen Geschichte aufzuklären und zu dokumentieren». Die Ergebnisse müssten dazu dienen, das «erlittene Leid» anzuerkennen und «Lehren für die Zukunft daraus zu ziehen».

Die Linke forderte vor diesem Hintergrund die Aufnahme von Kinderrechten in die Verfassung. «Angesichts der Verletzung der Menschenrechte von hunderttausenden Kindern und Jugendlichen zeigt sich, wie wichtig die Anerkennung von Kinderrechten ist», erklärte Linken-Politikerin Elke Reinke. Der «logische Schritt» sei nun die Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz.

Der Runde Tisch unter Leitung Vollmers wurde im November vergangenen Jahres auf Empfehlung des Petitionsausschusses des Bundestags eingerichtet. Er soll das Unrecht aufarbeiten, das Kinder von den 50er bis 70er Jahren in Heimen der Bundesrepublik erdulden mussten. Hunderttausende wurden geschlagen, gequält und sexuell missbraucht. In diesem und im nächsten Jahr sind insgesamt zehn Sitzungen geplant, ein Abschlussbericht soll bis 2010 vorliegen. (afp)

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