Bochum. .
Ein dramatischer Einbruch der Mitgliederzahlen ist bei den Bochumer Sportvereinen auf den ersten Blick zwar nicht zu verzeichnen. Aber der demografische Wandel ist deutlich zu spüren. Patentlösungen gibt es nicht.
Der demografische Wandel ist in vielen Bereichen des öffentlichen Lebens zu spüren, auch in den Sportvereinen haben Nachwuchsmangel und gesellschaftliche Alterung ihre Spuren hinterlassen. Ein dramatischer Einbruch der Mitgliederzahlen ist in Bochum auf den ersten Blick zwar nicht zu verzeichnen, doch „es ist ein schleichender, langfristiger Prozess“, wie Rüdiger Stenzel, Geschäftsstellenleiter vom Stadtsportbund Bochum, warnt, „Da gibt es ein weites Feld zu beackern.“ Nach einer Erhebung der Deutschen Sporthochschule Köln, die sich über neun Jahre (1999-2008) erstreckt, haben sich die Mitgliederzahlen in Bochum um 9 Prozent zurückentwickelt. Doch die Werte sind trügerisch, weil gleichzeitig die Anzahl der über 60-jährigen Mitglieder um fast 30 Prozent angestiegen ist und damit den Gesamtwert besser aussehen lässt, als er ist.
Das Beispiel Fußball zeigt die wahre Entwicklung: Jedes Jahr melden sich in Westfalen etwa 30 Mannschaften vom Spielbetrieb ab. In Bochum sind in den letzten fünf Jahren 15 Teams aus dem Seniorenbereich verloren gegangen, weshalb eine ganze Staffel der Kreisliga C verschwunden ist.
„Über die Jahre ausgeblutet“
„Als ich vor 15 Jahren angefangen habe, gab es zehn Staffeln, jetzt sind es fünf. Bei der Jugend sieht es noch böser aus. Wenn es so weitergeht, haben wir bald eine Ü 80-Liga, aber keine Nachwuchsmannschaften mehr“, sagt Bernhard Böning, Vorsitzender des Kreisfußballausschusses. Von 2009 auf 2010 sind allein im Bereich der A- und B-Jugendlichen 16 Teams auf der Strecke geblieben.
Nicht nur im Fußball, auch in anderen Sportarten ist der demografische Wandel deutlich zu spüren. Das männliche Volleyballteam des TVK Wattenscheid spielte in den achtziger Jahren in der 2. Bundesliga, dazu hatte der Verein eine eigene Jugendabteilung, wurde zweimal Deutscher Nachwuchsmeister. Jetzt hat sich das in die Jahre gekommene Team, das bis in die Oberliga abgerutscht ist, aufgelöst. Der Nachwuchsbereich liegt schon lange brach. Den zwei verbliebenen Damenmannschaften droht ein ähnliches Schicksal.
„Wir sind über die Jahre ausgeblutet. Die Spieler sind bei uns groß geworden, aber es ist nichts nachgekommen - weder Nachwuchs, noch Leute, die sich um die Jugend kümmern“, sagt Dieter Wichert, der die Abteilung vor 43 Jahren ins Leben gerufen hatte.
Das Problem liegt auch beim Leistungssport, der im Gegensatz zum Breitensport wesentlich mehr Aufwand erfordert. Die Offenen Ganztagsschulen verschärfen die Problematik. „Dort werden die Kinder fünfmal wöchentlich bespaßt, da ist der Bedarf schnell gesättigt. Wir haben immer größere Mühe, neue Mitglieder zu werben“, berichtet Alfred Schiske, der Vorsitzende von Bochums größtem Handballverein Teutonia Riemke. Den Bochumer HC trifft es noch schlimmer, dort kann man nicht einmal für jede Altersklasse eine Jugendmannschaft stellen.
„Von den starren Strukturen lösen“
Die meisten Vereine in Bochum haben das Problem erkannt und versuchen, der Entwicklung entgegenzuwirken. Bestes Beispiel ist der TV Frisch Auf, der im zweitältesten Stadtteil liegt, in Altenbochum. Die Zahl der Mitglieder ist um 123 Personen gestiegen.
Über 50 Gruppen verschiedener Sportarten werden angeboten, damit die Mitglieder bei der Stange gehalten werden. Außerdem wird nicht nur stur in Turnhallen trainiert, der Verein hat eine alte Kirche gepachtet, um seine Auswahl zu erweitern.
„Wir mussten uns anpassen, damit der Verein nicht ausstirbt“, so der Vorsitzende Manfred Nachtigall. Von den älteren Generationen wird Gesundheitssport besonders gut angenommen, in NRW hat sich die Anzahl der Zertifizierungen in den letzten drei Jahren von 3000 auf 6000 verdoppelt. „Das soll nicht das Ende sein“, sagt Christoph Niessen vom Landessportbund NRW, „wir müssen uns von den starren Strukturen lösen, um den guten Standard zu halten.“