Bochum.. Nach 32 Jahren ist die Finanzierung der Telefonseelsorge Bochum nun dauerhaft gesichert. Im vergangenen Jahr nutzten 15.753 Anrufer die Hilfe der Einrichtung. Häufige Probleme sind etwa Ausweglosigkeit, Mobbing oder Bewältigung des Alltags.

Helfen, trösten, Mut machen: 15.753 Anrufer in Bochum, Herne, Hattingen und Witten nutzten im vergangenen Jahr die Telefonsprechstunde. Tendenz: steigend. Vor 32 Jahren gegründet, ist die ökumenische Einrichtung nun dauerhaft gesichert: In einem Vertrag verpflichten sich die evangelische und katholische Kirche in Bochum zur gemeinsamen Finanzierung.

Als „hörende Kirche“ würdigt der katholische Stadtdechant Dietmar Schmidt die Telefonseelsorge. Die wurde zwar stets auch von der evangelischen Kirche mitgetragen. Den Großteil des Etats jedoch schulterten die Katholiken. Erst in den vergangenen Jahren kam es zu einer Angleichung. Die wurde am Freitag vertraglich besiegelt. Dietmar Schmidt und Superintendent Peter Scheffler vereinbarten eine Teilung der Kosten von jährlich 260.000 Euro, davon 160.000 Euro für das Personal. Als Rechtsträger und Geschäftsführung dient der Caritasverband. Ein Kuratorium u.a. mit Vertretern beider Konfessionen soll die Arbeit inhaltlich begleiten.

85 Prozent der Mitarbeiter sind Frauen

Allzu großer Hilfestellung bedarf es wohl nicht: Die meisten der 60 ehrenamtlichen Mitarbeiter (85 Prozent Frauen) haben jahrelange Erfahrung. „Acht Kolleginnen sind sogar schon seit 25 Jahren bei uns“, betont Leiterin Mechthild Klünemann-Haering. Gut so: Die Gespräche erfordern großes Einfühlungsvermögen und Verantwortungsbewusstsein. Auch wenn’s pathetisch klingt: Nicht selten geht es um Leben oder Tod. Entsprechend umfassend ist die Ausbildung. Erst nach einjährigem Vorlauf dürfen neue Mitarbeiter das Telefon bedienen.

Am anderen (anonymen) Ende macht Mechthild Klünemann-Haering eine „deutliche Änderung“ aus. Waren es früher meist ganz konkrete Nöte und Krisen (Geld, Ehe, Beruf etc.), klagten die Anrufer heute meist über eine „allgemeine Ausweglosigkeit. Die Bewältigung des Alltags, nicht nur für Hartz-IV-Bezieher, ist ein stetig wachsendes Problem. ,Das Leben wird immer schwieriger’: Diesen Satz hören wir hier immer häufiger“.

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Die Aufgaben der Seelsorger wandeln sich: weg von der klar umrissenen Hilfe im Einzelfall, hin zum Tröster, Mutmacher, Zuhörer. „Viele sind einsam, wollen nur reden“, schildert einer der ehrenamtlichen Mitarbeiter (der wie alle anonym bleiben will). Dechant Schmidt ergänzt: „Es gibt Menschen, die die Zeitansage anrufen, einzig, um eine Stimme zu hören. Unfassbar.“

Auch Kinder melden sich. Oft sind sie Leidtragende einer Scheidung. Ärger mit dem Lehrer, Mobbing in der Schule oder Liebeskummer sind die weiteren häufigsten Beweggründe. Gerade junge Anrufer werden von den Telefonseelsorgern sehr ernst genommen – was man von manchem Elternhaus möglicherweise nicht behaupten kann.

"Prisma" hilft Selbstmordgefährdeten

Mitunter dramatisch geht’s im „Prisma“ zu. Unter dem Dach der Telefonseelsorge betreut diese Beratungsstelle Menschen, die Selbstmordgedanken haben. Rat und Hilfe finden auch Angehörige, Freunde und Hinterbliebene. Über 40 Gespräche wurden 2010 im „Prisma“ geführt. Pfarrer Werner Posner übernimmt diese schwierige Aufgabe. Sein Ziel: Die Zahl von jährlich 40 bis 50 Selbstmorden in Bochum zu senken.

Die Telefonseelsorge ist ständig um neue Mitarbeiter bemüht. Im Mai beginnt ein neuer Kurs. Interessenten können unter 0234/5 85 11 ein Info-Heft anfordern. Der stundenweise Tag- und Nachtdienst ist zwar seelisch aufreibend, doch ebenso gewinnbringend. „Wir geben nicht nur“, sagt einer der Mitarbeiter, „sondern bekommen auch ganz viel zurück.“