Der Anspruch der Telefonseelsorge ist heute noch genauso aktuell wie vor 57 Jahren. Damals, zur Geburtsstunde der Einrichtung, annoncierte ein Londoner Pfarrer in der Times: „Bevor Sie sich umbringen, rufen Sie mich an“.

Dies war die Uridee, die von vielen Anrufern beherzigt wird; mindestens einmal pro Tag meldet sich jemand bei der Bochumer Telefonseelsorge, der sich mit Suizidgedanken plagt oder sich um einen nahestehenden Menschen sorgt. Durch den Selbstmord Robert Enkes gebe es zwar nicht mehr suizidale Krisen, wohl aber beschäftigten sich die Menschen mehr mit dem Thema, weil es öffentlich wurde, sagt Mechthild Lünemann-Haering von der Bochumer Telefonseelsorge.

Das Gros der Gespräche aber dreht sich um Beziehungsthemen. „Es geht nicht allein um Probleme zwischen Paaren, sondern um Beziehungen aller Art, wo Menschen aufeinandertreffen, also in der Familie, im Freundeskreis und am Arbeitsplatz“, sagt Mechthild Lünemann-Haering. Auch Mobbing und Stalking spielten eine Rolle.

In Bochum arbeiten 70 ehrenamtliche Mitarbeiter rund um die Uhr am Telefon. Jährlich laufen etwa 20 000 Anrufe ein; eine Zahl, die in den letzten Jahren nahezu gleich geblieben ist. Da kann dann auch ein so genannter Schweigeanruf dabei sein, weil der Ratsuchende (zunächst) keine Worte findet.

Parallel zum 24-Stunden-Dienst hält die Bochumer Telefonseelsorge auch ein Angebot im Internet bereit, wo es eine Chat-Seelsorge gibt. „Prisma“ – Beratung bei Suizidgefährdung – ist ein Ableger der Telefonseelsorge. Dort erfahren Menschen in Krisen Gesprächsangebote unter vier Augen.

Zurzeit verfügt die Bochumer Einrichtung über genügend Ehrenamtliche. Diese absolvieren zunächst eine einjährige Ausbildungsphase. Mechthild Lünemann-Haering: „Zunächst geht es um Selbsterfahrung; wie reagiere ich worauf? Dann folgt eine Kommunikationsschulung, bevor sich der Praxistest anschließt.“

Belastbar sollte ein Telefonseelsorger sein, Empathie und Toleranz mitbringen. Unterstützung finden die Mitarbeiter in der Supervision, um die Krisen anderer Menschen verarbeiten zu können. Diese Gespräche zur Unterstützung und als Verarbeitungsstrategie sind Pflicht: keiner sollte nach belastenden Telefonaten um den Schlaf gebracht werden.