Bochum. Eine Schulleiterin berichtet von drei konkreten Vorfällen, die Folgen waren weitreichend. So bewerten Schulaufsicht und andere Schulen die Lage.

Ein Schüler schreibt einem anderen Schüler im Chat die Worte „Heil Hitler“, öffentlich, sodass es auch andere lesen können. Als die Schulleiterin das mitbekommt, ruft sie direkt bei der Polizei an, erstattet Anzeige. „Der Schüler ist aus seiner Ausbildung geflogen“, erinnert sich Susanne Muthig-Beilmann, Leiterin des Louis-Baare-Berufskollegs.

Drei Vorfälle dieser Art habe es in den vergangenen Jahren an der Schule in Wattenscheid gegeben, die Leiterin habe umgehend reagiert: „Was mir ganz wichtig ist, wir bringen so etwas direkt zur Anzeige.“ Muthig-Beilmann verfolge eine Null-Toleranz-Haltung bei solchen Vorfällen oder bei Gewalt. Sie suche außerdem Gespräche und fokussiere demokratiebildende Projekte.

Susanne Muthig-Beilmann ist Leiterin des Louis-Baare-Berufskollesgs.
Susanne Muthig-Beilmann ist Leiterin des Louis-Baare-Berufskollesgs. © FUNKE Foto Services | Dietmar Wäsche

Radikalisierungstendenzen an Schulen in Bochum? Das sagt die Schulaufsicht

Zu radikalen Situationen an Schulen kommt es immer wieder, im Januar beispielsweise rückte eine Gesamtschule in Neuss in die Schlagzeilen. Vier muslimische Oberstufen-Schüler sollen versucht haben, ihre Auffassung von Religionsausübung gegenüber anderen durchzusetzen. Der Staatsschutz ermittelt. Die Grünen in Bochum haben das zum Anlass genommen, anzufragen: Gibt es an den Schulen Radikalisierungstendenzen?

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Die Antwort: „Dem Kreis der Schulaufsichten sind keine besonderen Radikalisierungstendenzen in den Schulen bekannt“, so Schulrätin Janine Bartsch aus der Bezirksregierung Arnsberg. Delikte wie das Malen von Hakenkreuze oder Zeigen eines Hitlergrußes würden immer mal wieder vorkommen. Sie würden von den Schulleitungen zur Anzeige gebracht und nach dem Schulgesetz geahndet. Damit es gar nicht erst so weit kommt, gebe es viele Präventionsprogramme. Zudem können Fachstellen zur Hilfe gezogen werden, für Jugendliche mit Radikalisierungstendenzen selbst, aber zur Beratung auch für Lehrkräfte.

Demokratieförderung, offene Gespräche – das machen Bochums Schulen

Das Louis-Baare-Berufskolleg ist aktuell Träger des Abraham-Pokals. Dieser kommt vom Kinder- und Jugendring und wandert in Bochum von Schule zu Schule, um junge Menschen zu ermutigen, gegen Rassismus und Intoleranz in der Gesellschaft aktiv zu werden. An der Schule in Wattenscheid habe das Thema Demokratieförderung einen hohen Stellenwert, es gebe viele Aktionen, zum Beispiel eine Kooperation mit der Talentmetropole Ruhr, zuletzt haben Schülerinnen und Schüler am Europatag sensibilisiert und sich durch Gedichte für die Wertegemeinschaft starkgemacht.

Diese Texte haben viele Menschen interessiert

Aber gibt es an Schulen ein größer werdendes Radikalisierungsproblem? Das sieht Susanne Muthig-Beilmann nicht. Gleichzeitig fragt sie sich: „Können wir das überhaupt sehen?“ Man könne den Schülerinnen und Schülern oftmals nur vor den Kopf schauen. Deshalb setze man auf offene Gespräche, der Redebedarf sei da. Das habe die Schulleiterin zuletzt bezüglich des Nah-Ost-Konflikts bemerkt. Ein „Raum der Gesprächskultur“ sei sehr gut angenommen worden.

Soziale Medien spielen eine immer größere Rolle

Oliver Bauer leitet das Neue Gymnsium Bochum.
Oliver Bauer leitet das Neue Gymnsium Bochum. © FUNKE Foto Services | Dietmar Wäsche

Wie sieht es an den anderen Schulen in Bochum aus? „Radikalisierungstendenzen im schulischen Alltag kann ich am NGB nicht verzeichnen. Wenn in Einzelfällen zu Fehlverhalten von Jugendlichen kommt, spielen die sozialen Medien eine immer größere Rolle“, sagt Oliver Bauer, Leiter des Neuen Gymnasiums in Bochum. Demokratieerziehung sei fächerübergreifend in den Lehrplänen verankert. So auch an der Graf-Engelbert-Schule. Leiterin Arnscheid sagt: „An unserer Schule sind keine Radikalisierungstendenzen zu beobachten.“

Claudia Aldibas-Könneke, Leiterin der Nelson-Mandela-Schule, erklärt: „Bei uns kommen diese Vorfälle nur äußerst selten vor – zwei- bis dreimal im Jahr – und deren Anzahl ist in jüngster Zeit nicht größer geworden.“ Bereits in den unteren Klassen arbeite die Sekundarschule sehr intensiv gegen Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus.

Schülerinnen und Schüler organisieren Ausstellung zu verbotenen Symbolen

„Das Lessing-Gymnasium kann sich den Worten der Schulrätin, dass keine besonderen Radikalisierungstendenzen bekannt seien, anschließen“, sagt Lehrer Lars Bender. Die genannten Vorfälle seien in der jüngeren Vergangenheit kein Thema gewesen. „Zum Thema gemacht werden hingegen die Erinnerungskultur und die Selbstverständlichkeit einer Positionierung gegen rechtes Denken und Handeln“, so Bender.

Ulrike Strajhar ist seit Ende Mai die neue Leiterin der Goethe-Schule in Bochum.
Ulrike Strajhar ist seit Ende Mai die neue Leiterin der Goethe-Schule in Bochum. © FUNKE Foto Services | Uwe Ernst

Deutlich wird: Prävention und Demokratieerziehung spielt an den Schulen in Bochum eine große Rolle. Wie an vielen anderen Schulen gibt es am Walter-Gropius-Berufskolleg zum Beispiel regelmäßige Auschwitz-Fahrten. An der Goethe-Schule organisiere die Schülervertretung gerade eine Ausstellung zu verbotenen Symbolen des Nationalsozialismus. „Die Schülerinnen und Schüler wollen die Schulgemeinschaft durch die geschichtliche Einordnung und Informationen (...) für das Thema sensibilisieren“, sagt Leiterin Ulrike Strajhar. Aufklärung und eine wachsame Haltung seien sehr wichtig.