Bochum. Das Prinz-Regent-Theater Bochum leidet schon länger unter sinkendem Zuspruch des Publikums. Ob mit einer Uraufführung die Kehrtwende gelingt?
Immerhin an diesem Abend ist der Saal gut gefüllt: Zur Uraufführung von „Hal Hannah Hannibal“ werden im Prinz-Regent-Theater (PRT) sogar noch Stühle dazu gestellt, um den vielen Zuschauern genügend Plätze zu bieten – und sie feiern die Aufführung nach langen zweieinhalb Stunden ausgiebig. Doch über ein tiefer sitzendes Problem kann dies nicht hinwegtäuschen: Die traditionsreiche freie Bühne in Bochum-Weitmar, so scheint es, steckt in der Krise.
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„Faust“ und „Moby Dick“: Leitung startete mit großen Erfolgen
Als Hans Dreher und Anne Rockenfeller die Theaterleitung vor sechs Jahren übernahmen, begann ihre Arbeit hochtourig. Der elegante „Faust“ und das preisgekrönte „Die Frau, die gegen Türen rannte“ waren stattliche Erfolge bei Kritik und Publikum, Drehers „Moby Dick“ wird als eine der herausragenden Arbeiten in die Geschichte des PRT eingehen. Und immer mehr Zuschauer, die von Johan Simons‘ Intendanz am Schauspielhaus enttäuscht waren, schienen die freie Bühne neben der Zeche als willkommene Alternative zu entdecken.
Doch von der Corona-Krise, die viele freie Theater mit Wucht traf, scheint sich das Haus nie wirklich erholt zu haben. Ob dies nur am zögerlich gewordenen Publikum oder auch an einem Spielplan liegt, der scheinbar nicht mehr viele Herzen erobert, ist schwer zu sagen. Regelmäßig taucht ein rotes „Entfällt“ im Online-Kalender des PRT auf, wenn mal wieder eine Vorstellung abgesagt wird. Erkrankungen im Ensemble werden dafür ebenso als Grund genannt wie mangelndes Zuschauerinteresse.
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„Amphitryon“, „Orlando“ und „Iphigenie auf Tauris“, die jüngsten Premieren, bewegen sich künstlerisch auf ansehnlichem Niveau, doch sie suchen ihr Publikum. Richtig gut laufen im PRT derzeit eigentlich nur die drei Teile der „Tatortreiniger“-Saga nach der spaßigen Fernsehserie. Eine gewisse Ratlosigkeit ist den beiden Theaterleitern schon länger anzumerken, für Mitte 2025 haben sie ihren Abschied angekündigt. Ob die Luft jetzt schon raus ist?
Nebelwände und Farbbeutel entfalten ihre Wirkung
Nicht unbedingt. Zumindest tut Hans Dreher einiges dafür, damit seine Inszenierung von „Hal Hannah Hannibal“ so kraftvoll und kurzweilig wie möglich daherkommt. Von Nebelwänden bis zu Farbbeuteln: Die sparsam eingesetzten Mittel entfalten ihre Wirkung. Leider hat die Aufführung auch einen Text zu schultern, der eher konfus wirkt, statt Spaß macht – und in seiner Überlänge einiges an Ausdauer fordert.
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Der Bochumer Autor Matthias van den Höfel erzählt hier in kurzen Szenen drei ineinander verschachtelte Geschichten, die auch beim besten Willen nichts miteinander zu tun haben. Einmal geht es um den gefürchteten Feldherren Hannibal (von Tim-Fabian Hoffmann als zaudernden Herrscher in Turnschuhen gegeben), dessen gewagte Alpenüberquerung in allen Einzelheiten zelebriert wird.
In unseren Tagen spielt die Geschichte der dauernd genervten Hannah, die vor lauter Karriere die Beziehung zu ihrem sympathischen Freund (Nicolas Martin) aufs Spiel setzt. Die quirlige Laura Thomas ist hier wieder schwer auf Zack. Im dritten Teil beobachtet man die Besatzung einer Raumkapsel in nicht allzu ferner Zukunft, die eine Bruchlandung auf der völlig zerstörten Erde hinlegt. Und alle suchen dauernd nach Elefanten…
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Zum Highlight der Aufführung wird der achtköpfige HHH-Sprechchor, der das Geschehen im Hintergrund gewitzt und wunderbar synchron kommentiert. Als „Hal“ (der teuflische Computer aus Stanley Kubricks Science-Fiction-Film „2001“) entwickelt der Chor ein fast schon beängstigendes Eigenleben. Viel Beifall.
Mit Thomas Bernhard in die neue Spielzeit
„Hal Hannah Hannibal“ dauert zweieinhalb Stunden inklusive Pause. Wieder zu sehen am Sonntag, 5. Mai, um 18 Uhr, sowie am 9. und 18. Juni im Prinz-Regent-Theater, Prinz-Regent-Straße 50-60. Karten: 0234 771117.
Die nächste Spielzeit startet am 29. September mit einem Theaterklassiker: mit „Claus Peymann kauft sich eine Hose und geht mit mir essen“ von Thomas Bernhard.