Bochum-Weitmar. „Orlando“ zählt zu den großen Literaturklassikern. Warum der Roman auch heute noch Spaß macht, zeigt die Premiere im Prinz-Regent-Theater Bochum.

In ihrem Roman „Orlando“ erzählt Virginia Woolf von der Reise eines jungen Mannes, aus dem eine verheiratete Frau wird. Dazwischen liegen mehrere hundert Jahre. Doch wie bringt man eine solch überquellende Geschichte auf die Bühne? Mit Dutzenden Statisten und fliegenden Kulissen? Im Prinz-Regent-Theater Bochum wählt die Regisseurin Magz Barrawasser einen sparsameren Weg. Drei souveräne Schauspieler, ein überaus simples Bühnenbild und etwas geschickt eingesetzter Theaterzauber genügen völlig, um dem Literaturklassiker in schlanken 80 Minuten die Ehre zu erweisen. Das Publikum im ausverkauften Saal ist hingerissen.

Das Publikum im ausverkauften Saal in Bochum ist hingerissen

Beinahe hundert Jahre ist es her, seit die britische Autorin Virginia Woolf der Welt ihren „Orlando“ schenkte, bis heute wohl ihr populärstes und unterhaltsamstes Werk. Mit unbändiger Erzählfreude schreibt sie darin von einem adeligen Teenager, der im England des 16. Jahrhunderts von Königin Elisabeth I. zum Tee eingeladen wird und sich daraufhin auf eine abenteuerliche Tour durch stolze dreieinhalb Jahrhunderte begibt. Orlando selbst wird währenddessen nur 20 Jahre älter. Der Clou: Eines Morgens erwacht er nach langem Tiefschlaf – und ist plötzlich eine Frau.

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Bis zu dieser Schlüsselszene dauert es auf der Bühne etwa eine Dreiviertelstunde – und schön zu sehen ist es, wie unaufgeregt und bedächtig sie Barrawasser formt. Die Rolle des Orlando, bis zu diesem Zeitpunkt von der Schauspielerin Jaela Probst mit Verve gegeben, geht schlicht auf ihre Spielpartnerin Alessandra Wiesemann über, die sie daraufhin gut gelaunt durch die nächsten Etappen ihrer Reise führt.

Am Ende wird auch Helge Salnikau als Dritter im Bunde den Orlando gegeben haben, während die beiden anderen in die übrigen Rollen drumherum springen. Der muntere Rollentausch geht leichthändig vonstatten, alles befindet sich in genderfluider Bewegung. Das Ensemble ist bestens aufeinander eingestimmt. Woolfs Text ist voluminös und fordernd, kleinere Versprecher spielt das charmante Trio locker weg.

Die Regisseurin Magdz Barrawasser brachte zuletzt zwei Abende mit dem „Tatortreiniger“ ins Prinz-Regent-Theater. Jetzt widmet sie sich „Orlando“ von Virginia Woolf.
Die Regisseurin Magdz Barrawasser brachte zuletzt zwei Abende mit dem „Tatortreiniger“ ins Prinz-Regent-Theater. Jetzt widmet sie sich „Orlando“ von Virginia Woolf. © FUNKE Foto Services | Klaus Pollkläsener

Als Bühne, gebaut von Clara Eigeldinger, dient eine weiße Spielfläche mit nur wenigen Requisiten. Ein paar Sitzkissen, einige bunte Bälle, viel mehr steht den drei Schauspielern nicht zur Verfügung. Zwar wird der Roman über weite Strecken relativ konventionell nacherzählt, und doch findet Barrawassers Regie immer wieder schöne Spielszenen, die den Darstellern einigen Raum geben. Hier ist vor allem Helge Salnikau eine Bank: Wie er zu Beginn als Königin die Bühne betritt und später den dauernd nörgelnden Schriftsteller Nicholas Greene gibt, macht beim Zusehen einige Freude. Doch auch Probst und Wiesemann sind mit Feuereifer bei der Sache.

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Allzu ernst scheinen Regie und Darstellertrio die schillernde Vorlage nicht zu nehmen. Immer wieder setzt es lustige Spitzen gegen Virginia Woolfs Fabulierlust, auch kleinere Scherzchen und Filmzitate (inklusive einer Hommage an „Notting Hill“) peppen das Spiel auf.

Karten und weitere Spieltermine

Die nächsten Vorstellungen von „Orlando“ sind am 19. und 30. Januar sowie am 7. und 29. Februar im Prinz-Regent-Theater, Prinz-Regent-Straße 50-60, zu sehen. Dauer: ca. 80 Minuten ohne Pause.

Die letzte Aufführung von „Reigen“ nach Arthur Schnitzler zeigt das Theater am Mittwoch, 17. Januar (Preisdeckel-Tag: zehn, ermäßigt fünf Euro). Das rasend lustige Spiel „Amphitryon“ in der Regie von Theaterleiter Hans Dreher ist wieder am Sonntag, 21. Januar, zu sehen. Karten und Info: 0234 77 11 17 und prinzregenttheater.de

Eine zwanghafte Aktualisierung oder gar eine queere Ästhetik verweigert Barrawasser konsequent, stattdessen lässt sie einfach die schöne Geschichte leuchten, die heute gern als Vorläufer aktueller Genderdebatten gelesen wird. Einzig die Musik (Jaela Probst unterlegt die Aufführung als DJane am rechten Bühnenrand mit einem pulsierenden Klangteppich) wirkt gelegentlich zu aufdringlich und droht manche Szene zu übertünchen. Aber das ist Jammern auf hohem Niveau. Langer, herzlicher Beifall.