Bochum. Claudia Manns Leben hat sich durch Corona komplett verändert. Seit Jahren lebt sie mit den Spätfolgen – und stößt bei Ärzten auf Unverständnis.

  • Die Bochumerin Claudia Manns leidet unter den Spätfolgen einer Covid-Erkrankung.
  • Dabei halten die Symptome der Infektion bei Manns bereits seit mehreren Jahren an.
  • Selbst bei Ärzten stößt sie teilweise auf Unverständnis: „Long-Covid gibt es doch gar nicht.“

Claudia Manns‘ Odyssee beginnt, als sie sich mit Corona infiziert. Es ist April 2020 und Manns ist eine der ersten Bochumerinnen, die es erwischt. 14 Tage verbringt die Bochumerin wegen einer entstehenden Lungenentzündung stationär im Krankenhaus.

Dort bekommt sie eine dauerhafte Sauerstoff-Therapie und wird isoliert. Nach einer Woche stehen die Ärzte schließlich vor ihr und sagen ihr, dass sie nicht weiterwissen. „Das hat mir Angst gemacht, ich habe mich gefragt: Überlebe ich das überhaupt?“, erinnert sich die 58-Jährige im WAZ-Gespräch.

Es sollte nicht das letzte Mal sein, dass ihr Ärzte planlos gegenüberstehen. Denn rund eineinhalb Jahre später, nachdem sich Manns langsam von den Strapazen ihrer Corona-Erkrankung und den folgenden Beschwerden erholt hat, trifft es sie erneut.

Die Bochumerin musste nach der Impfung in die Notaufnahme

Um sich zu schützen und ihren Erzieherinnen-Beruf weiterhin ausüben zu können, lässt sich Manns im Oktober 2021 zum zweiten Mal impfen. 20 Stunden danach beginnt bei der Bochumerin eine Migräne, die fünf Monate lang nicht enden sollte. „Ich hab gedacht, mein Kopf zerbricht“, sagt Manns rückblickend.

Zusätzlich plagen sie Atemnot, Schmerzen im ganzen Körper und Kraftlosigkeit. In der Notaufnahme bekommt die Bochumerin Spritzen, um ihrem Blutdruck entgegen zu wirken, der bei der kleinsten Belastung steigt.

Schließlich werden Manns Long-Covid und Chronisches Fatigue-Syndrom diagnostiziert

Die nächsten Monate verbringt Manns im Bett, mit viel Schmerzmedikation. Während eines zweitägigen Aufenthalts in der Long-Covid-Ambulanz in Gelsenkirchen kriegt sie schließlich zwei Diagnosen: Chronisches Fatigue-Syndrom (ME/CFS) und Long-Covid.

Manns vermutet aufgrund des zeitlichen Zusammenhangs mit ihrer zweiten Impfung diese als Auslöser. Ein Impfschaden wurde ihr bisher nicht bestätigt. Dennoch: Manns verwendet für ihre Erkrankung wechselnd die Begriffe Post-Vac und Long- bzw. Post-Covid.

„Mein Leben findet drinnen statt“

Ihre Diagnosen stimmen die ehemalige Erzieherin zunächst hilflos. Seit ihrer zweiten Impfung hat sie keinen Tag gearbeitet, gegenüber ihrem Arbeitgeber plagt sie ein schlechtes Gewissen. „Ich wollte ja arbeiten“, sagt sie. Aber mit der Diagnose kam das Wissen: Ihr altes Leben kriegt sie so schnell nicht wieder.

Ihr altes Leben, Manns spricht oft davon. Vor der Impfung ging sie ins Kino, konnte selbst einkaufen und spazieren gehen. Heute ist das alles kaum denkbar. „Mein Leben findet drinnen statt“, erzählt sie. Zwar kann sie mittlerweile rausgehen, hat sich auch für das WAZ-Gespräch in die Innenstadt begeben. Aber für sie ist jeder Schritt ein kleiner Kampf.

Weil ein erneuter Infekt die Long-Covid-Erkrankte zurückwerfen könnte, trägt sie häufig eine Schutzmaske.
Weil ein erneuter Infekt die Long-Covid-Erkrankte zurückwerfen könnte, trägt sie häufig eine Schutzmaske. © FUNKE Foto Services | Svenja Hanusch

Die Bochumerin muss sich zurücknehmen, um mit Long-Covid durch die Woche zu kommen

Man kann sich das so vorstellen: Würde Manns im Bermudadreieck auf Höhe des Café Konkret Richtung Mandragora loslaufen, müsste sie auf halber Strecke eine Pause einlegen. Nach 100 Metern. Einkaufen kann sie nicht, weil sie nicht schwer heben darf.

Mittlerweile weiß Manns selbst, was sie tun muss, um es durch die Woche zu schaffen: Sehr wenig von allem, mit sehr großen Pausen dazwischen. Dass sie heute mehr gute Tage hat als noch vor einem Jahr, liege daran, dass sie sich im Alltag zurücknehme. „Ein Termin alle zwei Tage muss reichen“, so Manns.

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Selbst Ärzte zweifeln manchmal an Manns Long-Covid-Erkrankung

Wenn die Frau vor einem steht, würde man keins dieser Symptome vermuten. Sie wirkt frisch und aufgeweckt, spricht klar und deutlich. „Man sieht uns unsere Erkrankung nicht an, das ist das Problem“, sagt Manns.

Zum Problem werde ihr und anderen Betroffenen diese Unsichtbarkeit, wenn ihnen die Beschwerden kurzerhand abgesprochen würden. Das ist Manns sogar schon bei Ärzten passiert. Dann heißt es: „Long-Covid gibt es doch gar nicht.“

Man sieht uns unsere Erkrankung nicht an, das ist das Problem.
Claudia Manns, Long-Covid-Erkrankte

Bochumer Long-Covid-Erkrankte fühlen sich von Gesellschaft und Politik vergessen

Trotz aller Hilf- und Ausweglosigkeit, die Manns im Alltag begleiten, findet sie Momente der Hoffnung. Ihre Selbsthilfegruppe spendet ihr Kraft. Alle 14 Tage tauschen sich die 20 Beteiligten via Zoom aus. Ein persönliches Treffen wäre für viele zu kräftezehrend. Sie sprechen über ihr Wohlbefinden und über Therapien, die sie – häufig auf eigene Kosten – ausprobiert haben.

Wenn Manns von dieser Gruppe spricht, spricht sie von „wir“: „Wir werden von Gesellschaft und Politik mittlerweile vergessen.“ Dass die Bundesregierung weiterhin in Forschung für Long- und Post-Covid investiert, hält die Bochumerin für absolut essentiell.

Manns fordert finanzielle Entschädigung für Behandlungen auf eigene Kosten

Darüber hinaus wünscht sie sich mehr Informationsbereitschaft gegenüber Erkrankten. „Wir holen uns alle Infos selbst“, sagt Manns. Auch sei der bürokratische Aufwand für Anträge der Erwerbsminderungsrente oder eines Pflegegrads enorm und für viele Betroffene gar nicht zu stemmen.

Doch am wichtigsten sei die Entschädigung oder Förderung all der Kosten, die Betroffene selbst tragen, um wenig erforschte Behandlungen auszuprobieren. „Erkrankte sollten ausprobieren können, ob sie eine Linderung erfahren – und so vielleicht sogar ins alte Leben zurück finden“, so Manns.