Herne. In Herne sind die Kinderarztpraxen am Limit. Auffällig viele Kinder haben eine Lungenentzündung, die leicht übersehen wird.
Die Kinderarztpraxen in Herne sind in diesem Winter mit einer Vielzahl von erkrankten Kindern konfrontiert, die eine besondere Form der Lungenentzündung haben. Diese bleibt wegen der zum Teil milderen Symptome oft lange unentdeckt. „Auch die Zahlen für Grippe waren dieses Jahr extrem hoch“, sagt Dr. Özlem Aksünger, Kinderärztin in der Gemeinschaftspraxis an der Kreuzkirche in Herne-Mitte.
„Dieses Jahr war ausgesprochen infektiös“, resümiert Aksünger, die gemeinsam mit Dr. Anna den Brave von der Praxis Paedium Ruhrkidz neue Obfrau der Herner Kinderärztinnen und Kinderärzte ist. „Die Infektsprechstunde war den ganzen Winter picke packe voll, obwohl wir mit fünf Ärzten gearbeitet haben“, so Aksünger weiter. Und damit steht sie nicht alleine da: „Wir haben hart gearbeitet, das Team ist häufig ans Limit und auch darüber hinaus gegangen“, sagt auch Dr. Anna den Brave.
„Wir hatten ein Revival der Lungenentzündungen“, sagt Kinderärztin Aksünger. Viele von ihnen seien atypische Lungenentzündungen auf Grundlage von Mykoplasmen. Dabei handelt es sich um ein Bakterium, das per Tröpfcheninfektion weitergegeben wird. Häufig verlaufe die atypische Lungenentzündung schwächer, mit nur erhöhter Temperatur oder leichtem Fieber sowie Husten. Das Kind könne auch unbehandelt mit der Zeit genesen.
Es kann aber auch zu schwereren Verläufen kommen. Wenn das Kind so krank werde, dass man sich als Eltern Sorgen macht, solle man den Arzt aufsuchen, so den Brave. „Die vergangenen Winter war es sehr selten, dass überhaupt ein Kind eine Lungenentzündung hatte“, sagt sie. Dieses Jahr sei hingegen bei jeder Infektsprechstunde mindestens ein Kind dabei gewesen. „Warum das so ist, bleibt ein Rätsel“, sagt den Brave.
Neben der Lungenentzündung kämen diesen Winter auch viele Kinder mit dem RS-Virus, grippalen Infekten oder der Influenza in die Praxis. „Die Influenza kann schon sehr krank machen, und dieser lange fiebernde Verlauf ist sehr zäh“, sagt Aksünger. Bei dieser Entwicklung mache es durchaus Sinn, sich über eine Impfung gegen Influenza auch bei Kindern Gedanken zu machen – vor allem natürlich bei vorerkrankten Kindern, aber auch, wer engen Kontakt zu vulnerablen Personen wie Oma und Opa hat.
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Die Kinder seien in diesem Jahr lange krank und häufig krank, so den Brave. „Die Eltern sind mit den Nerven am Ende.“ Man habe das Gefühl, die ganze Familie drehe sich im Kreis. Jeder bekomme den Infekt nacheinander, und kaum sei der Letzte durch, beginne der nächste Infekt, der dann wieder reihum gehe. Auch ein paar Fälle von Windpocken gebe es wieder, beobachtet die Kinderärztin. Teilweise sei dies der Fall bei Kindern, die aus Ländern kämen, wo es keine Impfempfehlung gebe. Aber auch hierzulande beobachten beide Kinderärztinnen eine zunehmende Impfmüdigkeit.
Langsam sei die Hochphase der Krankheitswelle von Anfang Februar überstanden, so die Kinderärztinnen. Positiv zu erwähnen sei außerdem, dass es anders als im vergangenen Jahr nicht zu so einem Mangel an Antibiotika und anderen Medikamenten gekommen sei. Die Herner Apotheken seien gut aufgestellt gewesen, bilanziert den Brave. Und dennoch sagt sie nach diesem Winter: „ Ich bin froh, wenn der Frühling kommt.“
AOK meldet mehr Windpocken-Fälle
- Die AOK Nordwest meldet auf Basis aktueller Zahlen des Robert-Koch-Institutes, dass die Zahl der Windpocken-Fälle in Herne im vergangenen Jahr wieder angestiegen sei. Demnach wurden 2023 insgesamt 40 Infektionsfälle gemeldet, im Jahr 2022 waren es elf und in 2021 insgesamt sieben Fälle. Vor der Pandemie in 2019 wurden 28 Windpocken-Fälle registriert.
- „Die Corona-Pandemie hat das Infektionsgeschehen stark beeinflusst. Die Fallzahlen gingen aufgrund der Maßnahmen wie Lockdown, Schul- und Kita-Schließungen sowie strenger Hygieneregeln rasant zurück“, sagt AOK-Serviceregionsleiter Jörg Kock. Mit der Normalisierung des gesellschaftlichen Lebens und dem Wegfall der Maßnahmen habe sich die Situation dann wieder verändert mit der Folge steigender Fallzahlen.
- Windpocken (Varizellen) gehörten zu den häufigsten Kinderkrankheiten und seien äußerst ansteckend. Daher rät die AOK dazu, insbesondere Kinder gegen Windpocken impfen zu lassen. Die von der Ständigen Impfkommission am RKI empfohlenen Impfungen werden von den gesetzlichen Krankenkassen für ihre Versicherten bezahlt.